"It had to be him", überschlägt sich der Kommentator beinahe vor Freude.
Gut möglich, dass manche Momente einfach genau so passieren müssen, wie sie eben passieren. So wie dieser:
Flanke, Sasa Kalajdzic steigt hoch, bugsiert den Ball ins Tor, schnappt sich das Spielgerät, bringt es unter seinem Trikot unter, steckt den Daumen in den Mund und formt dann ein Herz in Richtung Tribüne.
Die Emotionen eines Augenblicks
Es muss unfassbar gewesen zu sein, bei diesem 1:0-Sieg von Wolverhampton gegen Everton kurz nach der Einwechslung der Vater des Erfolgs zu sein - vor allem nach der einjährigen Leidenszeit davor.
Aber gleichzeitig aller Welt zu verkünden, dass man Vater wird, ist wohl noch unvergesslicher, weil am Ende halt auch viel wichtiger als jedes Tor.
"Es war ein toller Moment und auf jeden Fall eine Genugtuung, nach der langen Verletzungspause wieder zu treffen. Es war erst mein drittes Premier-League-Spiel überhaupt. Aber für mich haben andere Dinge im privaten Leben überwogen. Das hat diesen Moment noch mal schöner gemacht", erzählt Kalajdzic.
Seine Verlobte Lorena saß auf der Tribüne, ihr galten die Emotionen dieses Augenblicks: "Ich habe schon geplant, dass ich treffe und dann ist es auch wirklich passiert. Damit kann man nie rechnen, aber Gott sei Dank..."!
Dreiteilige Dokumentation über den Weg zurück
Ziemlich genau ein Jahr davor haben eindeutig die negativen Emotionen überwogen.
Gleich in seinem ersten Premier-League-Spiel gegen Southampton riss das Kreuzband des Stürmers.
Es war ein Déjà-vu der bitteren Sorte, denn auch unmittelbar nach seinem Wechsel zum VfB Stuttgart zog er sich im Sommer 2019 eine schwere Knieverletzung zu.
Der Weg zurück war natürlich schwer. Wie schwer, kann jeder, der möchte, in einer dreiteiligen Dokumentation auf Youtube verfolgen. Dies hier ist der dritte Teil mit dem Happy End:
Das Motiv? "Ich will es meinen Kindern zeigen"
Der Hintergrund des Projekts sei gewesen, dass Wolverhampton einen ähnlichen Film schon einmal mit Raul Jimenez nach einer Verletzung gedreht hat, was sehr gut angekommen sei.
"Sie haben mich gefragt: 'Möchtest du das auch machen?' Das war in den drei, vier Tagen zwischen Verletzung und OP. Ich habe gesagt: 'Passt, machma!'"
Zur Erinnerung: Das Unglück passierte erst wenige Tage, nachdem der Transfer auf die Insel finalisiert worden war. Letztlich ist es also auch ein Bewegtbild-Zeugnis des ersten Jahres in einem neuen Land.
"Mein Motiv war, dass ich es hoffentlich irgendwann meinen Kindern zeigen kann. Außerdem ist es für mich persönlich eine Erinnerung. Ich habe auch schon meine erste Verletzung dokumentiert, aber vielleicht nicht so privat wie diese hier."
Zwei Betrachtungsweisen
Natürlich sei es schön, wenn positive Kommentare wie "Sasa, du hast es geschafft" kommen, aber letztlich sei es im konkreten Fall egal, was andere Leute davon halten.
Ein verständlicher Gedanke, denn letztlich war er selbst es, der diese Phase gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin durchstehen musste.
"Die ersten Monate waren wirklich hart mit all den Umständen, von denen ihr nichts wisst. Du konntest nichts machen, bist die ganze Zeit dort", berichtet der 26-Jährige.
Hat es geholfen, dass er aus Stuttgart wusste, was kommt? "Das kannst du in beide Richtungen betrachten. Du hast es ein Mal erlebt und weißt, was auf dich zukommt. Andererseits weißt du eben, was auf dich zukommt, und das ist zach."
