Zum Abschluss des erfolgreichen Länderspiel-Jahres 2023 wartet auf das ÖFB-Nationalteam ein absoluter Leckerbissen.
Österreichs liebstes Nachbarland Deutschland gastiert am Dienstagabend (20:45 Uhr im LIVE-Ticker >>>) im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion in Wien und will Revanche für die 1:2-Niederlage im letzten Aufeinandertreffen im Juni 2018 in Klagenfurt nehmen.
Ein leichtes Unterfangen wird das für die von Natur aus favorisierte DFB-Auswahl aber keineswegs, denn die Nagelsmann-Truppe musste erst am Samstag eine 2:3-Niederlage gegen die Türkei hinnehmen.
Österreich hingegen befindet sich unter Teamchef Ralf Rangnick absolut im Aufwind, fixierte bereits im Oktober die Qualifikation für die EURO 2024 in Deutschland und feierte am Donnerstag in Estland einen souveränen 2:0-Sieg.
Matthäus lobt die Entwicklung des heimischen Fußballs
Nicht nur deshalb erwartet Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, der am Montag beim Breakfast Club von sportsbusiness.at seine Expertisen abgab, ein attraktives Spiel.
"Es wird ein heißer Tanz für die deutsche Mannschaft, die es aber gewohnt ist, unter hohem Druck zu spielen. Es wird viel Energie und Leidenschaft auf dem Platz zu sehen sein", glaubt der 62-Jährige.
"Der österreichische Fußball ist salonfähig, hat Qualität."
ÖFB-Akteure wie Marcel Sabitzer, Christoph Baumgartner oder Xaver Schlager würden mittlerweile auch der deutschen Bundesliga ihren Stempel aufdrücken.
"Die Österreicher bereichern die deutsche Bundesliga mit sehr guten Spielern auf Topniveau. Auch die österreichische Bundesliga hat sich immer weiter verbessert", lobt Matthäus die Entwicklung des heimischen Fußballs.
Das zeigt sich auch daran, dass der gesamte ÖFB-Kader stark besetzt sei. Dadurch könne Teamchef Rangnick "von der Bank jederzeit sehr gute Spieler bringen", konstatiert der Weltfußballer von 1991.
"Erfahrung auf höchstem Niveau" ist Österreichs größter Trumpf
Dessen 65-jähriger Landsmann leistet seit seiner Amtsübernahme im Juni des Vorjahres ganze Arbeit und passe Matthäus' Ansicht nach "perfekt zur österreichischen Mannschaft."
Die Stärken des ÖFB-Teams hat der ehemalige Mittelfeldspieler schnell erörtert. "Ganz klar die Erfahrung auf höchstem Niveau. Viele Spieler spielen in der deutschen Bundesliga oder bei anderen internationalen Topvereinen. Der österreichische Fußball ist salonfähig, hat Qualität."
Wenn man wie David Alaba bei Real Madrid oder Marko Arnautovic bei Inter Mailand Woche für Woche auf hohem Niveau spiele, "dann macht sich das auch in der Nationalmannschaft bemerkbar. Das sind Erfahrungen, die auch für die Psyche sehr wichtig sind."
Nagelsmann: Deutschlands Problemlöser?
Das deutsche Nationalteam vereint natürlich ungleich mehr Erfahrung in seinem Kader, doch seit dem WM-Triumph 2014 folgte ein Rückschlag nach dem anderen.
Bei der WM 2018 folgte das Aus in der Gruppenphase, 2021 war im EM-Achtelfinale gegen England Schluss. Kurz danach nahm Langzeit-Trainer Joachim Löw seinen Hut, Bayerns Erfolgscoach Hansi Flick übernahm den Bundestrainer-Posten – Ruhe kehrte trotzdem keine ein.
Wie Löw vier Jahre zuvor scheiterte auch Flick bei der WM 2022 bereits in der Vorrunde, eine seit Ende März 2023 andauernde Negativserie kostete ihm nach dem abschließenden 1:4 gegen Japan schließlich wieder den Job.
