Gesagt, getan?
Teils sind es die immer gleichen Floskeln und offiziellen Sprachregelungen, die vor einem Länderspiel zur Verwendung kommen - speziell in einem derart langen Lehrgang wie vor dem 1:1 in Irland. Teils sind es spezielle Ankündigungen und Ansagen zum Status Quo des Nationalteams.
LAOLA1 überprüft im Reality Check, welche Wortmeldungen in die Tat umgesetzt wurden und welche nicht:
Die Highlights der Partie:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Der zweifelsohne am öftesten und aus so gut wie jedem Trainer- oder Spieler-Mund gehörte Sager in den vergangenen eineinhalb Wochen lautete sinngemäß: "Wir müssen den Kampf der Iren annehmen, aber nicht deren Spiel. Wir müssen eigene spielerische Akzente setzen."
Die Bilanz fällt diesbezüglich zwiegespalten aus:
"WIR MÜSSEN DEN KAMPF DER IREN ANNEHMEN":
Beginnend mit dem Weckruf von Teamchef Marcel Koller bei der Kaderbekanntgabe hat das Betreuerteam die ÖFB-Kicker Tag für Tag auf einen physisch harten Kampf eingeschworen. Irlands Co-Trainer Roy Keane erklärte Rot-Weiß-Rot sogar den Krieg - eine zu martialische Aussage, die auch in Irland nicht allzu gut ankam. Von diesem Aspekt her kann man dem Nationalteam jedoch nicht viele Vorwürfe machen. Sie stellten sich dem Fight, steckten ordentlich ein, teilten bisweilen aber auch aus. "Wir haben genau gewusst, was auf uns zukommt und haben uns größtenteils heroisch in den Kampf geworfen. Dass es nicht immer klappt, ist auch klar, da wir physisch ein bisschen unterlegen waren", meint Sebastian Prödl. Leider kostete eine dieser Niederlagen im direkten Infight, im konkreten Fall zwischen Jonathan Walters und Aleksandar Dragovic, zwei Punkte. Aber alles in allem geht der kämpferische Einsatz in Ordnung.
"WIR MÜSSEN UNSER EIGENES SPIEL DURCHSETZEN":
Hier muss man sehr wohl Vorwürfe machen. So zufriedenstellend dies vor der Pause klappte, nach Wiederanpfiff riss der Faden. Ein Spiel dauert bekanntlich 90 Minuten, also ist die ÖFB-Elf in diesem Punkt durchgefallen und weiß das auch. "Man muss die beiden Halbzeiten gesondert betrachten. Die erste war wirklich sehr gut, so wie wir uns das vorgestellt haben. In der zweiten haben wir zwar den Kampf angenommen, haben aber unsere eigenen Ideen verloren", moniert Julian Baumgartlinger. "Das war Kick and Rush", ärgert sich Zlatko Junuzovic, "der Ball war in der zweiten Halbzeit kaum einmal im Mittelfeld, ist immer drüber gegangen. Wir konnten uns leider nie richtig aus diesen Drucksituationen befreien, gerade spielerisch nicht." Guido Burgstaller ergänzt: "Da haben wir lange Bälle gespielt, was nicht unsere Stärke ist, und zum Kombinieren aufgehört." Beinahe hätte es trotzdem zum Sieg gereicht, aber eben nur beinahe. Die fehlende Abgeklärtheit, das eigene Spiel durchzuziehen, hat einen großen Anteil am Punkteverlust.
