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Der neueste Trumpf der ÖFB-Abwehr unter Rangnick

Rausspielen und Stabilität aus Defensive sorgt für Kontrolle. Worauf es ankommt:

Der neueste Trumpf der ÖFB-Abwehr unter Rangnick Foto: © GEPA

Die Art und Weise macht Lust auf mehr.

Wie sich das ÖFB-Nationalteam bisher unter Ralf Rangnick präsentiert, ist aller Ehren wert. Auch wenn es noch nichts zu gratulieren gibt, sticht die Lernbereitschaft der Mannschaft unter dem neuen Chefbetreuer heraus. Jeder ist gerne dabei, nimmt die neuen Ideen an und wirkt endlich vom modernen Fußball abgeholt.

Binnen weniger Tage hat der 63-jährige Deutsche gleich in seinem ersten Lehrgang das veraltete, verstaubte Konstrukt seines Vorgängers ad acta gelegt und dem Team mit einer klaren Spielidee und Philosophie neues Leben eingehaucht.

Was von vielen Seiten anfangs noch auf Pressing des Ex-Red-Bull-Masterminds reduziert wurde, ist weitaus mehr. Flexibilität, das Switchen zwischen unterschiedlichen Ausrichtungen offensiv und defensiv, mit oder gegen den Ball und die richtige Mischung zwischen frühem Anlaufen und Kontrolle machen es aus.

Kontrolle im Spielaufbau als oberstes Gebot

Kontrolle ist dabei ein wichtiges Stichwort, denn diese will Rangnick immer und überall haben. Deshalb startet der Spielaufbau mit überlegtem und systematischem Herausspielen von hinten. Was im Klubfußball immer mehr Einzug hält, ist nun auch der neueste Trumpf der ÖFB-Defensive.

Die Rechnung ist ganz einfach. Mit einem Abstoß, wie unter Vorgänger Franco Foda großteils praktiziert, wird die Gefahrenzone schnellstmöglich überbrückt, um nicht nahe dem eigenen Tor einen Ballverlust zu riskieren.

Die Kontrolle geht aber schleunigst verloren, da beim hohen Ball eine 50:50-Chance im Kopfballduell besteht - eigentlich sogar weniger, da der Gegner in der Vorwärtsbewegung auf den Ball gehen kann, während man selbst mit dem Rücken zum gegnerischen Tor agiert. Auch die Chance auf den zweiten Ball ist nicht planbar.

Deshalb legt Rangnick besonders großen Wert auf einen Torhüter mit Qualitäten im Spielaufbau, denn dieser ist für die Eröffnung des Spielzugs im eigenen Strafraum verantwortlich. Zuletzt bewies Patrick Pentz, dass er diese Rolle mit dem Ball am Fuß durchaus zufriedenstellend ausführen kann.

"Patrick hat auf der Linie und beim Mitspielen mit den Pässen gezeigt, dass man ihn fast wie einen Feldspieler miteinbeziehen kann. Das hat er gut gemacht", lobte der Teamchef nach dem Frankreich-Spiel nicht umsonst, da dadurch seine Vorstellungen noch besser in die Tat umgesetzt werden konnten.

Neue Variabilität und Flexibilität

Zur Spieleröffnung gibt es dabei unterschiedliche Möglichkeiten: Über die Innenverteidiger, einen sich anbietenden Sechser oder über außen. Dabei sind auch stets anspielbare abkippende Sechser wie Nicolas Seiwald oder Xaver Schlager von immenser Bedeutung.

Flexibilität macht sich dabei bezahlt, Präzision und Nachdruck im Passpiel haben oberste Priorität, um nicht früh in Gefahr zu geraten. Das Vertrauen in jeden einzelnen Spieler spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, da immer mehr Teams mit Pressing den Spielaufbau des Gegners früh stören wollen und Anspielstationen unter Druck setzen.

Bisher war dieser souveräne Aufbau durchaus von Erfolg gekrönt. Als Frankreich das Anlaufverhalten veränderte, veränderte auch das ÖFB-Team das Herausspielen. "In der zweiten Halbzeit haben wir es besser gemacht, weil wir uns angeschaut haben, wie sie uns zustellen. Es war besser, wenn David Alaba den ersten Pass auf mich spielt, weil sie dann Probleme mit dem Anlaufen hatten", merkte Pentz die neue Variabilität und Flexibilität an.

Der sich derzeit in der Pole Position befindliche Keeper weiß genau, was die Vorzüge dieses Systems mit Ballbesitz aus der eigenen Hälfte heraus ist und outet sich durchaus als Fan der neuen Spielweise.

"In der Mannschaft kann jeder jeden Ball verarbeiten"

Diese komme seinem Spielstil durchaus entgegen, auch wenn Heinz Lindner und Martin Fraisl ebenso Qualitäten mit dem Ball am Fuß mitbringen.

"Ich bin jetzt nicht der Torhüter, der jeden Abstoß lange nach vorne haut. In der Mannschaft hast du eine brutale Qualität, wo einfach jeder jeden Ball verarbeiten kann."

