"Wenn man bei uns, beim ÖFB, auf die Idee kommen würde, mir zu erklären, dass es bei den Sechs- bis Zwölfjährigen keine Tabellen mehr gibt, keine Ergebnisse zum Schluss und auch nicht aufgelistet wird, wer die Tore geschossen hat, dann kriegt derjenige mit mir ein Problem", sagte Ralf Rangnick zuletzt bei einem Auftritt beim internationalen Trainerkongress.
Tatsächlich hat der ÖFB vergangene Saison im Zuge mehrerer Maßnahmen im Kinderfußball auch die Tabellen bis inklusive U12 gestrichen.
Deshalb rudert der ÖFB-Teamchef nun auch zurück: "Ich habe meine Meinung zu dem Thema gesagt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie der Stand der Dinge in Österreich aussieht. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich zumindest diese eine Aussage nicht getätigt."
"Das Netz muss zappeln!"
Daraus, dass er die nunmehrige Praxis in Österreich, bis inklusive U12 keine Tabellen zu erheben, nicht unbedingt gutheißt, macht der Deutsche aber nicht unbedingt einen Hehl.
Seine Ausführungen: "Wann immer wir gekickt haben, am Ende erinnere ich mich an zwei Dinge. Erstens: Wie steht’s? Das stand immer im Vordergrund. Wir haben so lange gekickt, bis am Ende klar war, wer gewonnen hat. Es geht darum, zu gewinnen. Das muss im Fußball immer im Vordergrund stehen."
"Das andere Thema sind die Tornetze. Das Netz muss zappeln! Das muss so bleiben. Als ich acht Jahre alt war, haben wir selbst einen Bolzplatz gebaut. Da haben wir ein Tor reinbetoniert und uns nachher ein Tornetz maßgeschneidert hingemacht, weil der Ball im Netz zappeln musste."
"Alaba ist regelrecht beseelt von der Idee, zu gewinnen"
Die Gewinner-Mentalität zeichne eben echte Spitzensportler aus.
"Wenn ich mir David Alaba im Training anschaue – egal, ob beim 5-gegen-2, beim Fußball-Tennis oder irgendeiner kleinen Spielform –, der will immer gewinnen. Der ist regelrecht beseelt von der Idee, zu gewinnen. Das darf nicht in den Hintergrund rücken", so Rangnick.
ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel verteidigt den "sehr seriös gestalteten Prozess", bei dem die vielen Veränderungen im Kinderfußball beschlossen worden seien. Die Kinder sollen mehr Spaß haben, durch mehr Ballkontakte, mehr Tore, etc.
Im Video ein Überblick über die ÖFB-Reformen:
Dass nun nur über die Streichung der Tabellen diskutiert wird, wurmt ihn ein wenig: "Wir haben da sehr viele Breitefußball-Themen bedient. Das einzige Thema, worüber man unterschiedlicher Meinung sein kann, ist das Thema Tabellen. Beim Thema Tabellen gab es von Teilen immer Widerstand, weil manche das einfach anders sehen. Das ist ja okay, man kann unterschiedliche Sichtweisen haben."
Er kündigt an: "Wir werden uns im Herbst ganz gezielt mit diesem Thema beschäftigen. Wir sind immer bereit, Dinge zu evaluieren, wenn wir zu der Überzeugung kommen, dass etwas nicht hundertprozentig passt."
Rangnick will sich in naher Zukunft selbst ein Bild von den neuen Spielformen machen: "Ich werde mir in den nächsten Wochen Zeit nehmen, mir diverse Veranstaltungen anzusehen. Wenn es gut ankommt und sich all die Dinge als richtig erweisen, bin ich der Erste, der sagt: Großartig, weiter so!"
Schöttel berichtet jetzt schon: "Das Thema ist gut angelaufen, das Feedback ist gut."
Unterschiedliche Interessenslagen
Es sind freilich zwei verschiedene Interessenlagen. Einerseits der Teamchef, der für die absolute Elite des Landes zuständig ist, andererseits der ÖFB-Sportdirektor, der sich ebenso mit dem Breitensport auseinandersetzt.
Schöttel sagt: "Ralf hat natürlich immer die Entwicklung Top-Spieler im Hinterkopf. Mir ist es nicht egal, wenn jemand sieht, dass er kein Spitzenspieler wird, und dann dem Fußball verloren geht. Wir wollen definitiv, dass wir sie so lange wie möglich bei dieser Sportart halten. Wir wollen, dass sie dem Fußballgeschäft erhalten bleiben – sei es als Trainer, Schiedsrichter oder Funktionär."
Rangnick fordert Unterstützung für Nachwuchstrainer
Doch Rangnick ergänzt: "Mir geht es in erster Linie darum, dass ganz am Ende der Kette möglichst viele Nationalspieler werden können. Das ist mein hauptsächliches Interesse. Das heißt aber nicht, dass mir egal ist, ob Neunjährige gut trainiert werden oder nicht."
Er wirbt für mehr Unterstützung für Nachwuchstrainer: "Wir müssen schauen, dass sich möglichst qualifizierte Trainer mit den Sieben-, Acht- und Neunjährigen im sogenannten goldenen Lernalter auseinandersetzen. Das soll nicht einfach irgendjemand machen."
"Wir müssen schauen, was wir als Verband beitragen können, damit diese Kinder von pädagogisch und inhaltlich guten Trainern betreut werden. Am Ende ist das eine Frage des Geldes. Wenn du im Nachwuchs Trainer bist, kriegst du nicht nur kein Geld, sondern zahlst am Ende auch noch drauf, wenn du die Kinder etwa zu Getränken oder Eis einlädst", so der Teamchef.