"Ich habe nie daran gezweifelt"
Inzwischen versucht der Zwei-Meter-Stürmer nicht mehr zu viel auf den Weg zurückzublicken. Falls doch, dann erdet es:
"Wenn es mal nicht so läuft, denke ich mir: 'Hey, weißt du noch, wo du vor einem Jahr warst oder vor einem halben? Du hast darum gebettelt und wirklich davon geträumt, dass du wieder hier bist.' Ich versuche es mit einer gewissen Balance anzugehen."
Wie viel Kraft und Mut es gibt, wenn man zwei Mal von solch einer schweren Verletzung zurückkommt?
"Ich habe nie daran gezweifelt. Das Einzige, was mich hätte aufhalten können, ist mein Körper selbst. Wenn der Arzt gesagt hätte: 'Sasa, das schaut nicht gut aus', sind halt gewisse Kräfte da, die du nicht beeinflussen kann. Aber als der Doc gesagt hat, dass die OP super war und es nur noch an mir liegt, lag auch alles nur noch an mir."
Was fehlt? "Minuten!"
Natürlich würde das Knie manchmal eine Pause verlangen, aber alles in allem sei es sehr stabil und stark. Auch er selbst würde sich super fühlen.
"Ich bin vielleicht noch nicht so glücklich mit meinen Einsatzminuten in der Premier League. Ich mache mir schon einen gewissen Druck, weil ich jemand bin, der spielen möchte. Aber wenn man die ganze Situation mit Verletzung oder Trainerwechsel betrachtet, versuche ich meinen Weg Schritt für Schritt zu gehen."
"Ich möchte mich als Stammspieler etablieren und mir in der Premier League genau wie zuvor in der Bundesliga einen Namen machen."
Im League Cup durfte der Wiener in zwei Matches jeweils eine Stunde ran. Seine bislang 30 Einsatzminuten in der Premier League verteilen sich auf vier Partien.
Was ihm noch fehlt, ist für Kalajdzic daher leicht beantwortet: "Die Minuten!"
Zurück im positiven ÖFB-Flow
Im Training habe er nicht den Eindruck, dass er hinten dran sei. Wie lange er durchhalten würde, sei allerdings schwer abzuschätzen:
"Das müsste man sehen und peu a peu steigern, um irgendwann auf die 90 Minuten zu kommen. Aber bereits 90 Minuten auf vollstem Niveau draufgehen? Ich weiß es nicht. Es wäre auf jeden Fall eine Herausforderung."
Im ÖFB-Team ist dies auch noch nicht zwingend gefordert. Teamchef Ralf Rangnick betonte bereits bei der Kaderbekanntgabe, dass ein Einsatz von Anfang an noch zu früh kommen würde und Kalajdzic nur wegen der Blessuren von Marko Arnautovic und Michael Gregoritsch dabei sei.
"Das verstehe ich", sagt Kalajdzic und zeigt sich in erster Linie glücklich, wieder Teil einer Mannschaft zu sein, die "über die Quali ein großartiges Fundament aufgebaut hat, wirklich sensationell. Wenn man zurückkommt, freut man sich, dass man in diesen positiven Flow reinkommt."
In der Premier League einen Namen machen
Auch die Rückkehr in das ÖFB-Team war natürlich ein Ziel, das Kalajdzic angetrieben hat. Welche Ziele sind die nächsten?
"Immer Schritt für Schritt. Zuerst mehr Minuten. Ich möchte mich als Stammspieler etablieren und mir in der Premier League genau wie zuvor in der Bundesliga einen Namen machen."
Aber eines nach dem anderen. "Ich möchte einfach der beste Sasa sein, der ich sein kann."
Dieses Motto hat schon einmal gut funktioniert und ihn immerhin in die Premier League gebracht.