Patrick Pentz über das Herausspielen

"Wer mich schon länger verfolgt, weiß, wie mein Spiel eigentlich ausschaut. Also ich bin jetzt nicht der Torhüter, der jeden Abstoß lange nach vorne haut. In der Mannschaft hast du eine brutale Qualität, wo einfach jeder jeden Ball verarbeiten kann", spricht Pentz einen entscheidenden Punkt an.

"Deshalb finde ich es richtig cool, wenn man von hinten raus einen klaren Spielaufbau betreiben will, weil man sich dadurch natürlich die Aktionen besser vorbereitet und definitiv in Ballbesitz bleibt. Es ist natürlich wichtig, dass man gemeinsam mit der Mannschaft diesen Aufbau von hinten aufbauen will, weil wenn einer nicht mitzieht, dann klappt das nicht. Aber wir machen das ganz gut."

Ähnlich wie beim Pressing funktioniert auch der Spielaufbau vom eigenen Strafraum weg nur, wenn alle Spieler bereit, anspielbar sind und die richtigen Räume besetzen. Die Einhaltung des Matchplans hat dabei oberste Priorität. "Ich probiere das abzuliefern, was von mir verlangt wird. Das probiere ich bestmöglich auszuführen, was die Vorgaben oder der Matchplan sind", so Pentz.

"Wenn wir über erste Pressinglinie drüberkommen, haben wir unsere Qualitäten"

Und wie sehen das seine Vorderleute? Blindes Vertrauen ist Voraussetzung, um diesen Spielstil zu perfektionieren. Einer, der es wissen muss, ist Gernot Trauner. Der Abwehrchef von Feyenoord Rotterdam sieht ebenso nur Vorteile im durchdachten Spielaufbau in der neuen ÖFB-Ausrichtung.

"In erster Linie ist die individuelle Qualität vorhanden. Wir haben Torhüter, die wir immer anspielen und dadurch eine gewisse Überzahl herstellen können. Da beginnt es schon", erklärt der Ex-LASKler auf LAOLA1-Nachfrage.

"Wenn wir dann über die erste Pressinglinie drüberkommen, dann haben wir unsere Qualitäten, wo wir sehr schnelle Spieler haben und auch individuelle Qualität, womit wir uns unsere Chancen herausspielen können."

Gernot Trauner über den Spielaufbau

"Wir haben gezeigt, dass wir die Ruhe am Ball haben und immer wieder unsere Sechser finden, die sich dann gut freibewegen und das Spiel eröffnen können." Die letzten Spiele habe dies schon gut funktioniert und es wurden immer wieder Lösungen gefunden, "um uns aus dem Pressing zu befreien."

"Wenn wir dann über die erste Pressinglinie drüberkommen, haben wir unsere Qualitäten, wo wir sehr schnelle Spieler haben und auch individuelle Qualität, womit wir uns unsere Chancen herausspielen können", geht Trauner ins Detail.

Nur drei Gegentore gegen Top-Nationen dank neuer Stabilität

Dass die neue Herangehensweise der rot-weiß-roten Auswahl nicht mehr rein an Namen gekoppelt ist, sondern jeder Kaderspieler genau weiß, was auf jeder einzelnen Position zu tun ist, zeigte sich ebenfalls in den ersten drei Spielen.

So lief die Abwehr gegen Kroatien, Dänemark und Frankreich stets in unterschiedlicher Zusammenstellung auf. Im Tor wurden Heinz Lindner und Pentz ausprobiert, in der kurzzeitig eingesetzten Dreierkette gegen Luka Modric und Co. so wie der seitdem besser funktionierenden Viererkette kamen Stefan Lainer, Kevin Danso, Gernot Trauner, Maximilian Wöber, Christopher Trimmel, Stefan Posch, David Alaba, Marco Friedl und Valentino Lazaro zum Einsatz.

Bis auf den verletzten Philipp Lienhart kamen somit alle Defensivspieler zum Zug, die Rangnick einberufen hatte. Nachnominierungen wurden mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen, womit Rangnick auch in Kopenhagen aus jenem Kreis - exklusive der Verletzten - der letzten Spiele wählen kann.

Herantasten an das System Rangnick

Die defensive Stabilität kann sich sehen lassen und gibt Hoffnung. Gegen Kroatien spielte Österreich zu Null und ließ vor allem nach der halbstündigen Findungsphase wenige Top-Chancen zu, ebenso gegen Dänemark, wo das zweite Tor nach einer Unaufmerksamkeit bei einem Freistoß resultierte.

Gegen Frankreich warf Österreich alles in die Waagschale und ließ auch den Weltmeister erst gegen Ende der Partie mehrere Chancen vorfinden, da die Kräfte sichtbar abnahmen und mit Kylian Mbappe oder auch Christopher Nkunku eine Extra-Portion Qualität eingewechselt wurde, die den Gästen schlussendlich ein 1:1 rettete.

Stellt Österreich nun auch die von Rangnick kritisierte Naivität in gewissen Aktionen ab, dann scheint das ÖFB-Team auf einem guten Weg zu sein, sofern die mannschaftliche Geschlossenheit anhält. Kontrolle, am besten von hinten bis vorne, ist schließlich das, was das System Rangnick ausmacht und sich der neue Teamchef wünscht.

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