Peter Zulj kam, sah und spielte.
Seit seinem Kurzauftritt beim ÖFB-Debüt im März in Luxemburg kam der 25-Jährige in jedem Länderspiel zum Einsatz - und das abgesehen vom Test gegen Brasilien auch stets von Anfang an.
Besonders zählt diesbezüglich, dass er in beiden Pflichtspielen unter Franco Foda in Bosnien-Herzegowina und gegen Nordirland jeweils über 90 Minuten auf dem Feld stand.
Für den Teamchef ist Zulj aktuell offenkundig nicht wegzudenken. Ob er sich selbst auch bereits als Stammspieler fühlt?
"Nein, ich fühle mich nicht als Stamkraft. Ich bekomme immer das Vertrauen des Trainers geschenkt und schaue, dass ich es auch immer nütze und mein Bestes gebe. Aber Stammkraft bin ich noch nicht. Da fehlen mir noch einige Spiele. Aber daran arbeite ich natürlich."
Nicht jeder überträgt gute Vereins-Leistungen ins Nationalteam
Letztlich ist es wohl eine subjektive Definitionssache, ab wann man Stammspieler ist beziehungsweise sich als solcher fühlt. Fakt ist: Seit Zulj bei seiner Startelf-Premiere im ÖFB-Dress gegen Russland überzeugte, setzt Foda auf seinen früheren Schützling bei Sturm Graz.
Selbst der zumindest im Vergleich zu seiner überragenden Vorsaison eher durchwachsene Saison-Start bei den Steirern konnte seinem Standing auf Nationalteam-Ebene nichts anhaben.
Dass Zulj im ÖFB-Team mehr oder weniger von Anfang an funktionierte, ist keineswegs selbstverständlich. Es kommt immer wieder vor, dass sich Spieler schwer tun, ihre Vereins-Leistungen auf die Nationalmannschaft zu übertragen.
Aus der aktuellen ÖFB-Generation ist wohl Marcel Sabitzer ein gutes Beispiel, der bei RB Leipzig längst zu einem internationalen Klassespieler aufgestiegen ist und selbst immer wieder betont, dass er nun endlich auch auf ÖFB-Ebene voll durchstarten möchte. Auch Guido Burgstaller etwa kann im Nationalteam keineswegs mit seiner Torquote auf Schalke mithalten.
Weniger Druck: "Ich komme von Sturm"
Wieso klappte es dann bei Zulj so flott? Dafür gibt es verschiedene Begründungen. Ihm selbst fällt als erstes ein, dass er sich in dieser Mannschaft von Beginn an wohl gefühlt habe:
"Bei meinem ersten Einsatz in Luxemburg habe ich neun Minuten gespielt, aber eigentlich bereits gut mit der Mannschaft harmoniert und ein Assist geliefert. Ich fühle mich einfach wohl in dieser Mannschaft, sie hat super Typen, super Charaktere."
Desweiteren ist es vermutlich kein Nachteil, dass der gebürtige Oberösterreicher einerseits ein selbstbewusster Charakter ist, an den die Erwartungshaltung jedoch nicht so groß ist, dass er daran zerbrechen könnte.
"Natürlich habe ich nicht so einen großen Druck wie andere, die bei Bayern, Hoffenheim, Schalke, Bremen, West Ham, Leverkusen oder wo auch immer spielen. Ich komme von Sturm", grinst Zulj und schlüpft damit ein wenig in die Underdog-Rolle.
Zulj hat es leichter als Alaba
"Deppert gesagt, habe ich nicht so viel Druck wie David oder auch wie Marko Arnautovic oder Basti Prödl, die schon länger im Nationalteam spielen. Außerdem mache ich mir selber nie einen Druck, weil das sinnlos ist."
Natürlich hätten Trainer und Mitspieler auch an ihn Erwartungen, dennoch meint er: "Wenn David Alaba spielt, der bei Bayern jede Partie macht, jedes Jahr Champions League spielt, glaube ich, dass man von ihm viel mehr Dinge erwartet als von mir, der bei Sturm in der österreichischen Bundesliga spielt. Deppert gesagt, habe ich nicht so viel Druck wie David oder auch wie Marko Arnautovic oder Basti Prödl, die schon länger im Nationalteam spielen. Außerdem mache ich mir selber nie einen Druck, weil das sinnlos ist."
