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Kommentar: Das Spiel unseres Lebens!

Pfeifen wir für einen Tag auf rational. Dies ist so viel mehr als "nur" ein Achtelfinale:

Kommentar: Das Spiel unseres Lebens! Foto: © GEPA

Ich habe mein Leben lang auf dieses Spiel gewartet.

Es ist das Spiel unseres Lebens.

Das gilt im Prinzip für die allerallermeisten von uns. Denn wer 1954 die K.o.-Spiele am Weg zum 3. WM-Platz bewusst miterlebt hat und hier mitliest, dem kann ich nur sagen: Hut ab vor der Geduld!

Österreich gegen Italien. EURO-Achtelfinale. Ein K.o.-Spiel bei einem Fußball-Großereignis.

Ein rot-weiß-rotes Jahrzehnte-Ereignis.

Starten wir trotz allem mit der rationalen Komponente. Denn wenn man die rot-weiß-rote Brille beiseite legt, ist es natürlich ein Allerweltsereignis.

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

15 andere Länder stehen auch gerade im Achtelfinale – und es soll Nationen geben, die die Teilnahme an der Runde der letzten 16 nicht so richtig zu schätzen wissen, bei denen es schon mehr sein darf.

Es wäre schön, wenn wir uns in den kommenden Jahren auch Schritt für Schritt dahin entwickeln, dass K.o.-Spiele bei Turnieren die Normalität werden und nicht die absolute Ausnahme.

Das ist uns zuzutrauen – auch angesichts einiger hochinteressanter Youngsters, die das A-Team schon bald bereichern sollten.

Objektiv und nüchtern gesehen, hat das ÖFB-Team mit einer mittelmäßigen, einer schlechten und einer sehr guten Leistung das EM-Minimalziel erreicht, denn bei einem erneuten Vorrunden-Aus wäre ziemlich Feuer am Dach gewesen. Dank der Ukraine-Partie besteht so etwas wie Euphorie.

Dass Geschichte geschrieben wurde und die ÖFB-Elf an diesem Wochenende Fußball spielen darf, war jedoch wie schon einmal betont alternativlos. Dieses Nationalteam ist in seiner qualitativen Entwicklung genau an dem Punkt, dass es höchste Zeit ist, wertvolle Finalrunden-Erfahrung zu sammeln.

So weit der rationale Part.

Und ganz ehrlich: Pfeifen wir auf rational! Für einen Tag! Heute! Meinetwegen auch nur für die 90 Minuten, danach wird eh wieder zurecht diskutiert werden.

WM 1978 Österreich spielte in der Zwischenrunde
Foto: © getty

Aber auf der Ebene drüber, der emotionalen, ist dieses Spiel so viel mehr als "nur" ein Achtelfinale. Dass sich eines der allergrößten Kaliber die Ehre gibt, macht's natürlich noch viel feiner.

Aber gegnerunabhängig: So etwas hamma alle noch net erlebt!

Diese Meldung ist garniert mit ein paar historischen Fotos. Den Aufmacher ziert jene Startelf Österreichs um Herbert Prohaska vom 2:2 gegen Nordirland in der Zwischenrunde der WM 1982. Dies ist schon ein Zeiterl her und trotzdem bis genau heute das letzte ÖFB-Match bei einem Turnier abseits der Gruppenphase.

Aber eben Zwischenrunde – ein unglücklicher-Modus, Win or go home ist da allemal attraktiver.

Bei einer Zwischenrunde kann es, wie bei Österreich 1978, vorkommen, dass man zwei Mal schlecht ausschaut (1:5 gegen Ernst Happels Holländer und 0:1 gegen Italien), dann ein bedeutungsloses Match gegen Deutschland gewinnt und sich dafür jahrzehntelang feiern lässt.

WM-Halbfinale 1934 - 1:0 für Italien durch Guaita
Foto: © getty

Auch 1934 musste man sich der Squadra Azzurra 0:1 geschlagen geben. Und zwar im WM-Halbfinale. Das Goldtor von Enrique Guaita auf Vorlage von Giuseppe Meazza lässt sich im dritten Bild erahnen.

WM-Halbfinale. Das waren noch Zeiten. Man kann jedoch nicht behaupten, dass das Nationalteam in all den Jahrzehnten ohne durchschlagenden Erfolg sein Publikum kaltgelassen hat. Speziell die Turniere.

Das erste Turnier mit ÖFB-Beteiligung, an das ich mich bewusst erinnern kann, war die WM 1990. Beim Namen Toto Schillaci ärgere ich mich heute noch. Und unserem Andy Ogris Danke noch mal für dieses Tor gegen die USA. Wie geht's eigentlich Windischmann?

Diese Großereignisse sind das, was bleibt. Das zeigt auch eine kleine Stichprobe quer durch verschiedene Generationen der LAOLA1-Redaktion.

Unser Chef Peter Rietzler ist eine Spur älter als wir, aber wenn er an die WM 1978 denkt und von seinem ersten WM-Journal erzählt, das sich nach wie vor in seinem Besitz befindet, wird er wieder zum begeisterten Teenager, der er damals war.

Das Vorwort schrieb ein gewisser Josef Hickersberger, sein Star war der unvergessene Bruno Pezzey: "Ich bin mit dem selbstgemalten Fünfer am Rücken und dem selbstgeschriebenen Namenszug PEZZEY darüber tagelang dem Ball nachgerannt."

Unsere Redakteurin Daniela Kulovits stieg bei der WM 1998 in sehr jungen Jahren in Österreichs Turnier-Geschichte ein. Damals half sie ihrem älteren Bruder fleißig beim Panini-Album, der revanchierte sich mit Nachhilfe-Unterricht in Sachen beste Spieler.

Ivica Vastic sei zwar nicht unter den Genannten gewesen, sein Last-Minute-Ausgleich zum 1:1 gegen Chile wurde von der versammelten Familie jedoch derart laut bejubelt, dass es bis heute in Erinnerung blieb – mehr als das folgende "Finale" gegen Italien.

Unser Redaktions-Youngster Maximilian Girschele stieg bei der EM 2008 ein, aufgrund der Gnade der späten Geburt blieben ihm einige dunkle Jahre erspart.

Bei der Heim-EURO gelang Vastic ein weiteres Tor für die Ewigkeit. Der erste Gedanke von Max an dieses Turnier gilt jedoch dem 0:1 gegen Kroatien und dem Elfmeter-Tor von Luka Modric, auf das er mit seinen damals neun Jahren "sehr emotional" reagiert habe.

Turniere schaffen Emotionen – positive wie negative. Auch wenn der Erfolg zuletzt eher rar war, können wohl die meisten von uns zu den österreichischen Turnier-Spielen, die sie bewusst erlebt haben, etwas sagen.

Und das teilweise auch Jahrzehnte später. Auch Christoph Baumgartner Tor gegen die Ukraine wird in 20 Jahren noch nicht vergessen sein.

Wie schön wäre es eigentlich, wenn sich die folgenden Generationen nicht mit irgendwelchen – wenngleich charmanten – Vorrunden-Episoden begnügen müssten?

In diesem Sinne sollte die Hoffnung sein, dass dieses Italien-Spiel irgendwann als Aufbruch in eine neue Ära betrachtet wird. Als erstes von mehreren K.o-Spielen bei regelmäßigeren Turnier-Teilnahmen. Diesen Anspruch können wir mittlerweile stellen.

Aber: Es ist eben das erste.

Genießen wir es in vollen Zügen! Stand jetzt ist es das Spiel unseres Lebens!

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