Seit neun Monaten war Mark Ciociola nicht mehr in seiner Heimat USA.
Dies liegt teilweise natürlich daran, dass Reisen im Jahr 2020 durchaus eine Herausforderung sind. Andererseits am Umstand, dass es beim FC Pinzgau Saalfelden jede Menge Arbeit gibt - für ihn als Managing Director sowieso.
Mit der Idee eines Fan Owned Clubs möchte er mit den Salzburgern für Furore sorgen, am Samstag bereits im prestigeträchtigen Duell mit Austria Salzburg (ab 17 Uhr im LAOLA1-LIVESTREAM).
Im LAOLA1-Interview verrät Ciociola, warum die Green Bay Packers aus seinem US-Heimat-Staat Wisconsin eine Inspiration waren, warum Österreich und speziell Saalfelden der ideale Standort für sein Projekt ist und warum es gegen die Austria Freibier aus Amerika gibt.
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
LAOLA1: Sie sind in Wisconsin aufgewachsen: Sind Sie auch ein Fan der Green Bay Packers?
Mark Ciociola (lacht): Ich bin definitiv mit der Herangehensweise der Green Bay Packers in Wisconcin vertraut. Sie sind dort eng mit dem Alltag der Menschen verwoben. Die Packers sind die erste und einzige Franchise im US-Sport, die Fan-owned ist, und das schon seit sehr langer Zeit. Das Ownership-Modell der Packers hat zum Teil auch die Fan-owned-Idee hier im Pinzgau inspiriert.
LAOLA1: Inwiefern?
Ciociola: Folgenden Umstand habe ich bei den Green Bay Packers immer für interessant gehalten: Ihre Shares sind eher ein Zertifikat. Sie können weder verkauft noch getauscht werden, außerdem bekommt man nicht wirklich irgendwelche Benefits. Man bekommt keinen Zugang zu Matches, keinen Discount auf Merchandise und all diese Dinge. Also habe ich mich gefragt: Was, wenn wir einen Profi-Klub und das Fan-owned-Modell der Packers kombinieren, aber daraus wirkliche Ownership machen? Eines, bei dem die Fans Anteile haben, die sie verkaufen oder tauschen können. Zur selben Zeit geben wir ihnen Einblick hinter die Kulissen. Sie erfahren, was im Inneren des Teams abgeht.
LAOLA1: Wie funktioniert das?
Ciociola: Wir lassen die Fans mit den Verantwortlichen sprechen. Diese Woche zum Beispiel hatten wir Kleingruppen-Chats – die Fan-Owner können alles fragen. Zum Beispiel unseren Trainer Christian Ziege, warum er diesen oder jenen Wechsel gemacht hat. Sie sollen spüren, wie es ist, ein Team zu besitzen. Denn für die durchschnittlichen Sport-Fans, speziell in den Vereinigten Staaten, ist das etwas, wozu sie nie in der Lage sein werden. All die Teams sind im Besitz von Milliardären. Trotzdem sind es die Fans, die das Geld ausgeben, indem sie zu den Spielen gehen, Merchandise kaufen und mit ihren Ausgaben das Team am Laufen halten. Daher habe ich gesagt: Lasst uns einen besseren Weg finden, ein Sport-Team zu besitzen. Hier sind wir, beim FC Pinzgau Saalfelden!
LAOLA1: Wie viele Fans haben sich bisher Anteile gesichert?
Ciociola: Im Moment halten wir bei ungefähr 300 aus zwölf verschiedenen Ländern. Wir haben Investoren aus verschiedenen Staaten der USA, aus Südkorea, Japan, Kanada, Großbritannien oder Irland. Vor einigen Tagen haben wir unseren ersten Fan-Owner aus Italien bekommen, der auch gleich einen FC-Pinzgau-Saalfelden-Fanklub gegründet hat – der hat auch schon ungefähr 25 Mitglieder. Es ist wirklich einzigartig mitzuerleben, wie sich diese Community zu bilden beginnt. Wir hören all die unterschiedlichen Gründe, warum jemand investiert. Einige wollen über den Fußball neue Freunde finden. Wir suchen nach neuen Wegen, wie wir sie alle zusammenbringen.
