Johann Gartner wird in den kommenden Wochen und Monaten die Geschicke des ÖFB als Interims-Präsident führen.
Der Präsident des niederösterreichischen Landesverbands bekommt am Freitag bei der Präsidiums-Sitzung des ÖFB in Graz das Vertrauen des Gremiums ausgesprochen.
Offiziell fungiert er als "geschäftsführender Präsident".
Der 71-Jährige folgt damit vorübergehend Gerhard Milletich nach, der am Dienstag seinen sofortigen Rücktritt bekanntgegeben hat.
Wer dem Burgenländer letztlich fix beerben wird, wird bei der noch zu terminierenden außerordentlichen Hauptversammlung bestimmt.
Gartner als Kompromiss
Gartner ist letztlich die erwartete Kompromisslösung, denn laut Statuten muss einer der Vizepräsidenten übernehmen.
Angesichts der Vorfälle in der Causa Milletich waren die Landespräsidenten aus Oberösterreich (Gerhard Götschhofer) und Tirol (Josef Geisler), die in Opposition zu Milletich standen, nur schwer wählbar.
Das Amt in die Hände von Bundesliga-Vertreter Philip Thonhauser zu legen, ist aus ÖFB-Sicht nachvollziehbarerweise auch nur überschaubar attraktiv.
Die Entscheidung für Gartner fiel bereits um kurz vor 15 Uhr - knapp eine Stunde nach Beginn der Sitzung, die jedoch nach wie vor am Laufen ist. Gesprächsbedarf gibt es im ÖFB an Tagen wie diesen natürlich genug.
Auch Konflikt Neuhold-Hollerer soll geklärt werden
In einem ersten ORF-Interview gibt Gartner an, es sich persönlich zur Aufgabe gemacht zu haben, alle Präsidiumsmitglieder und auch die Geschäftsführer zu Vieraugengesprächen zu bitten und "sie da abzuholen, wo sie stehen".
Bei einem optionalen Termin im März könnte dann ein Fahrplan erstellt werden, wie der Plan bis Juni aussehen soll. Bis Sommer soll die Präsidentennachfolge dann geklärt sein.
Auch der medial zuletzt in die Öffentlichkeit getragene Konflikt zwischen Thomas Hollerer und Bernhard Neuhold sei ein Thema bei der Sitzung in Graz gewesen. "Da haben wir uns auch Zeit gegeben. Wir werden uns das durch Gespräche erst einmal anschauen. Normalerweise bin ich da zu weit draußen. Aber die nächsten Wochen geben auch mir die Chance, beide näher kennenzulernen."
Interviews wirbeln Staub auf
Gartner ist dem Fußball schon lange verbunden, hat dabei als Funktionär im niederösterreichischen Verband viel Erfahrung gesammelt. Von 1990 bis 2012 war er im NÖFV-Vorstand tätig, ab 2002 auch als dessen Präsident.
Nach einer mehrjährigen Pause trat er das Chefamt bei einem der neun ÖFB-Landesorganisationen im April 2016 neuerlich an und hat es bis heute nicht aufgegeben. Dabei lieferte der Niederösterreicher auch immer wieder durch Interview-Aussagen, die viel Staub aufwirbelten, Schlagzeilen.
Das war etwa im Oktober 2017 der Fall, als Gartner in einem am Tag des WM-Qualifikationsspiels gegen Moldau in Chisinau (1:0) erschienenen Interview mit der "Kronen Zeitung" preisgab, dass es innerhalb des ÖFB-Nationalteams Gruppenbildung gegeben und sich Starspieler David Alaba nicht an Vorgaben von Teamchef Marcel Koller gehalten habe.
Dem nicht genug meinte Gartner kurz darauf in den "NÖN" auf die Kritik von Spielern wie Julian Baumgartlinger, Marc Janko oder Marko Arnautovic an der Entlassung von Koller angesprochen: "Da haben einige deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Manchen fehlt's da vielleicht an Intelligenz."
Weg von der Wissenschaft
Vor seiner Entschuldigung lief der Niederösterreicher in einen Konter des damaligen ÖFB-Kapitäns Julian Baumgartlinger: "Das ist Verleumdung und nicht zu akzeptieren."
Für Aufsehen sorgte damals auch der Sager, dass man sich bei der Entscheidung für das Ende der Ära von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner "bewusst für den Weg weg von der Wissenschaft und zurück zum Fußball" entschieden hatte.
Den Oberösterreicher Ruttensteiner bezeichnete Gartner zudem auch öffentlich als "Oberlehrer". Was die Kommunikation nach außen betrifft, hätte also manches besser laufen können.
Förderer des Frauen-Fußballs
Sehr wohl gut gelaufen ist Gartners Tätigkeit im Frauenfußball. In Niederösterreich förderte er diesen Bereich lange Zeit wie kein anderer, außerdem ist der Funktionär seit Jahren als Vorsitzender des Mädchen- und Frauenfußballs im ÖFB tätig.
Dadurch war Gartner etwa auch bei der Frauen-EM 2022 in England, in der für die ÖFB-Auswahl von Irene Fuhrmann erst im Viertelfinale gegen Deutschland Endstation war, als Delegationsleiter - meist ausgestattet mit einer Kappe - im Teamquartier mit dabei.
Einen Namen hat sich Gartner nicht nur im sportlichen Bereich gemacht. Auf politischer Ebene war der ÖVP-Mann bis zum Jahr 2020 insgesamt 20 Jahre lang als Bürgermeister seiner im Bezirk Hollabrunn gelegenen Heimat-Marktgemeinde Ziersdorf tätig.
Beim heimischen SV Ziersdorf ist der gelernte Elektrotechniker und zweifache Vater seit 2015 Vereins-Präsident.