Warum hat Österreich eigentlich keinen Jan Oblak?
Mit Fragen wie diesen soll und wird sich in Zukunft Robert Almer auseinandersetzen, der vom ÖFB nicht nur als Tormanntrainer des Nationalteams installiert wurde, sondern auch allgemein die rot-weiß-rote Entwicklung am Goalie-Sektor vorantreiben soll - in Kombination mit Roland Goriupp, dem Leiter der Tormanntrainer-Ausbildung.
Im ÖFB-Camp in Klagenfurt stand aber vorerst einmal die Wiedersehensfreude im Vordergrund, auch wenn gar nicht mehr so viele ehemalige Kollegen dem Kader angehören.
Aleksandar Dragovic empfing den Steirer jedoch gleich mit dem Hinweis, dass er "blad" geworden sei.
"'Drago' hat geglaubt, er muss ein paar Schmähs bringen. Er ist immer sehr direkt, das zeichnet ihn aus, da werde ich ihm nicht böse sein", lacht Almer, "aber ich bin schon gespannt, wie er nach der Karriere ausschauen wird. Ich werde die nächsten Wochen und Monate aber nutzen, um mich wieder in Form zu bringen, damit auch er zufrieden ist."
Dem ÖFB etwas zurückgeben
Das persönliche Fitness-Programm ist unter der Doppelbelastung beim SV Mattersburg als Sportdirektor und Tormanntrainer womöglich zu kurz gekommen. Dies wird nun nachgeholt.
Offizieller Dienstbeginn beim ÖFB ist nämlich erst am 1. August. Nach diesem Lehrgang nimmt Almer noch eine Auszeit, um Zeit mit seiner Familie verbringen zu können.
"Für mich steht im Vordergrund, dem ÖFB etwas zurückzugeben. Ich war von der U15 bis zum A-Team eigentlich immer im Nationalteam. Als Spieler nimmt man sehr gerne und bekommt viele Möglichkeiten, sich zu zeigen. Daher ist es für mich eine Herzensgelegenheit, etwas zurückzugeben", nennt der 35-Jährige eines der Motive für den Job-Wechsel.
Ein anderes ist die Gelegenheit, etwas zu bewegen. Denn die eingangs erwähnte Frage treibt auch Almer an.
Almer will "österreichischen Weg" definieren
"Fakt ist, dass wir, wenn man es mit anderen Nationen vergleicht, aktuell keinen Torhüter haben, der bei einem Topklub international spielt. Daher ist es das Ziel, in den nächsten fünf bis zehn Jahren wieder an die Spitze heranzukommen."
"Fakt ist, dass wir, wenn man es mit anderen Nationen vergleicht, aktuell keinen Torhüter haben, der bei einem Topklub international spielt. Daher ist es das Ziel, in den nächsten fünf bis zehn Jahren wieder an die Spitze heranzukommen", erklärt der 33-fache Nationalspieler.
Almer selbst hat eine gute Nationalteam-Karriere hingelegt - mit der EURO 2016 als Höhepunkt. Auf Vereinsebene hatte aber auch er im Ausland Schwierigkeiten, sich als Nummer eins zu etablieren.
Eine konkrete Antwort auf die Frage habe er selbst noch nicht: "Dem werden wir jetzt auf den Grund gehen und versuchen, es zu ändern. Das kann man nicht vom einen Tag auf den anderen machen. Man muss im Nachwuchs ansetzen und versuchen, die richtigen Schritte zu setzen."
Ein Beispiel? "Ich kann jetzt nur aus meiner Sicht sprechen, wie meine Karriere verlaufen ist. Ich denke, dass es wichtig sein wird, dass man sich auf einen einheitlichen Weg einigt, damit man, wenn man einen Vereins-Wechsel hat, nicht wieder bei Null beginnt und beispielsweise eine komplett neue Technik lernen muss. Dafür wird es wichtig sein, alle in ein Boot zu kriegen und eine gemeinsame Idee zu entwickeln."
Gemeinsam mit Goriupp wolle er versuchen, einen "österreichischen Weg" zu finden. Dafür sei intensiver Austausch mit den Vereins- und Akademie-Torwarttrainern wichtig: "Es wird in Zukunft auch mein Aufgabengebiet sein, mit Roland einen Weg vorzugeben und ihn gemeinsam mit den anderen Tormanntrainern zu beschreiten, um einfach die Torhüter-Ausbildung auf ein höheres Level zu bringen."
