Fußball-Österreich (und bisweilen wohl auch darüber hinaus) schwimmt voll auf der EUROphorie-Welle. Rot-Weiß-Rot ist bei der EM in Deutschland das Team der Stunde.
Ein Zeugnis dafür ist, dass ein Teamchef - es war wohl das erste Mal überhaupt - in die ZIB2 eingeladen wurde. Ralf Rangnick war am Donnerstag in der Nachrichten-Sendung des ORF zu Gast.
Dort nahm er sich Zeit, sprach über die sportlichen Erfolge des ÖFB-Teams und das "Geheimrezept", welches die Mannschaft so stark macht. "The Burschen", wie sie US-Sender CNN bezeichnete, mache "einfach die Energie, die wir auf den Platz bringen" so stark.
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Als Qualitätsmerkmal hob er hervor, dass man sogar die Ausfälle der beiden Schlagers Alex und Xaver, von Sasa Kalajdzic und nicht zuletzt Kapitän David Alaba enorm gut verkraftet habe.
Rosen für Alaba
Dem etatmäßigen Kapitän streute er einmal mehr Rosen. "Wie er sich aufopfert, so etwas ist in allen anderen Ländern eigentlich fast unvorstellbar", meint Rangnick. Denn immerhin steckt der 32-Jährige mitten in der Reha nach seinem Kreuzbandriss, warf seinen kompletten Urlaub über Bord, um als "Non playing Captain" bei der Truppe zu sein.
Ein Alaba, der auch unter diesen Umständen alles für das Team gibt. "So stelle ich mir nicht nur Fußball vor, so stelle ich es mir auch im normalen Leben vor", stimmt Rangnick auch einmal mehr nachdenkliche Töne an. Schon im Zuge der März-Länderspiele warnte er im "Standard" vor der Gefahr, dass "die Rechtsextremen an die Macht kommen".
Auch im ZIB-Studio äußert sich der 65-Jährige ausführlich dazu und untermauerteseine Haltung zu diesem Thema. War es früher, und oft auch heute noch, ein geflügeltes Wort, dass Sport und Politik zwei voneinander getrennt zu behandelnde Lebensbereiche seien, sieht Rangnick das anders.
Warum es wichtig ist, etwas zu sagen
"Ich glaube, wir leben jetzt in einer so bewegten Zeit, dass man nicht mehr sagen kann: Das eine ist Sport und das andere ist Politik und die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun", stellt er klar. Es spricht für Rangnick, dass er sich an dieses sensible Thema herangewagt. Denn er hat da wenig zu gewinnen, da werden sich Gegner und Befürworter dieser Haltung vermutlich einig sein.
"Ich halte es für wichtig, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, zu diesen Themen auch Stellung beziehen", meint Rangnick.
Es ist ihm anzumerken, wie wichtig ihm die Thematik, der Ruck nach rechts, vor dem auch Frankreich-Star Kylian Mbappe jüngst warnte, ist. Rangnick macht die Geschichtsvergessenheit in seiner Heimat, ebenso wie hierzulande, sichtlich Sorgen. "Auf dem rechten Auge müssen wir sehr wachsam sein", warnt er.
Was uns die Geschichte lehrt - oder lehren sollte
"Ich glaube, gerade die Geschichte unserer beiden Länder in den letzten 100 Jahren, sollte uns eigentlich Lehre genug sein. Wenn jemand nach diesen 100 Jahren noch immer nicht verstanden hat, was uns regelmäßig ins Verderben geführt hat und wirklich zu den schlimmsten Verwerfungen geführt hat, die man sich nur vorstellen kann - dem kann man wirklich nicht helfen", so der Teamchef.
Deswegen sei der Sport und insbesondere der Fußball ein Rolemodel, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken: "Wenn man sich vorstellt, wie heterogen diese Mannschaften (bei der EM, Anm.) zusammengestellt sind (...) ein besseres Beispiel für Diversität und Zusammenhalt als den Fußball kann es nicht geben."
Er wünsche sich, "dass wir uns gegenseitig wertschätzen und anerkennen und nicht Menschen nach irgendwelchen Kriterien bewerten, die über das Zwischenmenschliche hinausgehen."
So wie es das österreichische Nationalteam tut, das ein ganzes Land in Freudentaumel versetzt und Menschen zusammenbringt, von denen man es sich zuvor vielleicht nicht gedacht hätte.
Umso länger der Weg dieses Teams bei der EURO dauert, umso besser. In jeder Hinsicht.