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Das ÖFB-Goalie-Casting: "Werden nicht am Spieltag würfeln"

Vier Kandidaten für die Nummer 1. ÖFB-Tormanntrainer Michael Gspurning darüber, wie wichtig Spielpraxis ist und warum ein Torhüter auch Risikomanager sein muss.

Das ÖFB-Goalie-Casting: Foto: © GEPA

Man könne es durchaus mit einer Casting-Show vergleichen, wenn man den Begriff so wählen wolle, bestätigt Michael Gspurning.

Der 42-Jährige, hauptberuflich beim deutschen Sensationsteam Union Berlin tätig, ist neuer Tormanntrainer des ÖFB-Nationalteams.

Pünktlich zu seinem ersten Lehrgang sucht Fußball-Österreich - wieder einmal - eine neue Nummer eins im Tor, was traurigerweise durch die Hodenkrebs-Erkrankung von Heinz Lindner notwendig wurde.

Bachmann, Hedl, Pentz oder Schlager?

Die Kandidaten: Daniel Bachmann war schon mal die Nummer eins, verfügt über internationale Erfahrung, sammelte beim FC Watford jede Menge Spielpraxis, stand in der Gunst von Teamchef Ralf Rangnick bislang jedoch offenkundig nicht weit oben.

Niklas Hedl ist Stamm-Goalie bei Rapid, verfügt allerdings über kaum internationale Erfahrung. Alexander Schlager spielte in den vergangenen Wochen beim LASK nicht mehr und könnte bei seinem Neo-Arbeitgeber FC Red Bull Salzburg nur die Nummer zwei werden.

Das Quartett wird von Patrick Pentz komplettiert, den Rangnick zu Beginn seiner Amtszeit durchaus forciert hat, der jedoch seit Monaten über keine Spielpraxis verfügt. Im Frühjahr saß er bei Bayer Leverkusen auf der Ersatzbank.

Auf wen auch immer die Wahl fallen wird: Gspurning strebt eine klare Entscheidung an.

Eine Art Crash-Kurs

"Wir werden mit den Torhütern eine klare Kommunikation haben. Es ist schon wichtig, dass man nicht bis zum Spieltag wartet und dann würfeln anfängt", betont der Steirer.

Den genauen Termin der Entscheidungsfindung gibt es nicht, mit Rangnick würde es jedoch eine offene Kommunikation geben. Letztlich sei er zwar der Spezialist, doch die Eindrücke der anderen Trainer seien genauso wichtig: "Denn jeder sieht etwas. Es geht auch um Soft Skills, wie sich einer gibt, welche Wirkung er auf die Mannschaft hat."

Für Gspurning ergibt sich in dieser Woche die spannende Situation, dass er recht unvoreingenommen an diese Entscheidung herangehen kann, gleichzeitig jedoch in einer Art Crash-Kurs in Erfahrung bringen muss, welche Art von Vorbereitung und Behandlung der jeweilige Keeper benötigt.

Bereits bei der Zusammenkunft am Samstag versammelte er die vier Kandidaten zu einem Meeting, um zu erläutern, wie er sich die Woche vorstellt. Gleichzeitig geht es in Einzelgesprächen darum, die vier Torhüter besser kennenzulernen.

Gspurnings Werkzeugkiste

Denn Gspurnings Hauptaufgabe besteht anders als im Verein nicht in grundsätzlicher Trainerarbeit, sondern in der bestmöglichen Vorbereitung auf ein Länderspiel: "Ich bin der, der die Werkzeugkiste hinstellt und sie suchen sich die Werkzeuge aus. Es bringt ja nichts, wenn ich komplett konträr zum Torwarttrainer im Verein arbeite."

Gspurning absolvierte drei Länderspiele für Österreich
Foto: © GEPA

Das Kennenlernen geht inhaltlich von bis - sei es das jeweilige Aufwärmritual oder die Frage, wie viel Kommunikation der jeweilige Goalie braucht: "Es gibt kommunikativere und ruhigere Typen, beides ist okay."

Gleichzeitig geht es natürlich darum, den richtigen Torhüter für den Showdown in Belgien herauszufiltern. Gspurnings Vorteil ist, dass er relativ unvoreingenommen an die Sache herangehen kann.

Komplett ohne vorherige Meinung ist er allerdings auch nicht angereist: "Man geht nicht mit einem weißen Blatt Papier hin."

Wie wichtig ist Spielpraxis?

Schon als er den Job übernommen hat, habe er eine detaillierte Analyse von mehreren Kandidaten gemacht: "Jetzt ist es wichtig, wie gleicht es sich hier mit dem ab, was ich da gesehen habe? Kein Mensch ist ohne Vorurteil. Ich kann nicht versprechen, dass alle vier genau 25 Prozent an Chance haben. Was ich sagen kann: Sie arbeiten gut und sind auf einem ähnlichen Level."

