Die Enttäuschung des ÖFB in der Causa Ashley Barnes.
Dieser Fall hat erstens vor allem eine politische, zweitens eine juristische und drittens eine sportliche Relevanz. Aber gerade auf die menschliche Komponente möchte man beim Fußballbund nicht vergessen.
"Ich muss sagen, das ist dem Spieler gegenüber gewissermaßen auch menschlich peinlich", gesteht ÖFB-Präsident Leo Windtner, "der Teamchef hat schon konkret mit ihm über eine Einberufung gesprochen. Für den ÖFB ist es überraschend, dass hier von Seiten der zuständigen Politik im letzten Moment auf einmal eine andere Entscheidung kommt. Ich kann das nur bedauern, denn Ashley Barnes würde gut dazupassen."
FPÖ-Ministerien stellen Stopp-Schild auf
Neben der letztlich vergeblich investierten Mühe beziehungsweise den angefallenen finanziellen Kosten beruht der Ärger des ÖFB vor allem darauf, dass dies keine ausschließlich auf Fakten basierte Entscheidung gewesen sei.
"Das war eine politische Entscheidung", stellt die Verbands-Spitze unisono klar und spielt den Ball diesbezüglich dem Innenministerium, das sich gegen eine Einbürgerung des Stürmers stellt, beziehungsweise dem Sportministerium zu. Beide werden von der FPÖ geführt.
Ein bisschen flapsig ausgedrückt: Es wird der Anschein erweckt, als hätte Innenminister Herbert Kickl, oder zumindest seine Mitarbeiter, seinen "Chef" und Sportminister Heinz-Christian Strache, oder zumindest dessen Mitarbeiter, overruled.
Denn aus dem Sportministerium kamen laut ÖFB-Auskunft im Laufe der vergangenen Monate stets positive Signale. "Bis vor zehn Tagen waren wir ganz klar auf der Zielgeraden", wie Windtner betont.
Burnley ist nicht die Südstadt
Genau diese Signale führten dazu, dass sich der ÖFB intensiv um eine Einbürgerung von Barnes bemühte. Genau diese Signale sind es auch, die dem ÖFB nun sauer aufstoßen, wie Generalsekreträr Thomas Hollerer betont:
"Wenn man uns das von Seiten der Politik vor sechs Monaten gesagt hätte, hätten wir uns viele Mühen und Wege erspart. Burnley ist nicht die Südstadt, da fährt man nicht geschwind einmal vorbei und beobachtet den Spieler."
"Wenn man uns das von Seiten der Politik vor sechs Monaten gesagt hätte, hätten wir uns viele Mühen und Wege erspart. Burnley ist nicht die Südstadt, da fährt man nicht geschwind einmal vorbei und beobachtet den Spieler. Der Spieler ist mehrmals vom kompletten Trainerteam beobachtet worden, Franco Foda war erst letzten Samstag wieder dort. Wenn man uns mitgeteilt hätte, dass es politisch nicht gewollt wird - wofür es natürlich Ermessensgründe gibt -, dann hätten wir das ja nicht machen müssen."
Genau auf diese politisch motivierte Auslegung dieser Ermessensgründe schießt sich die ÖFB-Spitze ein. In einer vom Sportministerium am Montag veröffentlichten Presseaussendung heißt es, dass der 29-jährige Barnes, dessen Großmutter aus Kärnten stammt, "wesentliche Kriterien zur Einbürgerung" nicht erfüllen würde.
Sektonschef Philipp Trattner, der einst für den Basketballverband arbeitete, bevor er ins FPÖ-Ministerium wechselte, konkretisierte: "Seine bisherigen sportlichen Leistungen haben keinen Bezug zu Österreich, insbesondere wurden sie nicht über einen relevanten Zeitraum in Österreich erbracht. Seine österreichischen Wurzeln spielen keine Rolle."
Diesen Punkt bestreitet der ÖFB nicht, argumentiert jedoch damit, dass bei einer Verleihung der Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik nicht jedes einzelne Kriterium erfüllt werden müsse.
ÖFB: Kriterien müssen nur punktuell und überwiegend erfüllt werden
Hollerer versucht zu verdeutlichen: "Im Beschluss des Innenministeriums aus dem Jahr 2014 steht sogar ausdrücklich: 'Die Kriterien müssen nicht kumulativ erfüllt werden, sondern ist ein punktuelles, aber überwiegendes Erfüllen der Kriterien im Einzelfall ausreichend, wenn diesen eine besondere Gewichtung in der Gesamtbetrachtung des Einzelfalles zukommt.'"
Für Einbürgerungen aufgrund von sportlichen Leistungen geht es konkret um folgende Kriterien:
- es steht aktuell kein anderer, hinsichtlich des Leistungsniveaus vergleichbarer österreichischer Leistungssportler zur Verfügung, auch nicht aus dem Nachwuchsbereich;
- die herausragenden sportlichen Leistungen wurden bereits über einen längeren Zeitraum, der mindestens ein Jahr beträgt, in Österreich erbracht;
- Absehbarkeit, dass die aktive, erfolgreiche Laufbahn als Sportler, insbesondere unter Berücksichtigung seines Alters, noch länger andauern wird;
- Beabsichtigung und formalrechtliche Möglichkeit der sofortigen Einsetzbarkeit in einem österreichischen Nationalteam;
- sehr gute Platzierungen bei nationalen oder internationalen Wettkämpfen als Einzelner oder mit der Mannschaft;
Hollerer: "Ivica Vastic hat mit 39 noch eine EM gespielt. Wenn er fit bliebe, würde uns Ashley Barnes theoretisch noch zehn Jahre zur Verfügung stehen. Präsident Windtner, Sportdirektor Schöttel und Teamchef Foda haben mehrfach ausgeführt, dass es im Moment, wie wir alle wissen, keinen gleichwertigen Spieler gibt, auch nicht im Nachwuchs. Und er würde natürlich sofort von uns einberufen und zum Einsatz gebracht werden."
Neun Pflichtspiel-Tore in dieser Saison für einen Verein der Premier League, die gemeinhin als beste Liga der Welt angesehen wird, gehen wohl als sehr gute Leistungen bei internationalen Wettkämpfen durch.
Das von Trattner angeführte Argument, dass Barnes seine Leistungen nicht in Österreich erbracht hat, lässt sich bei einem in England aufgewachsenen Premier-League-Spieler von Burnley nicht widerlegen, Hollerer konstruiert diesbezüglich jedoch ein juristisches Extrembeispiel:
"Hätten wir einen Tennisspieler, der alle Grand-Slam-Turniere gewinnt und dann plötzlich für Österreich Davis Cup spielen möchte, soll er deswegen nicht eingebürgert werden können, weil er vielleicht nie in Kitzbühel am Start war?"
ÖFB fordert faire Behandlung
Umgelegt auf den Fußball: Je höherklassiger ein Spieler ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er vereinsmäßig in Österreich aktiv ist. Je höherklassiger ein Fußballer bei seinem Verein aktiv ist, desto größer ist umgekehrt die Wahrscheinlichkeit, dass er dem Nationalteam helfen kann.
"Wir wollen keine Sonderstellung für den Sport oder den Fußball reklamieren, aber wir wollen eine faire Behandlung."
Die Argumentationslinie des ÖFB bleibt aber ohnehin, dass nicht alle festgeschriebenen Punkte erfüllt werden müssten. "Rechtlich sind die angeführten Kriterien kein Hindernis, eine Einbürgerung durchzuführen, wenn es politisch gewollt wird. Hier geht es um politischen Ermessensspielraum", stellt Hollerer klar.
Einbürgerungen in Sachen Sport sind bekanntlich keine Seltenheit. "Natürlich ist uns bewusst, dass die Staatsbürgerschaft das höchste Gut ist, das eine Nation vergeben kann", betont Windtner, "wir nehmen das auch zur Kenntnis. Wir wollen keine Sonderstellung für den Sport oder den Fußball reklamieren, aber wir wollen eine faire Behandlung."
"Denn noch einmal: Wenn man uns das letzten Sommer gesagt hätte, und das Gesetz lag damals auch schon mit allen Details vor, dass es Bedenken und Widerstände geben wird, hätten wir bei Ashley Barnes und den österreichischen Fußball-Fans keine Hoffnungen geweckt und auch keinen erheblichen Aufwand unternommen, der jetzt als stranded costs abgebucht werden kann."
Keine Jubelstürme bei Barnes
Erstmals aufgeschlagen ist das Thema Ashley Barnes im ÖFB im vergangenen Frühjahr. Am 6. April 2018 gab es den ersten Kontakt zum Stürmer, am 25. April das erste Treffen, um sich einen persönlichen Eindruck zu verleihen.
"Im knappen letzten Jahr gab es eine sehr intensive Komunikation per Telefon, E-Mail oder WhatsApp mit dem Spieler. Der Spieler und auch sein Verein Burnley waren immer extrem kooperativ und interessiert, sie haben uns beim Sammeln diverser Dokumente, die für uns notwendig waren, unterstützt und ständig signalisiert, dass sie großes Interesse daran haben, dass diese Einbürgerung vonstatten geht. Diese Kommunikation ist bislang nie abgerissen, zuletzt war Teamchef Foda am Samstag bei ihm", berichtet ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold.
Entsprechend groß sei nun die Enttäuschung bei Barnes: "Man muss sich natürlich auch in den Spieler hineinversetzen. Dass er nicht in Jubelstürme verfällt, wenn man ihm in den letzten zehn Tagen signalisiert, dass es plötzlich auf der Kippe steht, ist menschlich nachvollziehbar."
ÖFB kämpft bis zum letzten Moment
"Wir sind bis zuletzt vehement unterwegs, um dem Thema vielleicht doch noch einmal eine Wendung zuzuführen. Jetzt versuchen wir starke Kontakte hinein ins Innenministerium zu finden, dort ist die Tür aber eher fest zu."
Endgültig gekippt ist die Einbürgerung noch nicht. Ganz die Hoffnung aufgegeben hat man beim ÖFB auch noch nicht, dass es bis zum Ministerrat am Mittwoch doch zu einem politischen Umdenken kommt, wenngleich man die Chance für äußerst gering hält.
Trotzdem probiert man es im BMI. Im Laufe des Dienstags wolle man laut Windtner versuchen, "unsere Argumente den entscheidenden Beamten näherzubringen und vielleicht auch die politisch Verantwortlichen noch einmal zu bewegen."
"Wir sind bis zuletzt vehement unterwegs, um dem Thema vielleicht doch noch einmal eine Wendung zuzuführen, weil wir ja bis dato mit dem Sportministerium einen Konsens für eine positive Lösung hatten. Jetzt versuchen wir starke Kontakte hinein ins Innenministerium zu finden, dort ist die Tür aber eher fest zu", gibt sich der ÖFB-Boss allerdings nicht allzu optimistisch.
Der Oberösterreicher weiter: "Ich hatte ein Telefonat mit Generalsekretär Peter Goldgruber, der die Bedenken des Innenministeriums dargelegt hat. Wir haben als ÖFB wirklich alles getan, dass diese Einbürgerung zur Stärkung des Nationalteams ermöglicht wird. Wenn das im letzten Moment scheitert, müssen sich gewisse politische Verantwortungsträger in den Spiegel schauen."