Dieser Moment. Dieser Jubel. Diese Emotionen. Diese Erleichterung.
Dieser Treffer in Minute 88 zum 2:1-Sieg Österreichs gegen Estland (Spielbericht>>>).
Klappt es wie erhofft mit der Qualifikation für die EURO 2024 in Deutschland, gibt es bereits jetzt einen heißen Kandidaten auf jene Szene, die der Quali den Stempel aufgedrückt hat.
Und zwar dieser Moment der Erlösung für Michael Gregoritsch, der zuvor in Minute 17 einen Elfmeter an die Latte geknallt hat und zusehen musste, wie Estland dann auch noch in Führung ging.
Diesmal wirklich am liebsten vergraben
Nach dem Spiel gibt der Steirer Einblicke in seine Gedanken- und Gefühlswelt vom Zero- bis zum Hero-Moment:
"Dass ich zum Elfmeter gehen darf, war eigentlich keine Sekunde ein Thema. Wenn du ihn dann verschießt, und du gegen Estland daheim 0:1 in Rückstand gehst, und dann geht die Partie so lange, und es steht immer noch 0:1 und sie verteidigen gut... Das ist extrem schwer gewesen. Es war mein Antrieb, dass ich das unbedingt noch drehen will. Ich bin sehr dankbar, dass das noch gelungen ist. Dass es mir dann persönlich gelingt, das 2:1 zu schießen, ist fast auf eine Ebene zu stellen mit meinem Tor bei der Europameisterschaft."
Damals erzielte Gregoritsch in Bukarest gegen Nordmazedonien ebenfalls das 2:1, musste davor jedoch nicht die persönlichen Höllenqualen durchleben wie diesmal in Linz.
"Ich kann nur wiederholen, was ich am Freitag gesagt habe: Vergraben kann ich mich nicht, aber heute hätte ich es am liebsten gemacht - vor allem dann beim 0:1", gesteht der 28-Jährige, der schon gegen Aserbaidschan vor seinem Tor eine riesige Chance ausgelassen hat.
Das Nationalteam bedeutet Gregoritsch fußballerisch alles
"Ich habe mir recht früh vorgenommen, dass ich ihn in die Mitte schieße, dann geht er mir hoch weg", sagt der Stürmer zum Elfmeter, der übrigens der erste in seiner Karriere war, den er in einem Pflichtspiel verschossen hat. Seine acht vorherigen Versuche hat er allesamt verwertet - drei davon in der deutschen Bundesliga, einen in der 2. Bundesliga und vier einst in der ÖFB-U21.
Bei seinem neunten Länderspiel-Tor wiederum habe Kevin Danso auf seinen Zuruf hin den Ball durchgelassen: "Ich habe gewusst, ich habe ein bisschen Platz und schieße den rein. Dann ist mir sehr, sehr viel vom Herzen gefallen. Ich bin überglücklich."
Es sei "hundertprozentig" einer der besten Momente seiner Karriere gewesen:
"Man weiß, was es mir bedeutet, für das Nationalteam zu spielen. Das ist für mich wirklich etwas ganz Besonderes. Fußballerisch bedeutet es mir alles. Während des Spiels hatte ich schon den einen oder anderen Gedanken, dass es für mich persönlich schwer werden könnte, wenn ich das nicht noch drehe. Das hat mich angetrieben. Es ist definitiv einer der besten Momente meiner Karriere."
Kaum ein Spieler wurde so oft abgeschrieben
Und auch ein Moment, der sein Geldbörserl ziemlich belasten wird, aber dazu später mehr. Zuerst gehört gewürdigt, wie sehr sich die Kollegen für Gregoritsch freuten - nicht nur im Augenblick des Tors.
"Ich habe während des Spiels gesagt: 'Gregerl, du wirst noch eine kriegen', weil er wieder wie ein Schwein gearbeitet hat – sorry, dass ich es so sage."
"Dann steht er da mit seinem Naserl und haut ihn rein", grinst Assistgeber Christoph Baumgartner, der schwärmt:
"Extrem geil! Ich freue mich so sehr für ihn. Er ist einer meiner besten Freunde im ganzen Fußballgeschäft geworden. Ich habe während des Spiels gesagt: 'Gregerl, du wirst noch eine kriegen', weil er wieder wie ein Schwein gearbeitet hat – sorry, dass ich es so sage. Dann fallen dir die Bälle so vor den Fuß und er schießt ihn rein."
