Understatement?
Sollte es in der Vergangenheit ÖFB-Teamchefs gegeben haben, die verbal eher eine defensivere Herangehensweise gewählt haben, scheint dies vorbei zu sein.
Ralf Rangnick strahlt nämlich verbal große Zuversicht aus und möchte, dass seine Spieler dieses Selbstbewusstsein auf das Feld transportieren.
Schon sein erster öffentlicher Auftritt in Bad Tatzmannsdorf lässt wenig Zweifel daran, zu welchen Höhenflügen der Deutsche mit Österreichs A-Nationalteam ansetzen möchte - und das mit Spielern, die dafür brennen.
"Matchpläne, Taktik, Trainingssteuerung - alles wichtig", betont der "Fußball-Professor", um als oberstes Grundprinzip dennoch die Motivation zu verankern:
"Aber die Spieler müssen auf das, was wir hier machen, richtig Bock haben, sie müssen Lust drauf haben, sie müssen geil drauf sein, jetzt wirklich Erfolg zu haben. Das ist der absolute Schlüssel."
Stellt sich die Frage, wie man den Erfolg bemisst?
Heldentaten sind eine Weile her
Nachdem das ÖFB-Wording seit dem Achtelfinal-Aus gegen Italien bei der EURO offenkundig vorsah, dies als historischen Erfolg zu würdigen, stellt Rangnick fest, dass es "eine Weile her" sei, dass "die Fußball-Nationalmannschaft Österreichs durch irgendwelche Heldentaten auf sich aufmerksam gemacht hat."
Als ob es eine absichtliche Provokation wäre, fällt dem 63-Jährigen "Cordoba" ein.
Ausgangspunkt war die eher defensive Frage, ob er - die österreichische Seele aus Salzburg kennend - davor warnen würde, Wunderdinge zu erwarten.
"Die Frage ist, was man als Wunderding sieht", holt Rangnick aus, "ich glaube sehr wohl, dass wir mit dieser Mannschaft erfolgreichen Fußball spielen können. Am Ende ist es eine Frage der Energie. Wie sehr will man das?"
Auf Denkmäler machen die Tauben
Bei Real Madrid habe man in der Champions League etwa gesehen, dass man "etwas für die Ewigkeit erreichen möchte. Darum geht es letztlich."
"Marko ist 33. Es ist nicht mehr so viel Zeit, wenn Marko in der Nationalmannschaft neben dem 100. Länderspiel, das er in den nächsten Spielen vielleicht machen wird, noch etwas gewinnen will. Dann müssen wir uns beeilen, dann muss er sich beeilen."
Beim FC Red Bull Salzburg hat Rangnick in Fußball-Österreich schon ein Mal eine nachhaltige Entwicklung in Gang gesetzt.
Darauf, dass man ihm beim ÖFB irgendwann ein Denkmal setzen wird, legt es der bisherige Manchester-United-Coach jedoch nicht an:
"Von Denkmälern halte ich nicht viel, da machen immer nur die Tauben drauf. So lange man selber lebt, braucht man nicht unbedingt ein Denkmal haben."
Mehr Chancen als Risiken mit dieser Mannschaft
Was Rangnick eher vermitteln möchte: In Österreich lässt sich etwas bewegen.
"Ich sehe mit dieser Mannschaft einfach mehr Chancen als Risiken oder Dinge, die eventuell nicht klappen können. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir gute Spiele abliefern und auch gute Ergebnisse erzielen können".
Denn genau darauf würde es ankommen: "Gegenwind hast du im Profifußball immer dann, wenn Spiele nicht gut oder Ergebnisse nicht vorhanden sind. Ich sehe aber im Moment jede Menge Gründe, dass wir gute Spiele machen können und diese Mannschaft dementsprechend weiterentwickeln."
Dass das Potenzial der für das ÖFB-Team in Frage kommenden Spieler nicht so schlecht ist, ist bekannt - schon gar nicht so schlecht, wie man sich zuletzt mitunter präsentierte.
Auch Arnautovic und Kalajdzic als Jäger
Auch Rangnick spricht von "einer richtig guten Mischung" aus Erfahrung und jüngeren Akteuren, "die gerade ihre Karriere richtig in Gang bringen und auch bei Top-Mannschaften gehandelt werden".
Daran, dass sich seine proaktive Spielweise "nur im Kollektiv" umsetzen lässt, lässt der Neo-Teamchef keine Zweifel: "Es geht nur, indem die Spieler gemeinsam auf den Platz Dinge umsetzen."
"Fußball hat immer auch mit Unterhaltung zu tun. Das heißt Spiele sollten unterhaltsam und nie langweilig sein. Sie sollten die Zuschauer im Stadion im wahrsten Sinne des Wortes unterhalten und im besten Sinne des Wortes begeistern."