"Hansi Flick hat man vorgeworfen, dass er zu viel experimentiert hat. Jetzt fängt Julian Nagelsmann mit dem gleichen Blödsinn an."
Kurz darauf wurde Julian Nagelsmann, der ihm schon in München folgte, als neuer Bundestrainer vorgestellt, die Bilanz des 36-Jährigen ist mit je einem Sieg (3:1 gegen die USA), einem Remis (2:2 gegen Mexiko) sowie der Niederlage gegen die Türkei (2:3) ausgeglichen.
Von Rangnicks "Zauberlehrling" ist Matthäus überzeugt, Nagelsmann sei ein sehr guter Trainer und habe in Hoffenheim und Leipzig sehr gute Arbeit gemacht.
"Ich bin ein Fan seiner Spiel- und Arbeitsweise, er ist definitiv der richtige Nachfolger von Hansi Flick. Jetzt muss er zeigen, dass er die Probleme in der Nationalmannschaft löst."
"Jetzt fängt er mit dem gleichen Blödsinn wie Hansi Flick an"
Das DFB-Team müsse bei seinen Qualitäten bleiben, "mit mehr Leidenschaft spielen. Das hat gegen die Türkei ab der 20. Minute gar nicht mehr funktioniert", findet Matthäus.
Im vorletzten Test des Jahres wurde Offensiv-Star Kai Havertz von Nagelsmann kurzerhand zum Linksverteidiger umfunktioniert. Zwar erzielte der Arsenal-Akteur die frühe Führung, doch von solchen Startelf-Experimenten ist Matthäus generell kein Fan.
"Hansi Flick hat man vorgeworfen, dass er zu viel experimentiert hat. Jetzt fängt Julian Nagelsmann mit dem gleichen Blödsinn an. Es geht auch nicht um den Wunsch eines Spielers, wo er spielen möchte. Es geht um die Mannschaft und den gemeinsamen Erfolg."
"Wir haben Weltklasse-Torhüter, wir haben Toni Rüdiger bei Real Madrid. Wir haben Niklas Füllkrug, der vorne trifft. Wir haben einen erfahrenen Thomas Müller. Das sind wirklich gute Spieler. Aber sie sind keine Mannschaft", wird der Fußball-Experte deutlich.
Von der gegen die Türkei praktizierten Doppel-Sechs bestehend aus Joshua Kimmich und Ilkay Gündogan rät er Nagelsmann ebenfalls ab.
"Beide sind gute Spieler, aber ihre Spielstile sind sich zu ähnlich, dadurch nehmen sie sich die beiden ihre Stärken. Die Bundestrainer haben es in den letzten Jahren nicht geschafft, die richtigen Positionen für gewisse Spieler zu finden. Das hat man auch gegen die Türkei gesehen, wo das Spiel der Deutschen nicht funktioniert hat."
Matthäus dämpft Deutschlands EURO-Erwartungen - und traut Österreich viel zu
Insgesamt hat der 55-Jährige nicht das Gefühl, dass im DFB aus den Rückschlägen der letzten Jahre die richtigen Schlüsse gezogen wurden.
"Bisher sehe ich nicht vieles, was wir aus den Rückschlägen der letzten Jahre gelernt hätten. Du siehst es auch im Stadion. Der Fan freut sich nicht mehr so sehr auf die Spiele der Nationalmannschaft", sagt Matthäus.
Und führt aus: "Wenn man bei der deutschen Nationalmannschaft wieder den Geist spürt, der sie immer ausgemacht hat, dann wird die Stimmung auch bei DFB-Spielen wieder großartig sein. Dazu muss sich aber noch einiges ändern."
Aufgrund der letzten Jahre sieht er die EURO-Erwartungen in Deutschland auch gedämpft und erinnert: "In der Nations League haben wir ja auch nichts gerissen."
Dafür traut er dem ÖFB-Team eine große Rolle zu. "Von Österreich erwarte ich vielleicht sogar mehr als die österreichischen Fans, weil ich überzeugt bin, dass die Mannschaft großes Potential hat."