Wann gibt's eigentlich einen neuen ÖFB-Präsidenten?
Fallen Ostern und Weihnachten in diesem Jahr nicht ausnahmsweise doch einmal zusammen, dann kann es sogar bis in den Herbst hinein dauern.
Aber das muss nicht zwingend von Nachteil sein.
Auf dem Feld entscheidet sich 2023 die Frage, ob Österreich an der EURO 2024 in Deutschland teilnimmt. Abseits davon ist die Qualifikation für eine moderne oder wenigstens halbwegs zeitgemäße Fußball-Zukunft längst im Gange.
"Teamchef", wenn man so will, oder auch Mediator und Feuerwehrmann, ist in diesem Fall Johann Gartner - in offizieller Funktion geschäftsführender ÖFB-Präsident als Interims-Lösung nach dem Rücktritt von Gerhard Milletich.
Wochenlange Tour durchs Fußball-Land
Der Präsident des niederösterreichischen Fußballverbands ist das, was man weitläufig als hemdsärmelig bezeichnet. Er ist gerade viel unterwegs, um die tiefen Gräben unter den führenden ÖFB-Funktionären zuzuschütten.
19 Tage im Februar, 25 Tage im März – so etwas wie ein FIFA-Kongress in Ruanda stört da nur.
"Das hat mich eine Woche gekostet – ich mein, vier Tage für zweieinhalb Stunden – das ist ein Wahnsinn. Aber so isses eben, da musst halt hin."
So redet kein über die Jahre von diversen Rhetorik-Coaches ge- oder verschliffener Manager-Typ, der gerne Ahead of the Curve ist.
Kommunikation ist jedoch das, was Gartner als eine seiner Stärken einschätzt. Der frühere Bürgermeister ist gerne bei den Leuten und mit ihnen im Austausch.
Und so tourte er wochenlang durchs Fußball-Land, holte sich im persönlichen Gespräch die Befindlichkeiten diverser "Landesfürsten" ab, nahm an zahlreichen Sitzungen teil, kam dabei drauf, dass es viele von selbigen gibt, vielleicht sogar zu viele.
Die Wunden eines zerstrittenen Präsidiums
Alles in allem wollte er ein Gefühl über den Ist-Zustand bekommen. Seine Erkenntnisse trug er am Freitag vor dem Match gegen Aserbaidschan in der Präsidiumssitzung vor.
Die größte Einigkeit bestünde unter den Landespräsidenten in einem Punkt: "In der Spur, in der wir bisher waren, können wir nicht weiterfahren. Das haben alle gesagt."
"Es wäre eine Lüge, wenn ich sage, jetzt ist alles eitel Wonne und Waschtrog. Es sind Wunden da, die sind noch nicht einmal verkrustet, geschweige denn verheilt. Das braucht alles Zeit."
Von einer Versöhnung zwischen den verfeindeten Lagern innerhalb des Präsidiums könne man noch nicht sprechen. Ganz im Gegenteil.
"Es wäre eine Lüge, wenn ich sage, jetzt ist alles eitel Wonne und Waschtrog. Es sind Wunden da, die sind noch nicht einmal verkrustet, geschweige denn verheilt. Das braucht alles Zeit", sagt Gartner und betont:
"Vertrauen ist schnell einmal vergeben. Vertrauen so zurückzubekommen, dass man darauf aufbauen kann, ist das andere Thema. Das ist für mich aber eine Grundvoraussetzung, dass wir, wenn wir in die nächste Situation gehen, nicht mit einem Crash anfangen. Denn dann brechen die kaum verheilten Wunden wieder auf."
Mit der "nächsten Situation" ist der kommende ÖFB-Präsident gemeint.
Gartner: "Nicht durchpressen, durchpeitschen, durchdrucken"
So weit also der atmosphärische Ist-Zustand, den man freundlich als Work in Progress bezeichnen könnte. Und inhaltlich sowie personell?
Am Samstag reiste Gartner ins ÖFB-Camp nach Windischgarsten, um bei dieser Gelegenheit auch den Medien ein Update zur aktuellen Lage zu geben.
De facto hatte er nichts zu verkünden. Es gibt weder einen Wahltermin und schon gar keinen Kandidaten. Und auch das muss kein Nachteil sein.
Denn Gartner spielt bewusst auf Zeit. Zwar wäre er seine aktuelle Funktion am liebsten so schnell wie möglich wieder los, trotzdem stellt er deutlich klar: "Ich will es nicht durchpressen, durchpeitschen, durchdrucken. Denn sonst wird es ein Rohrkrepierer."
Sein Motto: Er möchte den ÖFB seinem Nachfolger ruhigen Gewissens übergeben, sodass dieser auch eine reelle Chance habe.
"Es ist besser, wenn wir uns mit verschiedenen Dingen intensiv beschäftigen und noch zwei Mal nachdenken."
Einige "Landesfürsten" sagen nicht so richtig Nein
In diesem Zusammenhang lässt Gartner mit zwei Gedanken aufhorchen, die aus seinem Update sehr wohl eine interessante Diskussionsgrundlage machen.
