Am Freitag kommt es zum Auftakt der EM-Qualifikation der Frauen zum Schlagerduell Österreich gegen Deutschland. Die Begegnung darf mit besonderer Brisanz beobachtet werden.
Nicht weniger als 13 Spielerinnen des 24-köpfigen ÖFB-Aufgebots stehen aktuell in Deutschland unter Vertrag. Für viele von ihnen geht es am Freitag gegen Klubkolleginnen.
Doch: Was macht die Deutsche Frauen-Bundesliga für österreichische Profifußballerinnen so attraktiv?
LAOLA1 beleuchtet die Situation mit Hilfe einiger Legionärinnen genauer.
Rasante Entwicklung in den letzten Jahren
Als Paradebeispiel für eine Deutschland-Legionärin gilt Nicole Billa. Sie hat die Entwicklung hautnah miterlebt. Vor knapp neun Jahren wechselte die Tirolerin zur TSG Hoffenheim, dort steht sie noch bis Sommer unter Vertrag, danach wechselt sie nach Köln.
"Es wurde sehr viel investiert. Es wird versucht, das Beste herauszuholen. Die Infrastrukturen wurden immer mehr angepasst. Es gibt Vorgaben, die Vereine erfüllen müssen. Dadurch wird das Ganze professioneller", erzählt sie im Gespräch mit LAOLA1 über ihre Eindrücke der deutschen Liga.
"Wir bekommen Frühstück und Mittagessen. Wir haben einen kleinen Campus und sehr gute Trainingsplätze. Durch die Fusion mit der Eintracht geht hier viel voran. Der komplette Verein ist dahinter", berichtet Frankfurt-Legionärin Barbara Dunst, die seit 2017 in Deutschland kickt.
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Nicole Billa macht diesen Prozess bereits zwei Jahre länger mit. "Es ist cool, diese Entwicklung miterlebt zu haben. Wo bist du gestartet? Wie hat sich der Verein weiterentwickelt? Was hat sich in der Liga oder bei den Stadien getan? Es wurde meiner Meinung nach innerhalb kurzer Zeit viel und schnell vorangebracht."
Marketing als Erfolgsschlüssel?
Das ist das Ergebnis von erfolgreichem Marketing. Billa sieht diesen Bereich als "großen Teil" des Frauenfußballs.
"Dadurch kannst du eine größere Anzahl an Fans und Zuschauer generieren. Leistung spielt genauso eine Rolle. Ohne Leistung und guten Fußball tut sich auch das Marketing schwer. Das muss ineinander greifen. Ein Verein muss Spiele bewerben. Als Spielerin bist du ein Teil dieses Marketing-Prozesses. Es ist interessant, wie Dinge beworben werden", meint Billa.
Dieses "Wie" beschäftigt auch Barbara Dunst. "Grundsätzlich ist es mir wichtig, dass wir uns mit Leistungen in den Vordergrund schieben. Social Media hat auf manche Dinge einen großen Einfluss. Es muss jede Spielerin selbst wissen, wie weit sie sich in den Vermarktungsprozess reindrängt", so die Mittelfeld-Spielerin, die meint, dass Deutschland noch mehr machen könnte.
Profitum macht Liga attraktiver
Professionelle Strukturen locken Spielerinnen an. Das führt zu einer erhöhten Qualität innerhalb der Liga. Die Unterschiede zu Österreich bemerkt auch Eillen Campbell. Die Angreiferin wagte erst im Winter den Sprung von Altach/Vorderland zum SC Freiburg.
Beim Nachbarn erwartete sie eine deutlich robustere, qualitativ hochwertigere und schnellere Spielweise. Sie möchte dort ihre Grenzen austesten. "Da steckt der sportliche Ehrgeiz dahinter", meint sie.
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Höherer Druck in Deutschland
Annabel Schaschnig wagte ein halbes Jahr vor Campbell den Sprung in den Breisgau. Die ehemalige Spielerin von Sturm Graz spricht von einem erhöhten Konkurrenzkampf. "In Deutschland bist du mit besseren Spielerinnen am Platz. Du hast im gesamten Kader in der Breite richtig viel Qualität", erläutert sie.
"Es ist sehr schnelllebig. Du musst jede Woche kontinuierlich performen, sonst bist du schnell weg aus der ersten Elf."
Schon länger in Freiburg an Bord ist Lisa Kolb. Die Flügelspielerin wagte den Sprung bereits 2021. "Speziell auf menschlicher Ebene entwickelst du dich weiter. Du stehst vor ganz anderen Herausforderungen. Mir persönlich hat das wahnsinnig gut getan, mein gewohntes Umfeld zu verlassen und etwas Neues kennenzulernen", meint sie.