Warum nicht etwa auch Marko Arnautovic oder Sasa Kalajdzic das für die vorderste Spitze nötige Anlaufverhalten umsetzen könnten, will Rangnick nicht einsehen:
"Als Sadio Mane damals nach Salzburg kam, war er auch nicht hocherfreut, dass er unter Roger Schmidt ständig Bälle jagen sollte. Warum sollen das unsere Stürmer nicht können? Sasa Kalajdzic ist noch jung genug. Er hat Stärken im Strafraum und in der Luft, das wissen wir. Aber warum soll Sasa im Kollektiv nicht in der Lage sein, den Gegner unter Druck zu setzen? Ich sehe keinen Grund."
Will Arnautovic mit dem ÖFB Erfolg, muss er sich beeilen
Selbiges gilt für Arnautovic, dessen aktuelles Fitness-Level der ÖFB-Chefcoach lobt: "Ich bin überzeugt, dass er körperlich dazu in der Lage ist, daran scheitert es nicht."
In Sachen bedingungslosen Erfolg formuliert Rangnick an die Langzeit-Arbeitskraft in Sachen ÖFB eine Challenge:
"Marko ist 33. Es ist nicht mehr so viel Zeit, wenn Marko in der Nationalmannschaft neben dem 100. Länderspiel, das er in den nächsten Spielen vielleicht machen wird, noch etwas gewinnen will. Dann müssen wir uns beeilen, dann muss er sich beeilen."
Das Versprechen: Unterhaltung für die Fans
Die Spielidee war für Rangnick schon als junger Trainer unverhandelbar.
"Zum einen ist Fußball für mich eine Mannschaftssportart. Das heißt, das Ziel ist für mich immer, mit der Mannschaft Leistungen auf den Platz zu bringen, die mehr als die zu erwartende Summe der Qualität der Einzelspieler ist", referiert Rangnick.
Zweitens sei Fußball - jetzt Gott sei Dank wieder - ein Zuschauersport. Entsprechend werden folgende Gedanken vermutlich auch die ÖFB-Fans freuen:
"Fußball hat immer auch mit Unterhaltung zu tun. Das heißt Spiele sollten unterhaltsam und nie langweilig sein. Sie sollten die Zuschauer im Stadion im wahrsten Sinne des Wortes unterhalten und im besten Sinne des Wortes begeistern."
Kann Rangnick dieses Versprechen mit seinem Team halten, könnte es möglicherweise auch jene Anhänger, die in der jüngeren Vergangenheit nicht nur pandemiebedingt in Massen zu Hause geblieben sind, wieder ins Stadion locken.
Es braucht Mut
In der UEFA Nations League trifft Österreich mit Kroatien, Dänemark und Frankreich auf Kontrahenten, die von der Papierform über das ÖFB-Team zu stellen sind, "Wenn man Geld verdienen will, muss man auf Österreich wetten, denn wir sind in keinem dieser Spiele Favorit", betont Rangnick.
Trotzdem gilt es zu überraschen: "Das heißt, dass wir irgendetwas besser machen müssen als der Gegner, wenn wir erfolgreich sein wollen. Wir dürfen uns nicht auf jene Spielweise einlassen, die unsere Gegner gerne haben, wo sie ihre Stärken haben, sondern müssen selbst versuchen, Kontrolle über das Spiel zu haben."
Dies würde voraussetzen, proaktiv zu sein, selbst den Gang der Dinge bestimmen zu wollen: "Und das wiederum setzt auch einen gewissen Mut voraus. Wir müssen uns trauen, so zu spielen."
Bezüglich An- und Aussagen zur angestrebten Herangehensweise fehlt es dem neuen Teamchef gewiss nicht an Mut, nun heißt es für die Spieler nachzuziehen.
"Warum soll nicht eine ähnliche Entwicklung möglich sein?"
Weltranglisten-Platz 34 gefällt Rangnick jedenfalls nicht sonderlich: "Dänemark, die Schweiz, Wales, Schweden, der Iran, Marokko, die Ukraine, Südkorea, Costa Rica oder Tschechien sind vor uns. Ich weiß nicht, ob das unbedingt so sein muss."
Schritte nach vorne gingen "nur über erfolgreiche Spiele und erfolgreiche Turniere."
Der frühere Salzburg-Sportdirektor erinnert daran, dass Österreich 2012 in der Fünfjahres-Wertung auf Rang 19 gelegen sei, inzwischen sei man Achter.
"Ich sehe nicht, warum in Österreich mit der Nationalmannschaft nicht eine ähnliche Entwicklung möglich sein soll? Da sehe ich als eine spannende Aufgabe an."
Der erste öffentliche Auftritt Rangnicks zum Nachlesen: