Leo Windtner hat ein schwieriges Jahr als ÖFB-Präsident hinter sich, nun musste er auch noch seinen langjährigen "Ziehsohn" Willi Ruttensteiner opfern.
Einen Rücktritt schließt der Oberösterreicher jedoch kategorisch aus.
"Wenn ich überall gleich davongelaufen wäre, wenn der Gegenwind kommt, dann wäre ich nicht sehr weit gekommen. Das ist absolut nicht meine Art", stellt der 67-Jährige klar und bemüht eine Metapher aus der Seefahrt:
"Ich glaube sogar, wenn es ruppig oder die See rau wird, muss man ans Steuer gehen - auch wenn es einen ein paar Mal durchbeutelt, daran gibt es keinen Zweifel. Aber eines ist sicher: Dass man von der rauen See dann beizeiten wieder in ruhigere und vernünftigere Gewässer steuern muss."
Windtner schließt einen Rücktritt aus:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Windtner ortet eine "Selbstbeschädigung"
"Und davon bin ich überzeugt, denn eines ist bei der Präsidiumssitzung schon feststellbar gewesen, dass alle Präsidiumsmitglieder unisono sagen: Jetzt heißt es wieder einen Schritt in die Mitte zu gehen, denn sonst dividieren wir uns selbst auseinander. Das ist eine Selbstbeschädigung der einzelnen Mitglieder des Gremiums, vor allem aber gereicht es zum Schaden der Institution des österreichischen Fußballballbundes", so Windtner weiter.
"Selbstbeschädigung" ist wohl kein falscher Ausdruck für den Umstand, wie sehr die Reputation diverser Landespräsidenten als Einzelpersonen beziehungsweise das Gremium des ÖFB-Präsidiums als Ganzes während der Turbulenzen der vergangenen Wochen gelitten hat.
Im Vorfeld der Präsidiumssitzung, in welcher Peter Schöttel zum Nachfolger von Willi Ruttensteiner als Sportdirektor bestimmt wurde, meldete sich mit dem oberösterreichischen Landespräsideten Gerhard Götschhofer in der "Krone" ein mutmaßlicher Befürworter Ruttensteiners zu Wort und befand, dass es "drei, vier eitle Tröpfe" unter den Landespräsideten geben würde und mahnte:
"Das Eis ist für uns dünn geworden - daher müssen wir die Kuh vom Eis bringen, zumal sogar schon die Spieler sagen: Was machen die Volltrotteln?"
Sind die Landespräsidenten kompetent genug?
Was die Präsidiumsmitglieder am Samstag definitiv gemacht haben, ist eine Entscheidung bezüglich Sportdirektor. Dass die neun Landespräsidenten über diesen Posten mitentscheiden, sei laut Windtner "gesetztes Recht, an dem wir uns und ich mich zu orientieren habe." Das Gremium sei demokratisch aufgestellt. Neben den neun Stimmen der Bundesländer gehören drei der Bundesliga, Windtner ist das 13. stimmberechtigte Mitglied.
Die Frage, ob die Landespräsidenten kompetent genug seien, um über die Besetzung eines Sportdirektors zu entscheiden, kann Windtner nicht mit einem klaren Ja beantworten: "Ich glaube, das ist nicht die Frage der Kompetenz, sondern eine Frage des gesetzten Rechts. Über die Kompetenz maße ich mir kein Urteil an."
Die Frage, warum Schöttel bestellt wurde, obwohl er kein detailliertes Konzept vorgelegt habe, beantwortet der ÖFB-Boss wiefolgt: "Die Entscheidung ist insofern nachvollziehbar, als auf der einen Seite ein seit 18 Jahren wirkender Sportdirektor natürlich einen Fundus an Konzepten dabei hat, ein Hinzukommender, der gerade vom Spielfeld der U19 einrückt, natürlich nicht mit einem Paket an Unterlagen aufwarten kann. Da geht es um die berühmte Frage: Wem traut man zu, in Zukunft den Fußball als Konzeptentwickler nach vorne zu bringen?"
