Wie viele Schwächephasen im jeweiligen Verein sich Österreichs Teamspieler noch erlauben können, wird in der Amtszeit von Ralf Rangnick spannend zu beobachten sein.
Der Deutsche tritt sein Amt jedenfalls im Vorhaben an, dies eher restriktiv handzuhaben.
"Ich bin - unabhängig vom Land - der Meinung, dass eine Nationalmannschafts-Nominierung immer etwas mit dem aktuellen Leistungsvermögen zu tun hat", unterstreicht Rangnick.
Die vergangene Saison sollte sich widerspiegeln und "nicht was in den zwei, drei, vier Jahren davor war. Es war eines unserer grundlegenden Prinzipien bei der Auswahl unserer Spieler, dass wir versucht haben, diejenigen einzuladen, die es aufgrund ihrer Leistungen in der abgelaufenen Saison verdient haben."
Kein gutes Zeichen für Dragovic
Zudem müsse der Kader ausgewogen zusammengestellt sein, um die Spielidee auf den Platz zu bringen. Anhand dieser Kriterien könne sich jeder selbst einen Reim auf den Kader machen.
Dass dieser Antwort eine Frage zu Aleksandar Dragovic zu Grunde liegt, ist tendenziell nicht das allerbeste Zeichen für den 100-fachen Teamspieler und aktuellen Double-Gewinner mit Roter Stern Belgrad.
Eigentlich wollte Rangnick bei seiner Antritts-PK als ÖFB-Chefcoach nicht auf diverse abwesende Personalien gesondert eingehen, aber Dragovic ist dann doch verdienstvoll genug, um das Fehlen zu begründen.
"Österreich ist im Bereich Innenverteidigung mit vielen guten Spielern gesegnet, die in vielen guten Ligen bei richtig guten Vereinen spielen und teilweise auch sehr erfolgreiche Saisonen hinter sich haben. Deswegen war es keine Entscheidung gegen Drago, sondern eher eine Entscheidung für die anderen", so der 63-Jährige.
Der eine oder andere richtig Gute zu viel
Die Ausgewogenheit des Aufgebots ist tatsächlich ein Kriterium, das man nicht unterschätzen sollte. Die Abwehrzentrale ist dafür ein hervorragendes Beispiel.
"Ich habe mit Andi Ulmer ein längeres Telefonat geführt und ihm erklärt, dass es jetzt mit 36 die Möglichkeit gibt, sich voll und ganz auf den Verein zu konzentrieren. Er hat noch ein Jahr Vertrag."
Auch in Abwesenheit des bisherigen Stamm-Duos Dragovic und Martin Hinteregger (verletzt) ist der Konkurrenzkampf dank Philipp Lienhart, Stefan Posch, Gernot Trauner, Maximilian Wöber, Kevin Danso und Marco Friedl nicht zu unterschätzen.
Dazu gesellt sich David Alaba, den Rangnick nur mehr in Notfällen links aufbieten möchte, was eine Nominierung in der Innenverteidigung am wahrscheinlichsten macht.
In der Innenverteidigung und im Mittelfeld-Zentrum "gibt es vielleicht sogar den einen oder anderen richtig Guten zu viel", bringt Rangnick eine gewisse Unausgewogenheit beim Angebot auf den Punkt, "und dann gibt es auch Mannschaftsteile, wo es nicht so viele gibt."
Hinten links heißt es ohne Alaba und Ulmer kreativ zu sein
Beispiel Linksverteidiger: "Hinten links gibt es im Moment nicht so viele Alternativen. Da muss man sich vielleicht auch etwas einfallen lassen, ein bisschen kreativ sein."
Während er Alaba im Zentrum sieht, denkt Rangnick an die Zukunft und hat mit Andreas Ulmer einen logischen Linksverteidiger- Kandidaten - zumindest vorerst - verabschiedet:
"Ich habe mit Andi ein längeres Telefonat geführt und ihm erklärt, dass es jetzt mit 36 die Möglichkeit gibt, sich voll und ganz auf den Verein zu konzentrieren. Er hat noch ein Jahr Vertrag."
Noch steht der Salzburg-Oldie auf Abruf. Dass er unter Rangnick wohl nur in Notfällen eine Rolle spielt, muss man nicht extra übersetzen.
