Ralf Rangnick ist als Trainer bekannt, der immer äußerst hohe Erwartungen an seine Mannschaften hat. Das gibt er selbst zu.
"Aber ich hätte es den Jungs auf diese Art und Weise, wie sie es gemacht haben, heute nicht unbedingt zugetraut. Ich hätte nicht geglaubt, dass wir so ein gutes Spiel in dieser Konstellation machen können", gesteht der Deutsche auf der Pressekonferenz nach der unglücklichen Niederlage gegen Belgien im Showdown um das EURO-Ticket (Spielbericht>>>) unumwunden.
Rangnicks Überraschung rührt daher, dass das ÖFB-Team mit David Alaba, Marko Arnautovic, Stefan Posch, Phillipp Mwene oder Michael Gregoritsch am Freitag gleich fünf potenzielle Startelf-Spieler verletzt vorgeben musste, und auch von der Qualität des Gegners.
"Wir sind ja keine Traumtänzer. Dass du so ein Spiel, in der personellen Situation, in der wir uns befunden haben, theoretisch auch verlieren kannst, war uns schon auch klar", sagt der Teamchef, der in der Formierung seiner Startelf diesmal kreativ werden musste.
Pressing funktionierte trotz Umstellungen
So kam Nicolas Seiwald diesmal auf der ungewohnten Position des Rechtsverteidigers zum Einsatz, Florian Grillitsch durfte im zentralen Mittelfeld erstmals in der laufenden Quali von Anfang an ran und im schwer von Verletzungen geplagten Sturm lief etwas überraschend Debütant Manprit Sarkaria auf.
Diese ÖFB-Teamspieler debütierten bisher unter Rangnick
Das 4-4-2, in welchem die Österreicher aufs Feld geschickt wurden, präsentierte sich trotz vermeintlich geringer Eingespieltheit von Anpfiff an im Pressing sehr homogen und setzte die Belgier so rasch unter Druck.
"Ich finde, dass wir schon in der ersten Halbzeit, vor allem aber in den ersten zehn Minuten von Halbzeit zwei ein extrem mutiges Spiel gemacht haben. Wir haben den Belgiern große Probleme bereitet und richtig viele Balleroberungen gehabt", freut sich Rangnick über die gelungene Umsetzung seiner Pressing-Idee.
Nach eben diesen Balleroberungen wurde dann aber doch offensichtlich, dass am Rasen des Ernst-Happel-Stadions eine rot-weiß-rote Mannschaft steht, die in dieser Konstellation noch nie gemeinsam kickte.
Man habe "am Ende nicht immer den letzten Pass gespielt", ärgert sich Rangnick. Kam Österreich doch zu guten Chancen, wurden diese unglücklich liegen gelassen, während sich Belgien im Konter brandgefährlich zeigte und nach rund 60 Minuten und ziemlich gegen den Spielverlauf 3:0 führte - auch wegen eines unzureichenden Defensiv-Verhaltens der ÖFB-Abwehr.
"Haben bei allen drei Gegentoren nicht gut ausgesehen"
"Wir haben bei allen drei Gegentoren nicht gut ausgesehen", findet Rangnick.
Und er meint damit das schlechte Zweikampfverhalten von Philipp Lienhart vor dem 0:1 ("Wir wissen, dass Lukebakio technisch stark und schnell ist, aber trotzdem darf er da nicht vorbeikommen"), der unnötige Ballverlust und das anschließende Foulspiel von Patrick Wimmer vor dem abgefälschten Treffer zum 0:2 ("Wir haben zwei Mal den Ball, geben ihn zwei Mal wieder her und der Freistoß ist auch zwei Mal abgefälscht") und die schwach verteidigte Umschaltsituation vor dem 0:3 ("Wir sind fünf gegen zwei in Überzahl und haben es trotzdem nicht ordentlich verhindert").
So schien die Partie rund eine halbe Stunde vor Schluss plötzlich entschieden.
"Normalerweise ist das Spiel dann durch. Doch die Jungs haben gezeigt, dass sie selbst nach dem 0:3-Rückstand noch an sich geglaubt haben."
"Normalerweise ist das Spiel dann durch. Doch die Jungs haben gezeigt, dass sie selbst nach dem 0:3-Rückstand noch an sich geglaubt haben", streicht Rangnick bei "ServusTV" die Moral seiner Mannschaft hervor.
Zuerst Kapitän Konrad Laimer nach einer starken Einzelaktion, dann ein Ausschluss gegen Belgiens Sechser Amadou Onana und schlussendlich Marcel Sabitzer vom Elfmeterpunkt führten eine richtige heiße Schlussphase herbei, in welcher "die Belgier gezittert und den Schlusspfiff herbeigesehnt haben", wie Rangnick beobachtete.
Hat Österreich zu wenige, oder Belgien zu viel Tore geschossen?
Trotz einer bemühten Schlussoffensive gelang Österreich der Ausgleich allerdings nicht mehr. Das liegt auch an der mangelnden Chancenauswertung, die sich durch das gesamte Spiel zog.
Das ÖFB-Team beendete die Partie schlussendlich mit einem Expected-Goals-Wert von 1,93, erfüllte die statistischen Erwartungen also fast punktgenau. Eiskalte Belgier hingegen wiesen einen Expected-Goals-Wert von 1,06 auf, netzten also fast zwei Mal öfter als statistisch berechnet.
Oder wie Rangnick es ausdrückt: "Wir hatten 16 zu 8 Torschüsse, haben aber leider ein Tor zu wenig geschossen - oder eines zu viel kassiert."
Das 2:3 fühle sich insgesamt "komisch" an und sei "ärgerlich", so der Deutsche. Schlussendlich überwiegt trotz der verpassten vorzeitigen Qualifikation aber der Stolz bei ihm: "Ich kann heute nur sagen: Kompliment an die Jungs. Sie haben es richtig gut gemacht und hätten mehr verdient gehabt als ein 2:3."
Nicht alles richtig gemacht, aber Leistung insgesamt gut
Nun sei der Blick aber bereits nach vorne und damit in Richtung Osten gerichtet. Am Sonntag tritt das ÖFB-Team die lange Flugreise nach Baku, wo am Montag die EURO-Teilnahme endgültig unter Dach und Fach gebracht werden soll, an.
"Wir wollen es am Montag klar machen, das ist das klare Ziel. Aber das wird ein anderes Spiel. Aserbaidschan ist eine Mannschaft, die versucht, sehr stark über den eigenen Ballbesitz zu kommen. Wir werden das Spiel so angehen, dass wir am Montag aus eigener Kraft alles klar machen können", verspricht Rangnick.
Ein Abwehrspieler könnte für das Spiel in Aserbaidschan ausfallen>>>
Am Montag wartet auf das ÖFB-Team neben der Chance aus das vorzeitige EURO-Ticket auch jene, einen trotz der Niederlage zufriedenen Teamchef noch zufriedener zu machen:
"Wir haben mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht. Aber, was wir heute insgesamt auf den Platz gebracht haben, war gut."