Während Schöttel kein detailliertes Konzept darlegte, wartete Rutteinsteiner in der Präsidiumssitzung mit der beauftragten Analyse der sportlichen Talfahrt auf und konnte damit offenbar inhaltlich punkten - allerdings zu spät: "Willi Ruttensteiner hat diese Analyse präsentiert. Ich glaube, sagen zu können, dass sie wirklich profund und gut war. Es waren aber manche Dinge, und das ist bedauerlich, mit Zeitverzug. Gerade auch Erkenntnisse aus 2016 wären vielleicht unmittelbar nach der EURO als Analyse durchaus hilfreich gewesen. Das ist schade. Aber die heutige Analyse hat in jeder Hinsicht gepasst."
"Thema meiner Widerwahl war aufgeblasen"
Darüber, mit wie großer Chance auf einen Verbleib in seinem Amt Ruttensteiner in diese Sitzung gegangen ist, gibt es je nach Blickwinkel tendenziell unterschiedliche Aussagen. Der Verdacht, dass seine Ablöse von langer Hand geplant wurde, wird jedenfalls dementiert.
Genau wie Windtner einige andere seine Person betreffende Vorkommnisse des Jahres 2017 herunterspielt. "Das Thema im Vorfeld meiner Wiederwahl war aufgeblasen", befindet der Oberösterreicher und erinnert daran, dass er mit 12:1-Stimmen wiedergewählt wurde. Mit dem Salzburger Landespräsidenten Herbert Hübel, der gegen ihn votiert hatte, habe es inzwischen eine "Aussprache unter Homo sapiens" gegeben, damit sei das Thema gegessen.
Was Windtner zu erwähnen vergisst, ist, dass er im Vorfeld seiner Wiederwahl durch den Wahlausschuss gerasselt ist und dieses negative Votum von Präsidiumsmitgliedern der Öffentlichkeit zugespielt wurde. Eine der Bedingungen, dass er doch im Amt bleiben darf, war die Trennung vom früheren Mediendirektor Wolfgang Gramann, was Windtner am Samstag als "Nebenschauplatz-Personalie" bezeichnete.
Zudem sollte Windtner vier Vizepräsidenten installieren - eine Maßnahme, die er weiterhin verteidigt: "Ich hatte das Problem, dass nach dem Abgang von Gigi Ludwig ein Vertreter des ÖFB eigentlich nicht mehr stellvertretend greifbar war. Da geht es hauptsächlich um Repräsentationsaufgaben und nicht um eine substanzielle Beschneidung meiner Kompetenzen. Daher habe ich damit nie ein Problem gehabt."
Der Gesichtsverlust der ÖFB-Funktionäre
Sehr wohl ein Problem hatte und hat Windtner mit der Art und Weise, wie der Abschied von Marcel Koller bekannt geworden ist: "Das Thema Marcel Koller hat mich in der Form der Abwicklung der Trennung überrascht, weil hier in meinen Augen andere Möglichkeiten bestanden hätten. Das ist kein Geheimnis. Wahrscheinlich wäre hier manches vermieden worden. Auf der anderen Seite ist es eine klare Entscheidung gewesen - und eine klare Entscheidung ist immer besser als Zögerlichkeit, wo am Schluss nichts herauskommt."
Ähnlich wie vor einigen Wochen bei Koller ist diesmal bereits vor einigen Tagen durchgesickert, dass Schöttel anstelle von Ruttensteiner als Sportdirektor installiert wird, auch wenn die ÖFB-Spitze auf der Version besteht, dass diese Entscheidung erst am Samstag getroffen wurde.
Als persönliche Niederlage will Windtner aber auch den Abgang von Ruttensteiner nicht werten: "Es ist klar, dass immer wieder personelle Veränderungen kommen werden, wo man sich alteriert. Wir haben vereinbart: Wie auch immer die Entscheidung ausfallen mag, sie wird von allen mitgetragen. Da denke ich jetzt nicht über einen Gesichtsverlust nach."
Die kommenden Tage und Wochen werden wohl zeigen, wie groß Windtners Gesichtsverlust wirklich war. Er selbst stellt wohl nicht gänzlich unberechtigt folgende Frage:
"Wer hat in den letzten zwei, drei Wochen im ÖFB nicht einen gewissen Gesichtsverlust erlitten? Das lasse ich einmal im Raum stehen."