Marc Janko steht im Nationalteam mit seiner Attacke auf die ÖFB-Funktionäre nicht alleine da.
Wer glaubte, dass Marko Arnautovic sich nicht seine Gedanken zu den aktuellen Turbulenzen im Fußballbund machen würde, der irrte. Gewaltig sogar.
"Ich schließe mich Marc zu 100 Prozent an. Ich verstehe dieses Drumherum einfach nicht. Es ist so: Die Leute, die dafür zuständig sind, die müssen mal so richtig in sich hineingehen - und nicht eine Nacht schlafen, danach aufstehen und sagen: 'Wir brauchen etwas Neues, da läuft nichts mehr.' Das sehe ich nicht so", erklärt der West-Ham-Legionär bei seinem Medientermin am Mittwoch.
Arnautovic: "Man sollte Kollers Hände küssen!"
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
"Aus meiner Sicht ist das ein großer Fehler!"
Diese Aussage ist der Auftakt in ein minutenlanges - wohlüberlegtes - Statement. Wer glaubt, dass Arnautovic aus einer Emotion heraus losledert, wie es bei ihm manchmal vorkommt, der irrt ebenso.
Der 28-Jährige artikuliert ruhig, sachlich, präsentiert Argumente - vor allem in der Causa um den unter Beschuss geratenen Sportdirektor Willi Ruttensteiner - und nimmt in erster Linie sich und die anderen Spieler in die Pflicht. Da in diesem Fall Kontext enorm wichtig ist, hier das weiterführende Arnautovic-Statement in ausführlicher Version:
"Ich denke, die Quali, die wir gespielt haben, war nicht schlecht, sie war unglücklich. In den meisten Spielen waren wir die bessere Mannschaft, hatten aber nicht das entsprechende Glück, die drei Punkte zu holen - egal ob zu Hause oder auswärts. Jetzt habe ich gehört, dass schon vor der Sitzung irgendwie durch die Blume gesagt wurde, dass Marcel Koller nicht mehr Trainer bleibt. Ich finde das aggressiv! Ich denke, dass Österreich davor noch nie - noch NIE - auf dem zehnten Platz der Weltrangliste war, wir uns davor noch nie aus eigener Kraft für eine EURO qualifiziert haben. Natürlich, dann sind wir zur EURO und hatten nicht die entsprechende Erfahrung. Jeder wollte unbedingt, aber uns ist es nicht gelungen, wie wir wollten. Ich denke, das Ausschlaggebende war dann nach der EURO. Die Euphorie war weg, und das Glück ist wie gesagt nicht mehr auf unserer Seite gewesen."
"Und dann sitzen auf einmal zehn oder 15 Leute am Tisch und sagen: Das wird jetzt alles geändert, da werden jetzt neue Leute kommen, und die werden alles verändern. Aus meiner Sicht ist das ein großer Fehler!"
"Aber dann entscheiden sie so - und das nicht nur wegen dem Trainer, sondern wie ich gehört habe, gibt es jetzt auch eine Sitzung wegen Willi Ruttensteiner. Ruttensteiner ist 18 Jahre im ÖFB! Und in diesen 18 Jahren hat er viel für den österreichischen Fußball gemacht - nicht nur für das A-Nationalteam, sondern auch für die Jugend oder den Frauen-Fußball. Und wie man sieht: Man hat sich extrem entwickelt. Wir haben uns für die EURO qualifiziert, die Frauen sind bei der EM Dritte geworden, und keine Ahnung, wie oft Junioren-Nationalteams Qualifikationen geschafft haben."
"Und dann sitzen auf einmal zehn oder 15 Leute am Tisch und sagen: Das wird jetzt alles geändert, da werden jetzt neue Leute kommen, und die werden alles verändern. Aus meiner Sicht ist das ein großer Fehler!"
"Eigentlich sollte es so sein: Es dreht sich ja alles ums A-Nationalteam - das sind ja Entscheidungen, weil es beim A-Nationalteam nicht läuft und nicht weil es beim Frauen-Nationalteam nicht läuft. Also müssen wir Spieler beim A-Nationalteam das drehen. Aber irgendwie ist es im österreichischen Fußball so, dass zu uns gar kein Druck kommt, sondern der Druck kommt nur auf den Trainer und den Sportdirektor, und das verstehe ich überhaupt nicht. Denn der Trainer hat kein einziges Spiel gemacht, der Sportdirektor hat kein einziges Spiel gemacht. Wir müssen jedes Mal da draußen stehen, wir müssen gewinnen. Das heißt: Wir müssen uns hinterfragen! Und vielleicht müssen diese Leute einmal zu uns kommen und mit uns sprechen, wie wir das sehen! Aber nicht so schnell so eine Entscheidung treffen. Ich war nicht dabei, aber wie wir gehört haben, wie das alles entstanden ist, ist das alles extrem komisch."
Arnautovic denkt nicht an ÖFB-Rücktritt
Man sieht, wie am Dienstag Janko hat sich auch Arnautovic seine Gedanken darüber gemacht, wie uns warum derzeit Entscheidungen im ÖFB zustande kommen. Auch die Offensivkraft gehört zu jenen Spielern, die Koller in ihrer Nationalteam-Karriere einiges zu verdanken haben. Über die Jahre hat der Schweizer aus einem hochveranlagten "Problemkind" den tendenziell verlässlichsten Leistungsträger in Rot-Weiß-Rot geformt.
Nach dem Georgien-Spiel hielt Arnautovic ein emotionales Plädoyer für Koller. Seine Zukunft im ÖFB-Dress macht er jedoch nicht davon, wer neuer Teamchef werden wird, abhängig: "Was heißt aufhören? Wenn ich einberufen werde, bin ich da. Bei mir braucht man nicht zu zweifeln - egal, welches Spiel ich spiele, ich werde mein Bestes geben."
Vielmehr geht es ihm, ähnlich wie Janko, um eine richtige Einordnung - unabhängig von der Personalie des neuen Cheftrainers:
"Mir ist es egal, wer Trainer wird. Natürlich tut es mir weh, dass Marcel Koller nicht mehr Trainer ist, denn er hat sich den Job verdient, er hat mit der Mannschaft viel erreicht. Aber wir müssen uns einmal klar werden: Wir sind nicht Brasilien, wir sind nicht Deutschland, dass wir in allen Qualifikationen immer alles gewinnen und uns qualifizieren müssen. Wir sind immer noch Österreich, und wir sind immer noch eine Mannschaft, die im Aufbau ist, und keine Mannschaft, von der man sagen kann, dass sie komplett ist und man behaupten kann: 'Passt, uns fehlen jetzt vier, fünf Spieler, aber diese vier, fünf Spieler können wir genauso gut ersetzen.' Das geht noch nicht. Das kommt mit der Zeit! Natürlich haben wir junge Spieler, die dazukommen, aber es ist noch nicht so, dass wir zu den Ländern gehören, die an der Spitze sind. Es wird einfach zu viel verlangt."
"Der österreichische Fußball hat Koller viel zu verdanken"
Koller habe sehr viel mit seinen Leistungen zu tun, aber ob seine eigene Nationalteam-Karriere ohne den Eidgenossen anders verlaufen wäre, kann Arnautovic nicht beurteilen: "Natürlich haben meine Leistungen auch etwas mit meiner Entwicklung zu tun. Aber natürlich habe ich ihm sehr viel zu verdanken, aber nicht nur ich. Ich sage es noch einmal: Der ganze österreichische Fußball hat ihm sehr viel zu verdanken."
Ob ihn die Angst plagt, dass mit neuen Leuten an der Spitze der Mannschaft der eingeschlagene Weg verlassen werden könnte und die Aufbauarbeit unter Koller in Gefahr sei?
"Ich weiß nicht, wer in Zukunft einberufen wird und wer nicht einberufen wird. Der Großteil der Mannschaft ist jetzt sechs Jahre dabei, wir kennen uns, sind eingespielt. Ich weiß es nicht! Die, die am Tisch sitzen und alles entscheiden, werden wahrscheinlich wissen, wer kommt und wer diesen Weg weiterführen kann. Aber für mich ist es nicht nachvollziehbar."