Der Hoffenheim-Legionär weiter: "Gerade in diesem Jahr hat er gezeigt, wie gut er ist, und hat viele Leute Lügen gestraft, die ihn schon abgeschrieben haben. Ich kenne keinen Spieler, der so oft abgeschrieben wurde und immer wieder zurückkommt. Er hat einfach eine brutale Qualität in der Box, das hat er heute wieder gezeigt."
Die Kollegen freut es irrsinnig
Laut Heinz Lindner habe sich der Freiburg-Legionär den späten Treffer verdient: "Er übernimmt die Verantwortung, geht hin - es ist natürlich bitter, aber jeder kann einmal einen Elfmeter verschießen. Mich freut es extrem für ihn, denn er ist ein enorm wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft, am Platz und auch außerhalb."
"'Gregerl' ist unser Stürmer und hat dementsprechend ja auch die Qualität", lobt David Alaba, "wir wissen, dass er ein Torjäger ist und Tore schießen kann. So ein Elfmeter passiert. Er hat dann bewiesen, dass er ein sehr wichtiger Spieler für uns ist."
Nicolas Seiwald honoriert: "Das war wichtig für uns als Mannschaft, aber auch für sein Selbstvertrauen. Ich habe mich irrsinnig für ihn gefreut, weil er sicher nicht den einfachsten Arbeitstag hatte. Aber er hat sich und die Mannschaft am Ende belohnt."
Belohnt durch harte Arbeit und den Willen, den Fauxpas wieder gut zu machen. "Vielleicht habe ich mich früher in verschiedensten Spielen auch schon mal aufgegeben", gesteht Gregoritsch, der sich in den vergangenen eineinhalb Jahren als Fußballer quasi neu erfunden hat.
Dachte Rangnick daran, Gregoritsch auszuwechseln?
Aufzugeben sei gegen Estland jedoch "keine Sekunde lang ein Thema" gewesen: "Ich bin auch sehr glücklch, dass mich der Trainer so lange drauf gelassen hat, das ist ja auch nicht selbstverständlich."
"Ich werde die Mannschaft auf jeden Fall auf ein Essen einladen. Von Seiten der Mannschaft ist mir auch schon an den Kopf geworfen worden, dass ich mich nicht lumpen lassen darf."
Ralf Rangnick meint, dass es vor dem vorletzten Wechsel, als Karim Onisiwo kam, durchaus Überlegungen gegeben habe, wer raus soll:
"Ich habe mich dann für Stefan Posch entschieden, weil das kein Spiel war, in dem seine Stärken so richtig zum Tragen kommen. Deswegen habe ich mich entschieden, ihn rauszunehmen, Konni auf die Seite rechts hinten zu stellen und 'Gregerl' auf der Zehn zu lassen, was sich nicht nur beim Tor ausgezahlt hat, sondern auch bei der ein oder anderen Kopfballverlängerung in den Minuten davor."
Bezüglich Elfmeter sagt der Teamchef: "Er war vorgesehen, das war er auch schon im ersten Spiel zusammen mit 'Sabi'. Klar kann man im Nachhinein sagen, der Gefoulte soll nicht schießen, das ist ihm selber auch klar."
Nicht "lumpen" lassen bei der Essen-Einladung an die Mannschaft
Und Gregoritsch redet auch nicht lange drum herum, dass er der Mannschaft etwas schuldet.
Rangnick verrät: "Er hat sich jetzt vor die Mannschaft gestellt und gesagt, dass er die Mannschaft beim nächsten Lehrgang zum Essen einlädt und David hat dann schön gesagt: 'Das wird teuer.'"
Der Steirer bestätigt, dass er sich noch in der Kabine entschuldigt habe und im Juni besser die Spendierhosen einpacken sollte:
"Ich werde die Mannschaft auf jeden Fall auf ein Essen einladen. Von Seiten der Mannschaft ist mir auch schon an den Kopf geworfen worden, dass ich mich nicht lumpen lassen darf."