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Wie unattraktiv darf Österreich eigentlich siegen?

Fußball-Östereich ist endlich so weit, über Siege jammern zu dürfen. Kommentar:

Wie unattraktiv darf Österreich eigentlich siegen? Foto: © GEPA

Wie unattraktiv darf man eigentlich siegen?

Schon eine spannende und wie ich finde auch berechtigte Debatte, die sich in diesem Herbst rund um das mit erfreulicherweise gestiegenen Ansprüchen konfrontierte ÖFB-Team entwickelt hat.

Berechtigt deshalb, weil sie am Ende vielleicht hilft, kontraproduktive Hysterie in die eine (Erfolgsfall) wie in die andere Richtung (Gradmesser 2:4 in Israel) ein wenig zu minimieren. Die Betonung liegt auf "vielleicht".

Vor allem zeigt diese Diskussion in einer Phase, in der Österreich reichlich Siege einfährt (sechs von sieben Herbst-Länderspielen wurden gewonnen, fünf davon in Serie), dass es das Nationalteam beachtlich weit gebracht hat.

Teenager, die in der Amtszeit von Marcel Koller ÖFB-Interesse entwickelt haben, werden es vielleicht nicht wissen, aber es gab in Österreichs Fußball auch andere Zeiten.

Weshalb man auch nicht vergessen sollte, woher man kommt. Ich will keine alten Wunden aufreißen, aber blicken wir mal rund eineinhalb Jahrzehnte zurück.

Auf die internationale Bedeutungslosigkeit unter Teamchef Hans Krankl folgten unter Josef Hickersberger Aufbau-Jahre, die teils derart holprig verliefen (absichtliche Verniedlichung der wahren Geschehnisse), dass es Petitionen gab, die Teilnahme an der Heim-EURO 2008 zurückzuziehen, weil man sich nur blamieren könne.

Man blamierte sich nicht, ging jedoch nach einem Vogel, der keinen Frühling machte, in eine Phase über, in der Taktik überbewertet war.

Okay, spätestens an dieser Stelle ist die Wunde wieder offen. Ums leicht sarkastisch zu betrachten: Die Themenstellungen waren damals halt einfach andere...

Koller hob schließlich ein immer besser werdendes Spielermaterial dank konsequenter Arbeit auf ernstzunehmendes internationales Niveau. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass Österreich zwei von drei Qualifikationen verpasste.

Und das trotz teils mitreißenden Leistungen. Wer dies erlebt hat, weiß, dass verlorene Länderspiele für die Würste sind - man frage nach bei Julian Baumgartlinger.

Kurzum: Fußball-Österreich ist einen weiten, teils schmerzhaften, aber beharrlichen Weg gegangen, um endlich über Siege jammern zu dürfen.

Es waren (zumindest früher einmal) die Deutschen stets zu beneiden, die elf von 22 Spielern an einem Fußball-Spiel stellten und womöglich beflügelt durch das sprichwörtliche Bayern-Glück am Ende stets gewannen. Und sich dann genüsslich über den "Rumpelfußball" ihres DFB-Teams aufregten.

Wenn das ÖFB-Nationalteam in der Vergangenheit in Schönheit gestorben ist, wünschten sich viele Teamspieler weniger Ergebnisorientiertheit und eine differenzierte Betrachtung der eigentlich eh ganz guten Leistung.

Entsprechend werden sie jetzt im Erfolgsfall Kritik an mäßigen Leistungen aushalten. Schließlich war es ja tatsächlich nicht schön anzuschauen, was zuletzt mitunter geboten wurde.

Wiewohl es teilweise erklärbar ist, und man es gleichzeitig als Fortschritt einordnen darf, dass dieses Team selbst in Zeiten von personellen Nöten Wege findet, auch an schlechten Tagen Spiele zu gewinnen.

Dies ist eine Qualität, die das ÖFB-Team sagen wir 2016 noch nicht derart ausgeprägt hatte.

Damals wurde man im Vorfeld der EURO angesichts blinder Euphorie aller Beteiligten jedoch auch kaum mit Kritik belästigt, obwohl es sehr wohl Anzeichen für ein böses Erwachen gegeben hat.

Es ist kein Fehler zu lernen, dass in guten Zeiten nicht alles gut und in schlechten Zeiten nicht alles schlecht sein muss. Die berühmte Schwarz-Weiß-Malerei, die hierzulande gerne und zurecht moniert wird.

Wenn dieser aufgrund verschiedenster Umstände etwas mühsame Länderspiel-Herbst hilft, die ÖFB-Wahrheit etwas mehr in der Mitte zu verorten, könnte für die Zukunft einiges gewonnen sein.

Denn nachdem Fußball-Österreich jetzt nach langer, harter Arbeit endlich über ein Spieler-Potenzial verfügt, mit dem man regelmäßiger zu Großereignissen kommt, heißt es als nächsten Schritt zu kapieren, wie man bei diesen Turnieren erfolgreicher abschneidet.

Der letzte Aufstieg aus einer Gruppenphase ist schon einige Spielergenerationen her. Spätestens dann ist vorerst wurscht, mit wie unattraktiven Siegen selbiger gelingt.

Hauptsache es klappt.

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