Ein bisschen Druck machte sich Zulj womöglich im Sommer, zumindest forcierte er einen Wechsel ins Ausland - letztlich vergeblich. Das ändert jedoch nichts daran, dass er ebenfalls früher oder später bei einem Verein wie den von ihm aufgezählten unter Vertrag stehen möchte.
Wann ihm dies gelingt? "Das ist eine gute Frage. Momentan befasse ich mich nicht damit und schaue, dass ich im Nationalteam und bei Sturm Leistung bringe. Wir werden sehen, was in Zukunft passiert."
Das Leben ist kein Wunschkonzert
Stefan Lainer erzählte zu Beginn der Woche, wie er mit seinem geplatzten Wechsel von Salzburg zu Napoli umgeht. Auch Zulj blieb letztlich nichts anderes übrig, als sich wieder auf das Tagesgeschäft zu konzentrieren.
"Es ist ganz einfach: Im Leben kriegst du nicht alles, was du willst oder dir wünscht. Natürlich war es ein paar Wochen lang eine harte Zeit, nachdem das Transferfenster zu war, aber so ist das Leben. Du musst weiter arbeiten und Gas geben. Wenn du das machst, kommt es irgendwann einmal zurück."
Spielt Zulj auch bei Sturm seine Qualitäten wieder auf einem konstant hohen Level aus, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch er beizeiten im Nationalteam "Legionärs-Druck" verspüren darf.
Gegen Nordirland war jedenfalls eine jener Qualitäten zu sehen, auf die Foda so beständig setzt. Zulj ist ein Akteur, der dank seiner Kreativität jederzeit eine entscheidende Szene aus dem Hut zaubern kann.
Warum Arnautovic warten musste
Am Freitag war dies sein Assist zum Goldtor von Arnautovic, auch wenn dieser sich in Geduld üben musste, bis der Pass dann auch tatsächlich kam. Unterm Strich war das Warten nicht vergeblich. Die Szene aus der Sicht des Mittelfeldspielers:
"Marko und ich verstehen uns privat sehr gut, aber natürlich auch auf dem Feld. Im Training zangeln wir auch öfters."
"Ich bin auf die Kette von Nordirland zugelaufen und hatte ein paar Ideen im Kopf, zum Beispiel ihn zwischen der Kette durchzuspielen oder einen Chip-Ball. Ich habe dann ein bisschen gewartet, bis Marko in einer besseren Situation ist. Dann hat er den Laufweg ein bisschen breiter gemacht, also habe ich mir gedacht, da ist jetzt eine Lücke, dass ich ihn spiele. Gott sei Dank hat der Pass sehr gut gepasst und Marko hat das Tor gemacht."
Dass sich Arnautovic und Zulj suchen und finden, ist beileibe kein Zufall. Die beiden verbindet auf und abseits des Platzes eine gute Chemie: "Marko und ich verstehen uns privat sehr gut, aber natürlich auch auf dem Feld. Im Training zangeln wir auch öfters. Es macht einen Riesen-Spaß mit Marko zu spielen."
"Partner-Tausch" im zentralen Mittelfeld
Im zentralen Mittelfeld spielt Zulj immer wieder mit neuen Partnern. Diesmal war Stefan Ilsanker sein Nebenmann, davor auch schon die derzeit verletzten Julian Baumgartlinger und Florian Grillitsch - oder er agierte mit beiden, wenn er selbst eine offensivere Rolle einahm.
Schwierig sei die Umstellung auf jeweils neue Partner nicht: "Jeder Spieler, der bisher mit mir auf der Sechs gespielt hat, hat eine Riesen-Qualität. Ob 'Ilse', 'Grille' oder 'Baumi' - ich verstehe mich mit jedem gut, das heißt, dass es auch auf dem Platz gut funktioniert."
Lediglich die Aufgabenverteilung würde sich je nach Nebenspieler verändern: "Es sind natürlich andere Spielertypen. Gegen Nordirland ist Ilsanker zum Beispiel mehr auf der Sechs geblieben, hat eher den defensiveren Part übernommen und ich konnte ein bisschen offensiver agieren. Mit Grillitsch in Bosnien war es eher so, dass wir eigentlich beide mehr auf der Sechs waren, natürlich mit Vorwärtsdrang, wenn es die Situation ergeben hat. Bei Baumgartlinger ist es auch so, dass er mehr auf der Sechs bleibt, weil er unser Spielführer ist und das Spiel richtig gut gestaltet."