Ausgeprägter Team-Spirit Basis für Erfolg
Auch wenn der Kandidaten-Pool bezüglich Positionen derzeit ungleich verteilt scheint, spricht Rangnick von einer "ganz spannenden Truppe".
Nun geht es darum, in allen Phasen des Spiels so schnell wie möglich als ein Team aufzutreten - bei Ballbesitz, gegen den Ball und bei Standards einen klaren Matchplan zu haben.
Jeder Spieler beziehungsweise jeder Mannschaftsteil müsse wissen, was er von ihm möchte.
Rangnick wird jedoch nicht müde zu betonen, dass dies nur ein Teil des Erfolgs sei. Über allem stehe der Team-Gedanke: "Ich bin felsenfest davon überzeugt und die letzten Welt- und Europameisterschaften haben es ja auch gezeigt, dass Nationalmannschaften dann erfolgreich sind, wenn sie einen ausgeprägten Team-Spirit haben. Bei der EURO hat man förmlich gespürt, dass Italien den am stärksten ausgeprägten Spirit hat."
Bei Kalajdzic oder Laimer zählt das richtige Timing
Die Vergangenheit hat bewiesen, dass es bisweilen ein Spagat sein kann, wenn man gleichzeitig auf die aktuelle Form und einen verschworenen Haufen, der sich blind versteht, bauen will.
"Es wird für die Torhüter sicherlich die Chance geben, in diesen diesen vier Spielen zum Einsatz zu kommen. Bis zur EM-Quali haben wir noch ein paar Monate Zeit, um zu sehen, wer sich bis dahin tatsächlich herauskristallisiert."
Dass er gerade bei den Schlüsselarbeitskräften eventuell Kompromisse eingehen muss, was die jüngsten Vereins-Performances betrifft, dürfte dem 63-Jährigen klar sein. Im Prinzip hat er es mit Marcel Sabitzer, der ihm auf Leipzig bestens bekannt ist, aber keine ideale Einstands-Saison beim FC Bayern hinter sich hat, schon so gehandhabt.
Wohl auch deshalb beantwortet Rangnick die Frage, wie wünschenswert der mögliche Schritt einiger ÖFB-Kicker - Beispiel Sasa Kalajdzic oder Konrad Laimer - zur absoluten Elite an Vereinen sei, eher defensiv:
"Wenn so etwas passiert, ist entscheidend, dass man den Wechsel zum richtigen Verein zur richtigen Zeit macht", so Rangnick und begründet auf Sabitzer anspielend:
"Es gibt ja auch andere Beispiele von Spielern - der eine oder andere ist jetzt im Kader -, wo es zumindest in der abgelaufenen Saison nicht zu 100 Prozent funktioniert hat. Es ist wichtig, dass man trotzdem regelmäßig spielt."
Alle drei Goalies sollen Chance bekommen
Es könne die eine oder andere Ausnahme von diesem Prinzip geben, bekräftigt Rangnick, weist jedoch etwa auf das Torhüter-Trio hin, dem Daniel Bachmann mangels Spielpraxis beim FC Watford nicht mehr angehört:
"Wir haben ganz bewusst drei Torhüter nominiert, die zuletzt regelmäßig und gut gespielt beziehungsweise eine erfolgreiche Saison hinter sich haben."
Rangnick, der versichert, "zum ersten Mal zu hören", dass sein bisheriger Arbeitgeber Manchester United nach Bachmann angelt, möchte mit Martin Fraisl, Heinz Lindner und Patrick Pentz bei diesem Lehrgang auch allen drei einberufenen Keepern die Bühne geben, sich zu präsentieren:
"Es wird für die Torhüter sicherlich die Chance geben, in diesen diesen vier Spielen zum Einsatz zu kommen. Bis zur EM-Quali haben wir noch ein paar Monate Zeit, um zu sehen, wer sich bis dahin tatsächlich herauskristallisiert."
Rotationsprinzip bei diesem Lehrgang
Das Rotationsprinzip wird bei diesen Juni-Länderspielen so oder so schwer in Mode sein.
Angesichts von vier Matches während dieses Camps kündigt Rangnick zahlreiche Wechsel in der jeweiligen Startformation an:
"Speziell bei den Spielen zwei bis vier wird es speziell nach so einer langen Saison sicher so sein, dass wir immer wieder mit einer ausgeruhten Mannschaft und frischen Beinen ins Spiel gehen werden."
Der erste öffentliche Auftritt Rangnicks zum Nachlesen: