Dass der ÖFB immer für Überraschungen gut ist, wurde am Mittwoch wieder einmal eindrucksvoll bewiesen.
Bei der Wahlausschusssitzung in Wien machte nicht der favorisierte Sturm-Graz-Präsident Christian Jauk, sondern Ex-Vizekanzler Josef Pröll das Rennen um den Chefposten des Fußballverbandes.
Der 56-Jährige wird am 18. Mai im Rahmen der Bundeshauptversammlung in Bregenz offiziell inthronisiert und kann sich dann auf einige Herausforderungen einstellen.
Als erstes Ziel nannte Pröll, Ruhe und Einigkeit im zerstrittenen Verband zu erreichen. Doch es geht um mehr, als nur das ÖFB-Präsidium zur Raison zu bringen.
Der Konflikt zwischen Geschäftsführer Bernhard Neuhold und Generalsekretär Thomas Hollerer samt allen damit zusammenhängenden Bruchlinien ist nach wie vor evident, es muss ein CEO gefunden und auch Teamchef Ralf Rangnick zufriedengestellt werden.
Pröll erster externer ÖFB-Boss seit Stickler
Prölls jahrelange Erfahrung in der Spitzenpolitik wird wertvoll sein, schließlich gilt es auf dem glitschigen ÖFB-Parkett zu bestehen. Als erster externer Chef seit Friedrich Stickler (2002 - 2008) soll Pröll zur Langzeit-Lösung aufsteigen, wie es zuletzt Leo Windtner (2009 - 2021) war. Danach folgten vier teils interimistisch amtierende Präsidenten, von denen keiner länger als eineinhalb Jahre auf dem Chefsessel blieb.
Die hohe Personalfluktuation auf dem Posten des höchsten österreichischen Fußball-Funktionärs, der künftig Aufsichtsratsvorsitzender heißen wird, war persönlichen Unzulänglichkeiten ebenso geschuldet wie internen Machtspielen und Intrigen. Welche Volten in der ÖFB-Führungsriege geschlagen werden, wurde auch bei der entscheidenden Wahlausschusssitzung sichtbar.
In dem Gremium sind zehn Stimmen zu vergeben - neun kommen von den Landesverbänden, eine von der Bundesliga. Der Name Josef Pröll war bei den meisten Mitgliedern erst wenige Stunden vor Sitzungsbeginn durchgesickert, dennoch sah es zu Beginn laut APA-Informationen danach aus, als könnte Jauk auf eine Mehrheit kommen. Mit Fortdauer aber wechselte Niederösterreichs Johann Gartner und mit ihm Wiens Robert Sedlacek die Seiten.
Gartner schlug Pröll vor
Gartner hatte Pröll selbst vor Wochen beim Wahlausschuss vorgeschlagen, wurde aber nach eigenen Angaben bis kurz vor Sitzungsbeginn nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass es der frühere Finanzminister in die Endausscheidung geschafft hat. Tatsächlich hatten sich der Wahlausschussvorsitzende Martin Mutz (Kärnten) und dessen Stellvertreter Josef Geisler (Tirol) mit Informationen an die übrigen Mitglieder stark zurückgehalten.
Die Mehrheit schwappte in Richtung Pröll, doch der ÖFB-Interimspräsident und steirische Landeschef Wolfgang Bartosch, Bundesliga-Vertreter Philip Thonhauser sowie Johannes Wutzlhofer (Burgenland) und Horst Lumper (Vorarlberg) blieben bei ihrer Präferenz für Jauk - auch mit dem Hinweis, dass ein Votum für Pröll eine gewisse politische Schlagseite hätte.
Das Ergebnis hätte zu diesem Zeitpunkt 6:4 für Pröll gelautet. Daraufhin wurde mitgeteilt, Pröll würde das Amt bei Stimmen gegen ihn möglicherweise nicht annehmen, und Jauk schien wieder im Spiel zu sein - bis sich die Unterstützer des Sturm-Präsidenten überzeugen ließen, sich der Stimme zu enthalten.
Pikanterie am Rande: Bei der Bundeshauptversammlung sind 13 Stimmen zu vergeben, je eine pro Landesverband und vier von der Bundesliga. Die Pröll-Skeptiker hätten also rein rechnerisch eine Mehrheit. Trotzdem wird der frühere Finanzminister mit 13 Stimmen gewählt werden, denn laut APA-Informationen werden all jene, die sich am Mittwoch enthielten, in Bregenz für Pröll votieren.