Die System-Frage und dabei unter anderem die Positionierung von David Alaba beschäftigte die Öffentlichkeit im Vorfeld selbstredend. Bezüglich Alaba meinte Koller vor dem Spiel:
"DAVID SPIELT DORT, WO ER DER MANNSCHAFT AM MEISTEN HILFT":
Hier kann der Pfeil nur nach unten gehen, da der Bayern-Star schlichtweg nicht gut spielte und von ihm schon oftmals demonstrierte Qualitäten weitestgehend vermissen ließ. Leitete er einmal eine gute Szene ein, wie bei seiner eigenen Chance unmittelbar nach der Pause, erwies er sich im Abschluss als zu unkonzentriert. Die Option der Dreierkette ließ die Debatte, wo Alaba am besten aufgehoben sei, diesmal ein bisschen weniger hitzig ausfallen, denn gegen Moldawien rückte er in einem 3-4-3 auf die linke Seite. Im gewohnten 4-2-3-1 ist dies nach wie vor kein Thema, da muss eher Martin Hinteregger als Linksverteidiger einspringen. Der 24-Jährige blieb im zentralen Mittelfeld. Nun wird die Diskussion fraglos wieder aufpoppen. Auch nach dem Spiel wurde Koller gefragt, ob Alaba der Mannschaft auf dieser Position am meisten helfen könne. "Ich denke ja", lautete die äußerst kurz angebundende Antwort des Schweizers. Die Frage, die man vermutlich nur teamintern beantworten kann: Lag diese Vorstellung wirklich nur an der Position, oder ist Alaba schlichtweg nicht in Normalform? Seine Knieprobleme waren bekannt, und nach einer langen Saison so kurz vor dem Urlaub wirkte speziell er ein wenig ausgelaugt. Klar ist: Will Österreich zur WM, wäre es enorm zweckdienlich, würde der Topstar der ÖFB-Elf im Herbst performen. Sonst besteht ein generelles "Alaba-Problem".
"WIR HABEN ALTERNATIVEN AUF DER LINKSVERTEIDIGER-POSITION":
Der Vollständigkeit halber verdient in diesem Zusammenhang Hinteregger den Pfeil nach oben. Dafür, dass links in der Viererkette definitiv keine maßgeschneiderte Rolle für den Kärntner ist, interpretierte er die Position zufriedenstellend. In Stegersbach kündigte Sportdirektor Willi Ruttensteiner konkret bezüglich Linksverteidiger an: "Ich sehe auch dort Möglichkeiten. Der Teamchef hat ja einiges ausprobiert, wenn man hingeschaut hat. Wofür er sich letztendlich entscheidet, ist Sache des Trainers. Es ist immer die Frage: Wie legt man das Spiel an und wer interpretiert dann diese Position? Ich denke schon, dass wir Alternativen haben, aber da möchte ich nichts vorwegnehmen." Bleibt das 4-2-3-1 Standard und die Dreierkette nur eine seltene Option, fehlt es dennoch weiterhin an einer dauerhaften Lösung auf der Problem-Position. Auch Hinteregger selbst ist zwiegespalten, ob er selbige darstellen sollte. Gegen einen Gegner mit dem Profil von Irland macht es möglicherweise Sinn, auf die Robustheit des Augsburg-Legionärs zu setzen, vielleicht auch gegen Wales mit Superstar Gareth Bale. Es ist jedoch anzunehmen, dass uns dieses Thema noch eine Weile begleiten wird.
Hinteregger war auch einer der Schlüssel zum Bluff, ob Österreich mit Dreier- oder Viererkette auflaufen wird. Dieses Verwirrspiel zogen Koller und Co. wirklich bis zum letztmöglichen Moment durch. Gibt der 24-Jährige den Linksverteidiger, steht nämlich eine Elf auf dem Feld, die man problemlos auch mit einer Dreierkette anordnen könnte. Vor dem Showdown betonten die ÖFB-Kicker, dass man beide Systeme probiert habe. Sinngemäß hieß es immer wieder:
"WIR SIND AUF ALLE EVENTUALITÄTEN VORBEREITET":
Ganz so stimmt das generell nicht, denn natürlich lag der Fokus im Training letztlich auf der Viererkette. Daraus lässt sich nicht per se ein Vorwurf generieren, schließlich ist es legitim, sich intensiv auf das geplante System einzustellen. In der Drangperiode der Iren rächte sich die mangelnde Flexibilität während eines Spiels jedoch. Die Iren verstärkten ihre Offensive. Das ÖFB-Personal, um auf eine Fünfer-Abwehr zu switchen, wäre auch in der Schlussphase auf dem Platz gestanden: Dragovic, Prödl und Hinteregger als Innenverteidiger, flankiert von Lainer und Alaba. Baumgartlinger und Grillitsch hätten helfen können, die Mitte zuzumachen. Kainz links, Lazaro rechts und Harnik zentral hätten entlasten können. Diese elf Akteure standen beim Gegentor auf dem Feld. Im Spiel das System zu switchen, traut sich Koller entweder nicht oder er traut es seinem Personal nicht zu. Aber alleine Walters wäre beim Ausgleich von drei Innenverteidigern möglicherweise leichter zu verteidigen gewesen. Wobei sich das ÖFB-Team in dieser Szene taktisch generell nicht clever anstellte. "Zu einem Zeitpunkt, wo das Spiel ein bisschen abgeflaut ist, wir Konterchancen hatten und sich Irland eigentlich nur mehr auf die letzten drei, vier Minuten konzentrieren wollte, kriegen wir so ein Tor", ärgert sich Prödl, "wir sind in dieser Phase zeitweise zu tief gestanden und in den einzigen beiden Momenten, in denen wir zu hoch gestanden sind, spielen sie die Bälle über uns drüber und kreieren große Chancen. Das ist bitter."
