Es soll auf dieser Welt kleinere Gremien geben als das ÖFB-Präsidium.
ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer, neun Landesverbandspräsidenten und vier Bundesliga-Vertreter sind stimmberechtigt. Ergänzt werden sie durch drei weitere ÖFB-Vertreter sowie eine Genderbeauftragte, die kein Stimmrecht haben.
Dieses Gremium aufgeblasen zu nennen, ist wohl keine ganz so falsche Diagnose. Je mehr honorige Männer – und bis auf die Genderbeauftragte Isabel Hochstöger sind es ausschließlich Männer –, umso mehr Eigeninteressen. Und große Egos.
Die Ränkespiele innerhalb dieses Gremiums sind seit Jahren bestens dokumentiert. Kaum eine wegweisende Entscheidung, die nicht ohne im Vorfeld mal mehr, mal weniger öffentlich ausgetragene Grabenkämpfe getroffen wurde.
Es ist Zeit, das zu ändern.
Aber vorneweg: Nein, freilich ist nicht alles am und im ÖFB-Präsidium schlecht. Vor allem den Breitensport betreffend ist es durchaus vernünftig, Vertreter aller Landesverbände einzubinden, sie kennen ihre Schäfchen schließlich am besten.
Im großen Interview von LAOLA1 und 90minuten mit Klaus Mitterdorfer erklärt der ÖFB-Boss: "Der Föderalismus hat für die Breite schon seine guten Seiten. Sie wissen genau, wie die unterschiedlichen Herausforderungen sind."
"Als Präsident sollte man es sich nicht anmaßen, die Frage zu beantworten, wer der geeignete Teamchef ist."
Wenn es um den Spitzensport geht, sieht die Sache ein wenig anders aus. Zwar sei es wichtig, ein Gremium zu haben, das "für Rahmenbedingungen und Finanzierungen sorgt". Aber: "Es braucht vielleicht Wege, die Entscheidungen zu verschlanken und diese von Experten treffen zu lassen."
Er hält fest: "Als Präsident sollte man es sich nicht anmaßen, die Frage zu beantworten, wer der geeignete Teamchef ist."
Es ist dem ÖFB-Präsidenten gar nicht hoch genug anzurechnen, zu dieser Einsicht gelangt zu sein. Zu viele Menschen in Machtpositionen, die seit Jahren nur von Ja-Sagern umgeben sind, hegen sich selbst gegenüber einen Genialität-Verdacht. Von sich selbst jedoch zu behaupten, dass andere Menschen Dinge besser wissen und beurteilen können, ist eine Führungsqualität, die nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Das Problem, und das nennt auch Mitterdorfer so, ist: Das ÖFB-Präsidium kann sich in seiner aktuellen Form mit seinen aktuellen Befugnissen nur selbst abschaffen. So steht es in den Satzungen des Verbands.
Nichtsdestoweniger ist der Kärntner als Erster in einer langen, prominenten Ahnenreihe offenbar gewillt, dieses Thema aktiv anzupacken. "Wenn man diese Frage nicht angeht, werden wir es nicht wissen. Versuchen werde ich es", sagt er.
Die Zeit dafür scheint ideal. Das gesamte ÖFB-Präsidium steht derzeit nicht mit dem Rücken zur Wand, der öffentliche Fokus ist auf anderes gerichtet. Wenn Mitterdorfer die Struktur an der Verbandsspitze aktuell infrage stellt, hat es nicht den Anstrich des Aktionismus, sondern einer intrinsischen Motivation, etwas zu verändern.
Dementsprechend könnte der Wunsch nach Veränderung auch bei jenen aufgenommen werden, die ihn erfüllen müssen. Niemandem würde aktuell das Gefühl vermittelt, automatisch in Verteidigungshaltung gehen zu müssen. Vielleicht mag die Vorstellung naiv sein, aber die Chancen, dass das klappen kann, stehen besser denn je.
Er wolle nach der EURO 2024 "die Energie schon nutzen, um noch einen Schritt weiterzugehen und die Strukturthemen zu besprechen und sich ansehen, ob man es nicht in einer anderen Form gestalten kann", sagt Mitterdorfer.
Man kann ihm dazu nur viel Glück wünschen.