Anders als nach dem 1:1 in der Nations League vor einem Jahr gegen den damals amtierenden Weltmeister Frankreich durfte Rainer Pariasek ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick diesmal zu einem Remis gegen eine Weltklasse-Nationalmannschaft gratulieren.
"Diesmal nehme ich es gerne an, weil ich glaube, dass wir heute mit dem Punkt zufrieden sein können und müssen", gibt sich der Deutsche nach dem 1:1 seiner Mannschaft in Belgien (Spielbericht>>>) gegenüber dem ORF-Moderator versöhnlich.
Auf der Pressekonferenz führt Rangnick aus: "Wenn man 1:0 führt, würde man natürlich gerne drei Punkte mitnehmen, aber wenn man das gesamte Spiel betrachtet und die Torchancen abgleicht, muss man zugeben, dass Belgien die ein oder andere Möglichkeit mehr hatte."
"Sind sicher nicht zufällig in Führung gegangen"
Die Statistik gibt Rangnicks Wahrnehmung insofern recht, dass Österreichs Remis mit einem Expected-Goal-Wert von 0,67 zu 1,09 tatsächlich etwas glücklich anmutet.
Tatsächlich hielt das ÖFB-Team aber über die fast gesamte Spieldauer toll gegen die Nummer vier der Welt dagegen und hätte mit etwas Glück sogar als Sieger vom Feld des König-Baudouin-Stadions stolzieren können.
"Wir haben gesehen, dass wir, wenn wir unsere Spielweise durchziehen, einem solchen Gegner über weite Strecken - nicht immer - Probleme bereiten können", kann Rangnick gut mit dem ÖFB-Auftritt leben.
Speziell die rot-weiß-rote Anfangsphase, in der Österreich dem Gastgeber mit hohem Pressing zusetzte, gefiel dem 64-Jährigen gut: "Wir haben richtig gut begonnen und sind sicher nicht zufällig in Führung gegangen. Wenn wir die ein oder andere Situation zielstrebiger zu Ende gespielt hätten, dann hätten wir vielleicht sogar das zweite Tor in dieser Phase machen können."
Die besten Bilder des ÖFB-Teams gegen Belgien
Rangnick will "milde" mit den Spielern sein
Erst nach dem österreichischen Führungstreffer konnte sich Belgien immer besser auf das hohe Anlaufen des ÖFB-Teams einstellen und wurde selbst über die extrem umtriebigen Flügelspieler Jeremy Doku und Dodi Lukebakio ein ums andere Mal gefährlich.
"Gegen Ende der ersten Halbzeit hatten wir dann Probleme, sie vom Tor fern zu halten, hatten nicht mehr den gleichen aggressiven Zugriff wie in der ersten halben Stunde. Das hat sich bis zum Ausgleich fortgesetzt", ärgert sich Rangnick.
Im gleichen Atemzug relativiert er allerdings: "Am Ende einer langen Saison muss man ein bisschen milde mit den Spielern sein, weil diese Spielweise sehr laufintensiv ist. Wenn man die Belgier ständig weghalten will, wenn man sie stoppen will, nicht ins Dribbling kommen lassen möchte, muss man immer rechtzeitig da sein."
Obwohl viele Spieler beider Seiten in dieser Saison bereits über 40 Pflichtspiele absolviert haben (Nicolas Seiwald oder Michael Gregoritsch etwa bestritten in Brüssel jeweils ihr 49. Saisonspiel), sei die Partie, "was die Physis und die Intensität angeht, von beiden Seiten auf extrem hohen Niveau geführt" gewesen.
Das fehlt noch auf Nationen wie Belgien
Der belgische Ausgleich durch Romelu Lukaku eine gute halbe Stunde vor Schluss dürfte bei beiden Teams neue Kräfte freigesetzt haben. Eine zuvor schon intensive Partie entwickelte sich in der Schlussphase zu einem wilden Schlagabtausch, der jedwedes Ergebnis hervorbringen hätte können.
"In der Phase nach dem Ausgleich gab es zehn Minuten, in denen das Spiel hin und her ging. Für meinen Geschmack ein bisschen zu viel. Wir hatten da unsere beste Phase, um selbst in Führung zu gehen", trauert Rangnick einer Großchance von dem in dieser Saison schon so torgefährlich gewesenen Stefan Posch nach.
Der Deutsche hält fest: "Die Parade von Thibaut Courtois gegen Posch - da gibt's nicht viele Torhüter, die den Ball halten."
Der Keeper von Real Madrid ist einer der Aspekte, die Rangnick sofort einfallen, als er nach dem gefragt wird, was Österreich noch auf Topmannschaften wie Belgien fehlt.
Ein anderer sind die dribbelstarken Flügelspieler, die Rangnick in Österreich besonders abgehen: "Der Unterschied ist, dass sie teilweise über herausragende dribbelstarke Spieler am Flügel verfügen. Da haben sie fast schon zu viele von solchen Spielern, die extrem schwer zu verteidigen sind, im Kader."
Besonders ein belgischer Edelzangler hat es dem ÖFB-Teamchef besonders angetan: Dodi Lukebakio, der an der Enstehung des 1:1 maßgeblichen Anteil hatte. "Dass Hertha BSC mit einem solchen Spieler wie Lukebakio abgestiegen ist, macht den Abstieg noch brutaler", so Rangnick dazu.
Rangnick fordert Sieg gegen Schweden
Mit nun sieben Punkten aus drei Spielen sowie der Tabellenführung der Gruppe F in der Tasche ist das ÖFB-Team weiterhin voll auf Kurs Richtung Europameisterschaft 2024.
"Mit sieben Punkte aus den ersten drei Spielen wären wir im Vorfeld einverstanden gewesen, aber am Dienstag kommt es zuhause zu einem extrem wichtigen Spiel. Dann kommt die Mannschaft, die wir versuchen, hinter uns zu lassen. Da braucht es einen Sieg und drei Punkte", gibt Rangnick die Marschroute für das Heimspiel gegen Schweden (Dienstag, 20:45 im LIVE-Ticker) vor.
Für das womöglich schon vorentscheidende Duell mit dem wohl härtesten Konkurrenten um Rang zwei der Gruppe hofft Rangnick personell aus dem Vollen schöpfen zu können.
Bei Konrad Laimer sei es eine "Schmerzfrage", ein Einsatz am Dienstag ist noch offen. Kevin Danso stand beim Spiel in Brüssel etwas überraschend doch im Kader, sollte im Ernst-Happel-Stadion also eine Option sein. Neue Verletzte gibt es nach dem Belgien-Spiel keine.
Zudem wünscht sich der Teamchef eine planmäßige Abreise aus Belgien, nachdem es bei der Hinreise per Charterflug zu einer fünfstündigen Verspätung kam.
"Ich will, dass wir jetzt nichts anderes machen, als so viel wie möglich zu schlafen, gut zu essen, die Speicher wieder aufladen und hoffentlich morgen pünktlich zurückfliegen", lautet das Rangnicksche Regenerations-Rezept für die kommenden drei Tage.
Eines ist sicher: Gegen Schweden wird Rangnick mit nur einem Punkt wohl nicht allzu gut leben können...