Der letzte Schritt. Noch ein Punkt.
Man kann nicht leugnen, dass Fußball-Österreich bereits auf EM-Party eingestellt ist. Auch wenn es keiner hören will: Vorher gilt es jedoch noch die 90 Minuten gegen Nordmazedonien (Samstag, 20:45 Uhr im LIVE-Ticker) zu absolvieren.
"Jeder Spieler weiß, worum es geht", ortet ÖFB-Teamchef Franco Foda den nötigen Fokus bei seiner Mannschaft und fordert: "Wir müssen so auftreten wie in den letzten Spielen - mit dieser Hingabe, mit dieser Begeisterung, mit dieser Leidenschaft, mit dieser Spielfreude. Und das von der ersten bis zur letzten Minute."
Dass man es nach den beiden Auftakt-Niederlagen gegen Polen und in Israel bei diesem Lehrgang in der eigenen Hand habe, sei das große Ziel gewesen: "Jetzt gilt es noch, das letzte Mosaiksteinchen auf unsere Seite zu bringen."
Noch einmal gilt es jene Vorzüge abzurufen, die das ÖFB-Team in der Trendwende nach dem Horror-Start stark gemacht haben. Dies sind einige davon:
DIE BREITE DES KADERS:
Diesmal hat Foda die Qual der Wahl, weshalb personelle Härtefälle vorprogrammiert sind. Das war im Verlauf dieser Quali nicht immer so.
Wenn man auf diese Kampagne zurückblicken wird, wird einer der Hauptpunkte fraglos sein, dass der ÖFB-Betreuerstab den Kader immer wieder ausreizen musste - man denke nur an den so wichtigen 1:0-Sieg in Slowenien, als unter anderem Marko Arnautovic, David Alaba und Stefan Lainer passen mussten.
So mancher vermeintliche Nachrücker, etwa Konrad Laimer, der im Heimspiel gegen Slowenien kurzfristig einsprang, darf sich inzwischen Stammspieler nennen. Andere wertvolle Backups wie Stefan Posch haben sich in der Hackordnung durch gute Leistungen weiter nach oben gekämpft.
Teilweise hat es sich im Laufe der Qualifikation durch immer wieder neue Absagen natürlich so ergeben. Aber der Nebeneffekt ist ein angenehmer: Je mehr ÖFB-Kicker ihre Startelf-Tauglichkeit unter Beweis stellen, umso größer ist der Konkurrenzkampf.
"Das macht uns alle im Training und im Spiel noch besser. Jeder weiß, wenn er mal nicht seine 100 Prozent gibt, warten schon zwei andere auf der Bank auf ihre Chance. Wir können uns freuen, dass wir so viele gute österreichische Fußballer hier haben. Trotzdem steht die Mannschaft über allem, das gilt es zu respektieren", erläutert Laimer.
Diesmal sind besonders viele gute Fußballer hier. Neben dem Langzeitverletzten Xaver Schlager musste nur Alessandro Schöpf, der schon das ganze Jahr über fehlt, absagen. Ansonsten sind alle fit.
Soll heißen: Diesmal sind die "Platzhirschen" gefordert, ihre Startelf-Zugehörigkeit zu verteidigen. Geht es gegen Nordmazedonien gut, startet in Lettland der Kampf ums EM-Leiberl.
DAS SELBSTVERTRAUEN AUS DEN VEREINEN:
Man kann nicht behaupten, dass Foda im Laufe der Qualifikation nicht auch auf Spieler mit Schwierigkeiten bei ihrem jeweiligen Arbeitgeber zurückgreifen musste. Man denke an Valentino Lazaro, der bei Inter Mailand erst langsam in Fahrt kommt, oder an Stefan Ilsanker, der auch dann spielte, als seine Situation in Leipzig besonders schwierig war.
Ausnahmen wie Michael Gregoritsch bestätigen die Regel, aber derzeit befinden sich besonders viele Spieler bei ihren Vereinen im Höhenflug. Exemplarisch sei Stefan Lainer genannt, der über die Tabellenführung von Borussia Mönchengladbach berichten kann.
"Das ist ganz wichtig für das Nationalteam. Alle Spieler haben jetzt einen hohen Rhythmus, spielen in ihren Vereinen eine Führungsrolle - das spiegelt sich dann auch bei uns wider. Sie kommen mit viel Selbstvertrauen, haben viel Spaß und Freude. Das sieht man dann auch im Spiel", betont Foda.
In der deutschen Bundesliga geht es in dieser Saison an der Spitze bislang eng zu. Die Top 5 der Tabelle haben jeweils zumindest einen Vertreter im ÖFB-Kader. Das ist natürlich auch teamintern Thema.