Almer beurteilt den Status quo
Um in Richtung Weltklasse zu gehen, würden gerade in jungen Jahren viele Faktoren mitspielen, die entscheiden, in welche Richtung es gehen kann.
Auch wenn dem ÖFB-Team derzeit der international anerkannte Ausnahmekönner fehlt, ist die Breite momentan besser als noch vor einigen Jahren. Heinz Lindner hat sich als Nummer eins im Nationalteam etabliert. Dahinter entschied sich Teamchef Framco Foda diesmal für Cican Stankovic und Pavao Pervan.
Richard Strebinger hatte das Nachsehen, ist jedoch fest entschlossen, sich den Platz im Aufgebot zurückzuerobern. Jörg Siebenhandl verbrachte diese Saison auf Abruf, wo sich auch Kilmarnock-Legionär Daniel Bachmann befindet, der auf seine erste Chance lauert.
"Wir haben sehr viele gute Torhüter, die für das Nationalteam in Frage kommen", findet Almer, "der Teamchef hat jetzt die Entscheidung getroffen, dass die drei dabei sind. Das soll aber auch ein Ansporn für die anderen sein, weiter Gas zu geben."
"Alle haben schon gezeigt, dass sie auf sehr hohem Level spielen können. Heinz hat einen Vereins-Wechsel vor sich, bei Daniel Bachmann weiß man nicht, wo es hingeht, auch bei Strebinger ist offen, wie es ausschaut, was man aus den Medien hört. Es sind sehr viele Fragezeichen. Lassen wir uns einfach mal in der Sommerpause überraschen, was passiert."
Der Unterschied zum Verein
Bevor er sich dem großen Tormann-Ganzen in Österreich widmet, liegt der Fokus in dieser Woche auf der Arbeit am Platz. Lindner kennt Almer schon von der Zusammenarbeit aus aktiven Tagen.
"Der Eindruck von Robert als Trainer ist sehr positiv, die Trainings sind sehr gut. Die Schüsse und Übungen treffen genau das, was ich brauche. Ich bin der Überzeugung, dass er jeden von uns gut auf die Spiele vorbereitet", meint der bisherige Grasshoppers-Legionär.
"Natürlich ist die Arbeit beim Verein anders als beim Nationalteam. Im Klub ist es doch eher auf eine langfristige Entwicklung aufgebaut. Die Zeit, die Torhüter zu entwickeln, hast du beim Nationalteam nicht."
Und genau darauf liegt im Nationalteam noch mehr das Hauptaugenmerk im Vergleich zum Verein - die unmittelbare Matchvorbereitung. "Gerade nach einer langen Saison wird versucht, dass man die Sicherheit beibehält und auf seinem Level bleibt. Wenn es dann in Richtung Spiel geht, gilt es sich dann spezifisch auf die jeweiligen Gegner vorzubereiten", erläutert Lindner.
Laut Almer gehe es im Nationalteam nicht darum, die Torhüter technisch auszubessern, sondern am Tag X müssten sie das notwendige Selbstvertrauen haben, um Bälle zu halten:
"Aber ich würde gar nicht sagen, dass es nur matchbezogen ist. Natürlich ist die Arbeit beim Verein anders als beim Nationalteam. Im Klub ist es doch eher auf eine langfristige Entwicklung aufgebaut. Die Zeit, die Torhüter zu entwickeln, hast du beim Nationalteam nicht. Du musst versuchen, dass die Torhüter bis zum Spiel auf den Punkt fit sind."
Foda war Almers Trainer bei den Sturm Amateuren
Zum Lob Lindners grinst er: "Da wär' er jetzt aber schön blöd, wenn er was anderes gesagt hätte."
Die Entscheidung, wer spielt, würde Foda treffen: "Es wäre gerade jetzt auch unseriös, wenn ich eingreifen würde, weil ich bis jetzt noch nicht so nahe an der Mannschaft und auch in die Vorbereitung auf den Lehrgang nicht so involviert war aufgrund meines Jobs in Mattersburg. Daher trifft die Entscheidung ganz alleine der Trainer."
Die Wege von Foda und Almer haben sich übrigens bereits vor mehr als eineinhalb Jahrzehnten erstmals gekreuzt:
"Franco war mein Trainer bei den Sturm Amateuren. Wir sind damals Landesliga-Meister in der Steiermark geworden, also habe ich eine gewisse Vergangenheit mit ihm. Mit Imre Szabics habe ich ein halbes Jahr bei den Profis von Sturm zusammentrainiert. Also wir kennen uns schon."