Die Saison läuft aktuell für alle drei Freiburg-Legionärinnen durchwachsen. "Gegen die Top-Teams bekommst du jedes Wochenende aufgezeigt, woran muss ich noch arbeiten? Wo kann ich schon auf einem guten Niveau mithalten? Es ist sehr schnelllebig. Du musst jede Woche kontinuierlich performen, sonst bist du schnell weg aus der ersten Elf", so Kolb. Der Druck, zu liefern, ist laut Kolb deutlich höher als in Österreich.
Feiersinger: "Italien fehlt ein bisschen auf Deutschland"
Diese erhöhte Qualität erkennt auch Ex-Deutschland-Legionärin Laura Feiersinger an, die seit Sommer für die AS Roma in Italien aktiv ist.
"Ligabezogen muss ich sagen: Italien fehlt es ein bisschen, um auf das Niveau von Deutschland zu kommen", gesteht sie. Im Vergleich der Divisionen meint die Mittelfeld-Spielerin: "Die deutsche Liga ist physisch stärker und taktisch sicher besser (...). . In Italien sind dafür, egal gegen wen es geht, die Spielerinnen technisch mit dem Ball besser."
Das gilt auch für die Infrastrukturen der Klubs. "Gerade wenn man an das Ende in Deutschland denkt, muss man schon sagen, die Bedingungen in Frankfurt waren besser", meint die Mittelfeld-Spielerin über ihren Ex-Klub Eintracht Frankfurt.
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Purtscheller: "Dann kommt man nach Deutschland - und ist dort ein Niemand"
Die Ankunft in Deutschland kann aber durchaus schwierig sein. „Wenn du im Nationalteam bist, wissen sie, wer du bist. Wenn du als junge Spielerin kommst, kennen dich die meisten nicht. Du musst dir einen Stellenwert erarbeiten. Es gilt, mit Leistungen aufzuzeigen“, meint Nicole Billa.
Dieses Schicksal meisterte Lilli Purtscheller bei ihrem Wechsel im Sommer zu Essen. "Man muss schon sagen, in Österreich kennt man sich untereinander. Dann kommt man nach Deutschland, und ist dort ein Niemand", verrät sie.
Und weiter: "Du musst dich dort extra beweisen." Das ist ihr gelungen. Beim aktuell Sechsten der Deutschen Liga ist die junge Spielerin gesetzt. "Ich kriege genug Spielzeit. Das ist als junge Spielerin wichtig, ich kann mich jedes Wochenende mit Top-Gegnerinnen messen", so Purtscheller.
Deutschland als Traumland für den Frauenfußball?
Das klappte in der Vergangenheit auch bei Nicole Billa. In der Saison 2020/21 avancierte sie zur Torschützenkönigin. Als erst zweite Ausländerin wurde sie 2021 Fußballerin des Jahres in Deutschland.
"Ich tu mir schwer zu sagen, ich muss nach Deutschland gehen oder ich muss nach England oder Italien gehen. Du musst es selber abschätzen, was dir wichtig ist."
"Ich weiß gar nicht, ob es für viele das Traumland ist. Andere Länder sind genauso im Aufschwung", gibt Billa, die von dieser Denkweise absieht, zu Bedenken.
"Ich tu mir schwer zu sagen, ich muss nach Deutschland gehen oder ich muss nach England oder Italien gehen. Du musst es selber abschätzen, was dir wichtig ist", meint die Angreiferin.
Verschiedenste Faktoren können entscheidend sein. "Habe ich Lust auf den Schritt ins Ausland? Gehe ich dorthin, wo ich die Sprache nicht kann? Gehe ich dorthin, wo ich mich unterhalten kann? Wo kriege ich Spielzeit? Wo geht es mir im Umfeld gut? Gehe ich in eine ländliche Region oder in eine Großstadt?", wirft Billa einige Fragen in den Raum.
Aber: Hat die Angreiferin nie ein anderes Land gereizt? "Für mich war kein Zeitpunkt dabei, wo es in meine Planungen gepasst hat. Vielleicht kommt es irgendwann. Ich habe schon einmal meine Heimat verlassen", meint die Stürmerin. Im Sommer geht es für sie nach neun Jahren ohnehin weiter in Richtung Köln.
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"Ich habe Bock auf diese Challenge. Ich habe Bock darauf, wieder Spielzeiten zu sammeln. Ich will mir eine neue Chance geben. Ich gehe befreit dort hin und versuche mein Glück", meint die Stürmerin, die es zuletzt in Hoffenheim schwierig hatte.
Damit bleibt sie dem europäischen Fußball-Mekka Deutschland weiter erhalten. Sie freut sich auf die "sportverrückte Stadt" am Rhein.