Erstens lässt er eine klare Präferenz für einen Kandidaten von innen erkennen, was Kritiker der bisherigen ÖFB-Struktur tendenziell den Kopf schütteln lässt.
Selbige Kritiker horchen aber vermutlich eine Spur genauer hin, wenn Gartner zweitens ankündigt, die bestehenden Strukturen genau zu hinterfragen und dabei auch klarstellt: "Es gibt kein Tabu-Thema."
Beide Aussagen hängen eng miteinander zusammen.
Gartners Begründung, warum der neue Präsident nicht, wie vielerorts gefordert, von außen kommen soll, sondern von innen, ist ein bisschen kurios.
"Ich habe jedoch vom einen oder anderen auch schon ein Nein gehört, das nicht absolut ist. Bei einigen habe ich das Gefühl, dass im Zwischenton schon etwas möglich ist."
Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, dass der ÖFB zu kompliziert aufgestellt sei mit all seinen Referaten oder Kommissionen.
"Ein Kandidat von außen hätte das Problem, dass er sich erst in alles einarbeiten und lernen muss", so Gartner, dem ein einziger Kandidat am liebsten wäre und keine Kampfabstimmung wie beim letzten Mal zwischen Milletich und Roland Schmid.
Die meisten der amtierenden Landespräsidenten hätten mit dem Thema Einarbeitung freilich kein Problem, schließlich sind allesamt schon viele, viele, viele Jahre im Geschäft. Einige, so wie Gartner selbst, würden das Amt des ÖFB-Präsidenten kategorisch ablehnen.
"Für einige kommt es nicht in Frage. Ich habe jedoch vom einen oder anderen auch schon ein 'Nein' gehört, das nicht absolut ist. Bei einigen habe ich das Gefühl, dass im Zwischenton schon etwas möglich ist", findet Gartner.
Schön wäre es, den Nachfolger in die Strukturreform einzubinden
Aber, und das scheint das eigentliche Ziel Gartners zu sein, man kann die Strukturen bei dieser Gelegenheit ja auch ändern - und das vielleicht sogar sinnvoll.
Hier bleibt Gartner auch auf mehrfache Nachfrage Beispiele, woran er konkret denkt, schuldig. Mehr als zwei Nebensätze, dass selbst das Ehrenamt kein Tabu sei, und die Bundesliga eine interessante Struktur habe, ließ er sich nicht entlocken.
Sehr freimütig schildert Gartner jedoch sein Traum-Szenario, womit wir wieder bei den beiden schon genannten Festtagen wären.
"Wenn Weihnachten und Ostern zusammenfallen, wäre mein Wunsch, dass wir uns jetzt im Präsidium überlegen, wie wir uns das intern vorstellen, dass wir uns parallel auf einen Namen als neuen Präsidenten einigen und dann eine Satzung machen, die der auch mittragen kann."
Gartner spricht selbst von einem Wunschkonzert, aber er wirkt zumindest in der Frage, dass sein Nachfolger die Spielregeln – ob geändert oder nicht – absegnen sollte, fest entschlossen:
"Natürlich wäre es gut, wenn wir ihn da schon im Boot mit dabei hätten und er drüberschauen könnte: 'Ist das die Struktur und Organisation, wie du dir das vorstellst?' Denn wenn er überhaupt nicht damit leben kann und alles wieder umdreht, hätten wir wieder nichts erreicht."
Was Gartner wirklich unter einer Strukturänderung versteht, wird sich weisen. Selbst wenn er eine etwas radikalere Reform im Kopf hätte, müsste diese erst eine Mehrheit finden. Der Leidensdruck wäre inzwischen zwar schon recht groß, aber langjährige ÖFB-Beobachter werden grundlegende Änderungen wohl erst dann glauben, wenn sie so weit sind.
Erst die Heimaufgaben, dann der Präsident
"Voraussetzung ist immer der Wille", antwortet Gartner auf die Frage, wie realistisch solche Satzungsänderungen, etwa ein anders strukturiertes Präsidium, eigentlich seien, "aber da darf ich meiner Meinung nach nicht den Fehler machen, dass ich sie überrumple".
Also braucht der Niederösterreicher Zeit. In den kommenden fünf Wochen würden sich seiner Meinung nach all diese vielen Fragen nicht lösen lassen.
Gemeint ist die nächste reguläre Präsidiumssitzung am 28. April. Erst mit dieser könnte in der Theorie der zweimonatige Fristenlauf für eine für die Wahl eines neuen ÖFB-Präsidenten notwendige Bundeshauptversammlung starten.
Soll heißen: Selbige wäre auch bei einem optimalen zeitlichen Verlauf frühestens Ende Juni/Anfang Juli möglich.
Gartners Vorschlag: "Machen wir lieber unsere Heimaufgaben. Ob es dann der 1. Juli oder der Hausnummer 15. September ist, ist kein gewaltiger Unterschied. In den beiden Sommermonaten passiert eh nicht so viel."
Und nein, verschleppen will Gartner die Thematik nicht. "Ich bin im 72. Lebensjahr und weiß natürlich, dass ich das irgendwann fertig bringen muss und will", lacht der Interims-Boss.
Und dies wird definitiv im Laufe dieses Jahres sein: "Da können wir um ein Achtel Wein wetten."
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