Die Tränen von Michael Gregoritsch berührten wohl Fußball-Fans in ganz Österreich.
Sie zeigen jedoch auch, unter welchem Druck der Stürmer gestanden haben muss.
Erstens, um die Kritiker an seiner Nominierung in den EURO-Kader verstummen zu lassen. Zweitens, um seine verkorkste Saison beim FC Augsburg vergessen zu machen.
Beides lässt sich nach dem 3:1-Auftakt-Sieg gegen Nordmazedonien als gelungen abhaken, sein Treffer zum 2:1 brachte Rot-Weiß-Rot dabei in Bukarest auf die Siegerstraße.
Noch vor wenigen Wochen war Gregoritsch ein EM-Wackelkandidat, wie auch ÖFB-Teamchef Franco Foda erläutert.
Gregoritsch oder Grbic
"Wir haben intensiv über jede einzelne Position diskutiert und uns viele, viele Gedanken gemacht. Michael Gregoritsch oder Adrian Grbic - es war die Entscheidung, wen wir dazunehmen. Beide haben in ihren Vereinen wenig gespielt", erklärt Foda.
Im Frühjahr wurde Gregoritsch beim FC Augsburg recht selten berücksichtigt, kam über Kurzeinsätze nicht hinaus. Sein einziges Saison-Tor erzielte er am 1. Spieltag im September 2020.
Das letzte Pflichtspiel-Tor, das der Steirer vor seinem EURO-Highlight bejubeln durfte, gelang nicht im Verein, sondern im ÖFB-Trikot. Beim 1:0-Sieg in der Nations League in Nordirland sorgte er für das Goldtor.
Foda: "Konnte mich immer auf ihn verlassen"
Auch wenn der große Nationalteam-Durchbruch, den man dem inzwischen 27-Jährigen schon seit Jahren zutrauen konnte, bislang ausblieb, sammelte er in der Amtszeit von Foda doch immer wieder Scorer-Punkte.
In Bukarest gelang ihm nicht nur der 700. Treffer der EURO-Geschichte, sondern auch sein fünftes Tor im A-Team.
"Michael Gregoritsch ist schon sehr oft bei uns dabei gewesen, und wenn er gespielt hat, hat er immer seine Leistung abgerufen. Das war für mich auch mitentscheidend. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen", erläutert Foda und konkretisiert:
"Ich erinnere nur an das Spiel gegen Slowenien, in dem er von Anfang an gespielt und eine tolle Leistung gebracht hat, oder in Norwegen. Also es gab gute Spiele von ihm. Er war immer bereit, er war immer da, er kommt extrem gerne zum Nationalteam."
Gregoritsch - ein guter Typ
Im vergangenen Herbst hat jedoch auch Grbic seinen Torriecher im Nationalteam unter Beweis gestellt. Dass "Gregerl" seit vielen Jahren ein fixer Bestandteil des sozialen Gefüges im ÖFB-Team ist, war letztlich ein weiterer Grund, warum er das EM-Ticket lösen durfte.
"Für uns waren es sportliche Kriterien, aber natürlich auch das Gesamtgefüge. Er passt super in die Mannschaft und ist ein guter Typ. Insofern haben wir uns letztendlich für ihn entschieden."
"Für uns waren es sportliche Kriterien, aber natürlich auch das Gesamtgefüge. Er passt super in die Mannschaft und ist ein guter Typ. Insofern haben wir uns letztendlich für ihn entschieden", führt Foda aus.
Wenn man bei einem Turnier mehrere Wochen zusammen sei, spielt dieser Gedanke bei der Personalauswahl eine recht große Rolle, wie Foda verdeutlicht:
"Wir haben da eine gute Gruppe gefunden. Sie haben in den letzten Wochen einen guten Team-Spirit entwickelt. Genauso muss es jetzt weitergehen."
Die Situation korrekt bewertet
Ein Gregoritsch mit gestiegenem Selbstvertrauen ist für besagte Gruppe sicherlich kein Nachteil. In den Testspielen vor der EURO hatte der Grazer bereits angeklopft.
"Er hat schon im Training sehr gut gearbeitet. In den Testspielen hat er es bereits angedeutet, da hatte er zwei Riesen-Möglichkeiten, die er leider nicht genutzt hat. Jetzt hat er getroffen. Ich freue mich für ihn persönlich, das gibt ihm sicherlich zusätzlichen Auftrieb", so Foda.
Letztlich habe Gregoritsch das gemacht, was einen Stürmer auszeichnet, nämlich ein Tor. Und damit auch Fodas Treue zu seinem Schützling belohnt.
Wobei der ÖFB-Chefcoach widerspricht: "Das hat nichts mit Treue zu einem Spieler zu tun. Wir haben einfach die Situation korrekt bewertet."