"Mit Stevie rennt der Schmäh immer ein bisschen", lacht Laimer im Hinblick auf Tabellenführer Lainer - er selbst ist mit den zweitplatzierten Leipzigern erster Verfolger: "Er ist ja immer noch vier Punkte vor uns. Das ist ein schöner Polster, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren."
Gegen Nordmazedonien können die ÖFB-Kicker ihre gute Form in einem gut gefüllten Happel-Stadion unter Beweis stellen.
DER HUNGER NACH MEHR:
Kapitän Julian Baumgartlinger weist nicht zu Unrecht darauf hin, dass die Qualifikation diesmal nur der erste Schritt sein dürfe, den man nicht "überzelebrieren" sollte. Anders als 2016 müsste man bei der EURO 2020 einen gelungenen zweiten Schritt folgen lassen.
Selbstzufrieden war auch der damalige Kader nur bedingt. Das aktuelle Aufgebot ist jedoch durch den einen oder anderen besonders hungrigen Akteur angereichert. So stellt etwa der unbedingte Wille von Laimer nicht nur auf dem Platz eine riesige Bereicherung dar. Auch abseits davon entwickelt er sich langsam zu einem Wortführer.
Sein Ehrgeiz ist beinahe ansteckend. So fällt ihm, angesprochen darauf, dass es für ihn sowohl in Leipzig als auch beim ÖFB-Team wie am Schnürchen läuft, lediglich ein, dass noch mehr gehen müsse.
"Man darf nie wunschlos glücklich sein", stellt der 22-Jährige klar, "und ich bin es auch nicht. Seit ich klein bin, habe ich immer den nächsten Schritt gemacht, und das möchte ich in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren so weiter machen und mich als Spieler und Mensch weiterentwickeln. Ich bin sicher noch nicht am Zenit, ich kann noch mehr."
PLAN B IM HINTERKOPF:
Flexibilität war eines der dominierenden Schlagworte zu Beginn der Amtszeit von Franco Foda. Dies ist im Zuge der Trendwende in dieser Qualifikation spürbar in den Hintergrund gerückt.
Dies ändert jedoch nichts an der Wichtigkeit dieser Initiative, wie Baumgartlinger verdeutlicht: "Ab Juni haben wir eigentlich fast permanent dasselbe System gespielt. Aber wir haben es im Hinterkopf und wissen, dass wir eventuell switchen können, wenn es im Spiel gerade nicht funktioniert. Wir haben immer einen Plan B in der Hinterhand, der auf Zuruf funktioniert."
Der Leverkusen-Legionär unterstreicht, dass dies eventuell auch schon vorher möglich gewesen wäre: "Aber der Trainer hat es von seinem ersten Lehrgang an forciert. Das gibt uns auf jeden Fall mehr Möglichkeiten."
Foda neigt ohnehin dazu, sein Team auf alle Eventualitäten vorzubereiten, wie er im Prinzip vor jedem Länderspiel gebetsmühlenartig wiederholt. Unterm Strich ist ihm, so auch gegen Nordmazedonien, vor allem eines wichtig: "Wir wollen unser Spiel durchziehen." Ob mit oder ohne Plan B.
FODAS ANTEIL:
ÖFB-Präsident Leo Windtner streicht hervor, dass Franco Foda im Unterschied zu Vorgänger Marcel Koller nicht gerade wie ein "Messias" verehrt wird.
Sollte er das Nationalteam zur EURO führen, ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass auch die Arbeit des Teamchefs von der Öffentlichkeit mehr gewürdigt wird. Wie sehr er vom ÖFB gewürdigt wird, wird sich mitunter daran ablesen lassen, ob und wie schnell man sich auf eine Vertragsverlängerung einigen kann.
Seine Spieler würdigen seine Arbeit ohnehin. "Der Trainer hat immer einen großen Anteil, wenn die Mannschaft erfolgreich ist", betont Laimer, "er verlangt jedes mal alles von uns Spielern ab, bereitet uns immer gut auf die Gegner vor."
David Alaba findet: "Er ist ein Trainer, der sehr klar ist in dem, was er möchte, sehr klar in seinen Ansprachen. Und er ist ein Trainer, der Fußball spielen lassen möchte. Das liegt uns. Wir sind eine Mannschaft, die in der Breite sehr gut aufgestellt ist und sehr viel Qualität hat. Wenn man dann einen Trainer hat, der auf die eigene Mannschaft schaut und nicht unbedingt immer auf den Gegner, passt das gut. Er versucht sein Spiel auf den Platz zu bringen, uns seine Philosophie mitzugeben. Wenn wir das umsetzen, spielen wir guten Fußball."
Im Idealfall gelingt dies auch gegen Nordmazedonien und als Konsequenz daraus bei der EURO 2020.