Der bittere Ausgleich:
Apropos Chancen. Man müsse die erste oder zweite Chance nützen, denn allzu viele werde man in Dublin nicht bekommen, forderte Koller im Vorfeld. Dies gelang durch den Treffer von Hinteregger auch. Generell hieß die Devise sinngemäß:
"WIR WOLLEN EFFIZIENTER AUFTRETEN":
Man kann über den Gegentreffer diskutieren, so viel man will, das ÖFB-Team ist selbst schuld, dass er überhaupt eine solche Relevanz hatte. "Wir hätten bei unseren wenigen Konter-Chancen konzentrierter und einen Tick reifer zum Abschluss kommen müssen. Ich glaube, bei einem 2:0 wären die Iren gebrochen gewesen. Zu dem Zeitpunkt ist es vorbei", vermutet Prödl. Ein Gedanke, mit dem der Steirer keinesfalls alleine dastand. Den Chancen von Alaba und Junuzovic unmittelbar nach Wiederanpfiff, beziehungsweise von Grillitsch vor dem Gegentor trauerten alle ÖFB-Beteiligten hinterher. Kurzum: Wenn Österreich nicht zur WM fährt, ist man neben teils sehr vermeidbaren Gegentreffern vor allem an der eigenen Effizienz gescheitert. Schon im Herbst ließ die ÖFB-Elf viel zu viele Möglichkeiten liegen.
Grillitsch hat zwar die endgültige Entscheidung vergeben, aber grundsätzlich durchaus für frischen Wind gesorgt. Gemeinsam mit den Startelf-Debütanten Florian Kainz und Stefan Lainer steht er stellvertretend für jene Nachrücker, die sich zunehmend ins Rampenlicht spielen. Daher hieß es während des Camps immer wieder:
"DER KONKURRENZKAMPF IST GESTIEGEN":
Es gehört ohnehin zu den erfreulicheren Entwicklungen des Länderspiel-Jahres 2017, dass Koller mehr Konkurrenzkampf zulässt. Diesmal war er durch die diversen Ausfälle geradezu dazu gezwungen, den einen oder anderen wenig erprobten Akteur in die Startelf zu stellen. So überraschte er etwa mit Lainer, der im Prinzip für den allseits erwarteten Routinier Harnik in die Mannschaft kam - dafür rückte Lazaro aus der Defensive nach vor auf die Position des Hannover-Legionärs. Kainz schlug sich als Arnautovic-Vertreter tapfer, wenngleich die Dominanz, die der Stoke-Legionär zuletzt im ÖFB-Dress ausstrahlte, naturgemäß kaum zu erreichen war. "Für beide war es nicht einfach, weil sie keine großgewachsenen Spieler sind, aber sie haben mit physischer Präsenz dagegengehalten, sich in die Zeikämpfe geworfen und auch fußballerisch gute Akzente gesetzt. Das war sehr positiv und gibt uns ein gutes Gefühl, dass da viel nachkommt", lobt Baumgartlinger. Ob Kainz, Lainer, Grillitsch oder die beiden Debütanten Kevin Danso, der beinahe für Dragovic ins Spiel gekommen wäre, und Konrad Laimer, der alle Anlagen zum Nationalspieler hat: Die unerfahrenen Kräfte haben in diesem Lehrgang aufgezeigt und eine unmissverständliche Bewerbung abgegeben, dass sie im Aufgebot bleiben wollen. Für die September-Duelle mit Wales und Georgien stehen jedoch andere Kandidaten wieder zur Verfügung. Die nächste Kaderbekanntgabe wird garantiert eine spannende.