"Es gibt viele gute Nationalteams, bei denen die Nummer eins im Verein nicht Stammtorhüter ist, weil er in einer großen Liga ist. Bei den Schweden spielt beispielsweise auch Robin  Olsen, obwohl er im Verein die Nummer zwei hinter Emiliano Martinez ist."

Michael Gspurning

Ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidungsfindung wird sicherlich, wie Rangnick, Gspurning und Co. den Faktor Spielpraxis bewerten. Zuletzt war Pentz im Nationalteam mangels selbiger eher mit geringen Einsatzchancen versehen.

"Langfristig ist es natürlich nicht leicht, wenn es wie bei Pentz ist", findet Gspurning, schränkt jedoch ein:

"Es kann nicht sein, dass das der einzige Punkt ist, den man beurteilt. Es gibt viele gute Nationalteams, bei denen die Nummer eins im Verein nicht Stammtorhüter ist, weil er in einer großen Liga ist. Bei den Schweden spielt beispielsweise auch Robin Olsen, obwohl er im Verein die Nummer zwei hinter Emiliano Martinez ist."

Der Torhüter als Risikomanager

Auch aus diesem Blickwinkel wartet ein interessanter Lehrgang. Denn während die Schweden einem Backup vertrauen, steht bei Belgien mit Thibaut Courtois jener Torhüter im Tor, den viele als den derzeit besten der Welt einschätzen - auch Gspurning.

Generell setzt sich für den ÖFB-Tormanntrainer der ideale Torhüter einerseits aus dem "Torwart-Spiel an sich" zusammen. Dazu kommen die mentale Stärke, der Umgang mit Fehlern, die Competitiveness: "Will ich mich wirklich in jeden Ball reinschmeißen?"

Zum Thema Auftreten kommt jenes der Physis: "Ist man robust genug, um viele Spiele machen zu können, und ist man immer spritzig und topfit?"

"Ein Torhüter ist heutzutage ein Risikomanager - du musst bewusst Risiken eingehen, bist im Offensivspiel eingebunden."

Michael Gspurning

Ein entscheidender Punkt andererseits ist, und hier besteht wohl große Einigkeit mit Rangnick: "Ich bin schon einer, der in Richtung offensives Mindset geht. Das heißt, dass man versucht, mit seinen Aktionen dem Team frühzeitig zu helfen, indem man hoch steht, eng mit der Viererkette verbunden ist und Risiken eingeht. Ein Torhüter ist heutzutage ein Risikomanager - du musst bewusst Risiken eingehen, bist im Offensivspiel eingebunden."

Höheres Gehalt statt Spielpraxis?

Gspurning weiter: "Zu meiner Zeit hat es noch geheißen: Wenn er nicht danebengreift, ist es okay, wenn er zwischendurch einen hält, ist es gut. Die aktuellen Anforderungen ans Torwartspiel sind andere und man kann sich dem gar nicht verwehren, dass man Risiko eingeht, um die Chance um ein paar Prozent zu erhöhen, dass du erfolgreich bist. Letztlich sind es immer diese Wahrscheinlichkeiten, um die es im Fußball geht."

Man könnte natürlich mutmaßen, dass diese Gedanken recht gut zur Herangehensweise von Pentz und Schlager passen. Andererseits sind gerade die beiden die Sorgenkinder in Sachen Spielpraxis.

Dem Vorwurf, dass die beiden Spielpraxis für ein etwaiges höheres Gehalt eingetauscht haben, kann Gspurning jedoch nicht viel abgewinnen. Vor allem mit Schlager habe er sich eingehender über dessen Unterschrift bei Salzburg unterhalten.

"Es gibt nachvollziehbare Gründe, und die sind nicht immer nur monetär. Es ist natürlich auch eine Frage der Möglichkeiten, manchmal muss man auch kurzfristig bei einem Angebot zusagen und die Chance nutzen", so der Steirer, der selbst drei Mal im Nationalteam aufgelaufen ist.

Eine klare Nummer eins als Zielsetzung

Dass dieser Lehrgang für das Tormann-Quartett kein einfacher ist, weiß auch Gspurning. Umso gespannter darf man auf die Entscheidung sein, wer am Samstag im Tor steht.

Dies ist die kurzfristige Frage. Die mittelfristige ist, wie gut das generelle Tormann-Niveau in Österreich ist. Dafür braucht es wohl eine weitere Abhandlung.

Gspurning betont jedoch, dass die Torhüter, die im Nationalteam zum Einsatz gekommen sind, im Normalfall ihre Leistung abgerufen haben.

Allerdings findet auch er: "Natürlich ist es eine Zielsetzung für die nächsten Jahre, dass wir eine Nation werden, in der es eine klare Nummer eins über eine lange Zeit gibt. Oder zwei, drei Kandidaten, die so wie in der Schweiz konkurrieren. Das ist hilfreich!"

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