"Das ist eine gute Frage", hält Romano Schmid kurz inne, "darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht."
Die Frage lautete, ob er sich vor dem EM-Quali-Showdown gegen Belgien (Freitag, 20:45 Uhr im LIVE-Ticker) Chancen auf die Startelf ausrechnen würde.
Der Legionär beim SV Werder Bremen hat bislang vier Länderspiele absolviert, allesamt als Joker.
Unter normalen Umständen würde er wohl auch im Duell um den Gruppensieg die Bank drücken. Aber da die personellen Umstände derzeit bekanntlich nicht wirklich normal sind, könnte man schon mal spekulieren.
"Es wäre ja gelogen..."
Und das tut auf Nachfrage natürlich auch Schmid. "Es wäre ja gelogen, wenn ich sage, ich würde nicht gerne von Beginn an spielen", sagt der Offensivspieler, betont jedoch gleichzeitig:
"Aber ich weiß auch, dass wir eine richtig gute Mannschaft haben, egal wie viele Spieler ausfallen. Gerade auf meiner Position haben wir schon richtig viel Qualität. Nichtsdestotrotz ist mein Ziel natürlich, Spielzeit zu bekommen. Sonst würde ich ja nicht Fußball spielen. Egal wie viel Einsatzzeit, ich werde bereit sein."
Bislang hat Schmid im Laufe dieser Quali eine Minute gegen Estland zu Buche stehen.
Egal ob von Beginn an oder als Joker: Genau bei diesen Gelegenheiten zu überzeugen, ist der Weg, sich in der internen Hackordnung nach oben zu arbeiten. Und die vielen Ausfälle könnten fraglos helfen, dass der Steirer diesmal eine solche Gelegenheit bekommt.
Mental so gut wie selten zuvor
Die aktuelle Form würde es hergeben: "Das ist eine sehr gute Saison von mir bisher. Ein, zwei Scorer-Punkte mehr wären mit ein bisschen Glück drinnen gewesen. Aber ich fühle mich mental so gut wie selten zuvor."
Schmid ist im offensiven Mittelfeld von Werder gesetzt. Beim 2:3 gegen Hoffenheim bejubelte er am Wochenende sein erstes Saison-Tor.
Es ist bereits seine vierte Spielzeit in der Hansestadt. 96 Pflichtspiele für Werder hat er bereits in den Beinen, der Hunderter ist also in Sicht.
"Der Verein bedeutet mir sehr viel. Mein Sohn ist in Bremen geboren, meine Verlobte und ich fühlen uns sehr wohl. Das Umfeld ist super, die Stadt und die Fans sind herausragend", lobt der 23-Jährige.
Füllkrug-Abgang als Chance
Dass es persönlich so gut läuft, führt Schmid weniger auf die Kontinuität zurück, sondern auf eine gute Vorbereitung kombiniert mit der Transferpolitik.
"Eventuell hat sich durch Abgänge, zum Beispiel jenen von Niclas Füllkrug, eine Chance ergeben. Irgendwer muss ja das Spiel an sich reißen, weil sonst schon viel über 'Fülle' gelaufen ist. Das gelingt mir bis dato ganz gut."
Gut, an Körpergröße fehlen dem Grazer rund 20 Zentimeter auf den zu Borussia Dortmund abgewanderten Stürmer, aber dass er ein Offensivspiel beleben kann, ist kein Geheimnis.
"Vor allem für uns Österreicher, die in der Nähe sind und manchmal ein bisschen im Schatten stehen, ist das eine riesige Chance."
Mit 17 avancierte er in Diensten des SK Sturm Graz zum ersten in den 2000ern geborenen Schützen eines Bundesliga-Tors.
Der Hype als Vor- oder Nachteil?
Allzu gering war der Hype schon davor nicht. Nur wenige Wochen später folgte der aufsehenerregende Wechsel zum FC Red Bull Salzburg, wo ihm der Durchbruch jedoch versagt blieb.
Werder kaufte ihn im Jänner 2019 kurz vor seinem 19. Geburtstag und verlieh ihn für eineinhalb Jahre an den Wolfsberger AC, bei dem er auch international aufzeigen konnte.
Ob es eigentlich mit einigen Jahren Abstand ein Vor- oder Nachteil gewesen sei, dass er schon in so jungen Jahren gehypt worden ist?
Auch darauf gibt es keine einfache Antwort.
Die mediale Erwartungshaltung
"Ob es ein Vorteil oder ein Nachteil war, möchte ich nicht beurteilen. Ich weiß, dass ich früher richtig gut war - und wahrscheinlich auch immer noch bin", grinst Schmid.
Gleichzeitig schlägt er ein wenig ernsthaftere Töne an, die doch eine etwas erhöhte Erwartungshaltung an Talente wie ihn durchblicken lässt.
"Wenn man in jungen Jahren früh in den Medien steht, ist die Frage immer, was die Medien von einem erwarten", sagt Schmid.
Von einem Spieler wie ihm wird schnell erwartet, dass er heraussticht. Dies in jedem Spiel zu tun, sei jedoch schwierig, wenn man nicht bei einem Top-5-Klub in einer Topliga spielt: "Dann kannst du nicht sagen, du reißt das Ruder rum. Du kommst ja trotzdem übers Kollektiv, das muss als Mannschaft funktionieren. Wenn du ein normales Spiel drinnen hast und die Mannschaft verliert, ist nicht immer nur der eine, der herausstechen könnte, der Schuldige, warum es nicht klappt."
Eines der schönsten Karriere-Spiele
Die Erwartungshaltung in Österreich ist fraglos, dass sich das Nationalteam für die EURO qualifiziert - im Idealfall bereits gegen Belgien.
"Die Chance, vor ausverkauftem Haus das Ticket zu lösen, hat man nicht jeden Tag. Wenn ich mir das ausmale, ist es wahrscheinlich eines der schönsten Spiele in meiner bisherigen Karriere", findet Schmid.
Als Deutschland-Legionär eine EURO in Deutschland zu spielen, wäre ohnehin etwas Besonderes:
"Es gibt kaum Länder, die noch fußballverrückter sind. Man muss sich nur den Zuschauerschnitt in der Bundesliga und der zweiten Liga anschauen. Die EURO 2024 wird ein Fußball-Fest. Vor allem für uns Österreicher, die in der Nähe sind und manchmal ein bisschen im Schatten stehen, ist das eine riesige Chance. Entsprechend groß ist die Vorfreude."