Sebastian Prödl hat seinen neuen Spitzennamen "Professor" Aleksandar Dragovic zu verdanken.
"Basti ist der Professor, Hinti der Jäger, und ich weiß, wann der Jäger aufs WC geht. Wir kennen uns in- und auswendig. Wir spielen auch schon ein paar Jahre zusammen", charakterisierte Dragovic das Vertrauensverhältnis mit Prödl und Martin Hinteregger in der ÖFB-Dreierkette.
"Na, bleiben wir bitte ganz normal bei Sebastian", lacht der Steirer auf die Frage, ob er inzwischen nur noch als Professor Prödl angesprochen werde, "ich habe das erst mit Verspätung erfahren, dass ich so genannt wurde. Unterm Tag wurde ich schon einige Male mit Herr Professor angeschrieben und ich habe mich nicht ausgekannt. Am Abend habe ich dann die Artikel gelesen. Ich finde es ganz lustig."
Das älteste Kadermitglied
In knapp zwei Wochen feiert Prödl seinen 31. Geburtstag. Von Professoren-Alter muss man also noch nicht zwingend sprechen, aber nach den Abschieden von einigen langjährigen Kadermitgliedern und in Abwesenheit von Andreas Ulmer (Jahrgang 1985) ist der Watford-Legonär plötzlich der älteste Spieler im Nationalteam. So schnell geht's.
"Letztens hieß es bei einer Besprechung, dass die Ältesten zuerst zur Anzug-Anprobe dürfen, und ich habe mich gefreut, dass ich vorne dabei bin. Dass ich dann wirklich der Erste war, hat mich dann aber doch verwundert."
"Wenn man weiß, man ist der Älteste, fühlt man sich tatsächlich alt, obwohl ich mich nicht alt fühle. Letztens hieß es bei einer Besprechung, dass die Ältesten zuerst zur Anzug-Anprobe dürfen, und ich habe mich gefreut, dass ich vorne dabei bin. Dass ich dann wirklich der Erste war, hat mich dann aber doch verwundert. Aber so durfte ich zumindest früher in die Mittagspause. Da war ich natürlich schon glücklich", grinst der Innenverteidiger.
Ansonsten bringe der Status als Team-Oldie maximal "kleine Vorrechte" mit sich. Er sei nie einer gewesen, der sich viel rausgenommen hat. "Ich bin froh, dass ich seit über zehn Jahren dabei bin, meine Leistungen abrufen kann und unabhängig vom Alter noch eine große Rolle spiele. Wir haben ja auch gerade ein schönes Jubiläum. Am 8. Juni 2008 war das erste Spiel bei der Heim-EURO."
Der letzte verbliebene ÖFB-Spieler der EURO 2008
Bei der EURO 2008 war Prödl das jüngste Mitglied des ÖFB-Kaders, zehn Jahre später ist er der letzte aktive Teamspieler unter den damaligen EM-Startern. "Ein Startschuss für Österreich" sei das damalige Turnier gewesen, der heimische Fußball hätte sich seither weiterentwickelt, die Aufmerksamkeit sei größer geworden - auch in Zeiten des geringeren Erfolgs.
"Vielleicht kam die EURO zu früh damals, aber für mich war es der perfekte Zeitpunkt. Ich war jung, ich wurde auf die deutsche Bundesliga vorbereitet, ich wurde auf den Druck vorbereitet, auf die Atmosphäre, auf eine ganz andere Erwartungshaltung. Für mich persönlich war das Turnier eine Hilfestellung, auch wenn es nicht erfolgreich war", spielt die Heim-EM im persönlichen Lebenslauf eine große Rolle.
68 Länderspiele hat Prödl inzwischen für Österreich absolviert. Ohne die eine oder andere Verletzungspause könnten es viel mehr sein. Auch der beinharte Konkurrenzkampf mit Dragovic und Hinteregger in den vergangenen Jahren kostete den einen oder anderen Einsatz. Dies änderte jedoch nichts daran, dass ein Stammplatz der eigene Anspruch blieb:
"Das war auf alle Fälle ein harter Konkurrenzkampf. Es gab eine Zeit, in der ich nicht so regelmäßig gespielt habe, aber ich habe immer gesagt, so lange ich das Gefühl habe, dass meine Leistungen und mein Leistungsniveau ausreichend sind, möchte ich dieses Anspruch auch stellen und habe ihn auch gestellt, als ich nicht gespielt habe. Das kommt jetzt einfach zurück und ich kann sagen, der Glaube an mich selbst war richtig."
Intensität "so hoch wie noch nie"
Dass Prödl zu den bisherigen Gewinnern der Teamchef-Ära von Franco Foda allgemein und dieses Lehrgangs im Speziellen gehört, ist kein Geheimnis. Gegen Russland und Deutschland drängten sich diverse Startelf-Mitglieder für Stammplätze auf, und folglich wird auch der Steirer nicht letztmals mit Dragovic und Hinteregger eine Dreierkette gebildet haben.
"Aktuell gibt es viele Spieler im Scheinwerferlicht. Es gibt jedoch auch Spieler, die nicht so zum Zug kommen, die auf dem Trainingsplatz jedoch eine hervorragende Leistung liefern und uns alle zu Höchstleistungen zwingen. Und das sage ich nicht, weil ich sie jetzt motivieren will, sondern das sage ich, weil sie uns motivieren."
Der Routinier weiß, dass ihm die Position in der Abwehrzentrale bestens liegt ("Ich fühle mich in der Rolle wohl und habe mich auch in den letzten Spielen gut gefühlt"), wird jedoch gleichzeitig nicht müde zu betonen, dass der Konkurrenzkampf für ihn genauso gelten würde, auch wenn er das Vertrauen des Teamchefs bislang zurückbezahlt habe.
Dass Prödl zum vom Foda viel zitierten Gerüst zählt, steht jedoch außer Frage, ebenso wie seine Führungsrolle. Zu den meinungsstärksten ÖFB-Kickern zählte er im vergangenen Jahrzehnt schon immer, nach dem Abgang einiger Sprachrohre muss er tendenziell noch mehr kommunikative Aufgaben übernehmen.
Da er inzwischen schon diverse ÖFB-Trainings unter verschiedenen Teamchefs und mit den verschiedensten Kollegen absolviert hat, darf man ihm so gesehen ruhig Glauben schenken, wenn er die aktuelle Qualität und vor allem Intensität hervorstreicht. "So hoch wie noch nie", sei diese nämlich.
Ein Lob, das Prödl vor allem als eines für die bisherigen Ersatzspieler verstanden wissen will, denn erst sie würden diese Intensität ermöglichen: "Aktuell gibt es viele Spieler im Scheinwerferlicht, die in den letzten zwei Spielen ihre Leistungen gezeigt haben. Es gibt jedoch auch andere Spieler, die aktuell nicht so zum Zug kommen, die auf dem Trainingsplatz jedoch eine hervorragende Leistung liefern und uns alle zu Höchstleistungen zwingen. Und das sage ich nicht, weil ich sie jetzt motivieren will, sondern das sage ich, weil sie uns motivieren."
Das Lob immer wieder rechtfertigen
Das Wissen, dass im Falle einer schlechteren Leistung ein potenzieller Ersatz schon bereitstünde, spornt die aktuell gesetzten Spieler spürbar an. "Wir haben gefühlte 77 Innenverteidiger. Da kann man sich nicht ausruhen, da sind keine Fehler erlaubt", brachte dies bereits Dragovic auf den Punkt.
Auch Prödl zeigt auf, dass sich die viel gelobten Mitglieder der ÖFB-Abwehr in jedem Spiel aufs Neue beweisen müssten - gerade gegen ein offensivstarkes Kaliber, wie es nun mit Brasilien wartet:
"Kriegst du gegen Brasilien drei Stück, heißt es vielleicht wieder, wir sind nicht in der Lage dazu. Aktuell genießen wir das Lob, das auf uns hereinprasselt, dieses Lob gebührt aber natürlich der ganzen Mannschaft. Das ist ein Verbund, der funktioniert. Aber wir drei kennen uns jetzt lange genug. Ich weiß, welche Stärken Dragovic hat und weiß ganz genau, wie ich mich im Spiel neben ihm verhalten kann. Das Gleiche gilt für Hinti. Wir wissen unsere Stärken und Schwächen gegenseitig einzuordnen, deswegen hat es auch so schnell funktioniert. Aber auch dieses Blatt kann sich wenden und wir können wieder eine auf den Deckel kriegen. Deswegen müssen wir auf alle Situationen vorbereitet sein, wobei es natürlich keine Lüge ist, dass es in den letzten Spielen sehr gut funktioniert hat."
Gegen Brasilien ausgeschlafen sein
Ebenso keine Lüge ist, dass mit der "Selecao" nun eine Offensivmacht wartet, die so manchem Gegner schlaflose Nächte bereiten kann. "Es wäre nicht gut, wenn wir schlaflose Nächte hätten, denn wir müssen gegen Brasilien ausgeschlafen sein", verdeutlicht Prödl. Der "Professor" erklärt auch warum:
"Wir haben die Brasilianer natürlich analysiert, da kommt geballtes Offensivspiel auf uns zu, sehr gute und sehr flinke Spieler, und mittlerweile auch eine sehr organisierte Mannschaft, was die Defensive betrifft. Es wird sehr schwer, aber umgekehrt glaube ich auch, dass die Brasilianer unser Spiel gegen Deutschland gesehen haben und sich darauf einstellen müssen. Sie können nicht nur anreisen und ihr Ding durchziehen wollen, sondern können auch unsere Gefahr sehen. Das ist vielleicht ein Plus-Punkt, den wir jetzt haben und den wir am Sonntag hoffentlich umsetzen können."