LAOLA1: Wie darf man sich das vorstellen?
Ciociola: Wir versuchen kreative Ideen zu entwickeln. Ein Beispiel: Wir werden unseren Fan-Ownern in den USA die Möglichkeit geben, beim ersten Heimspiel gegen Austria Salzburg ein Bier für einen Fan hier in Saalfelden zu kaufen. Sie können online im Team-Store das Bier kaufen. Wir geben dann im Stadion Coupons aus – mit der Email-Adresse und einer Message des Spenders darauf, sodass man ihm schreiben und sich für das Bier, das am anderen Ende der Welt gekauft wurde, bedanken kann. Vielleicht stärkt das die Freundschaft. Uns liegt viel daran, mit diesem Projekt Menschen zueinanderzubringen.
LAOLA1: Warum haben Sie Österreich und Saalfelden als Standort im europäischen Fußball gewählt?
Ciociola: Ich bin viel durch Europa gereist, war zuvor schon in Österreich und habe es extrem gemocht. Also ist der erste Grund schlicht und einfach, dass wir einen Ort wollten, den die Leute besuchen möchten. Man muss sich nur umschauen: Es ist atemberaubend schön hier. Es ist eine Urlaubs-Destination im Herzen der Alpen – zwei Stunden von München und vier Stunden von Venedig entfernt. Wenn Fan-Owner bei ihrem Team sein wollen, können sie es mit einem Urlaub verbinden. Der andere Grund ist, dass Österreich eine sehr gute Liga innerhalb der UEFA ist, in der man in der Fünfjahreswertung konstant Elfter oder Zwölfter ist. Die Leute realisieren teilweise gar nicht, wie gut die Liga ist. Sie befindet sich unmittelbar hinter den Top-Ligen aus Deutschland, England, Italien, Spanien und Frankreich. Aber in diesen Ligen ist es entscheidend teurer, sobald du es von unten nach oben schaffst und dort mithalten willst. Einige der Teams in diesen Ligen geben Hunderte Millionen aus, während sich das Budget vieler Vereine in der österreichischen Bundesliga eher im Bereich von zehn Millionen Euro bewegt. Das heißt, für das, was wir versuchen umzusetzen, gibt es hier eher einen Zugang, und das obwohl es trotzdem eine Qualitätsliga innerhalb Europas ist.
LAOLA1: Mit dem LASK, Wolfsberg und Hartberg haben es drei Teams in den Europacup geschafft, die vor nicht allzu langer Zeit noch in der Regionalliga gespielt haben. Ist auch das eine Inspiration?
Ciociola: Genau so ist es! Diese drei Teams haben es von unten bis weit nach oben geschafft. Eine andere Sache ist, dass in der Bundesliga fünf von zwölf Teams die Chance haben, am Europacup teilzunehmen. Wenn man sich die genannten Vereine anschaut, kommen sie teilweise ebenfalls aus kleineren Städten wie Saalfelden. Wir können auch Altach auf diese Liste setzen. Es war definitiv ein Antrieb für unsere Idee, hier an dieser Location mit einer großartiger lokalen Fanbase und Wirtschaft im Rücken etwas zu erreichen. Es ergibt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Teams, wenn wir unsere Fan-Owner hinzufügen, da wir über eine zweite – internationale – Fanbase verfügen.
LAOLA1: Sie haben vorher die Bier-Idee genannt. Wie herausfordernd ist es, die beiden Fan-Welten im Pinzgau und weltweit miteinander zu verknüpfen?
Ciociola: Man muss sich nur unseren Content anschauen. Unsere Partnerschaft mit LAOLA1 erlaubt es uns nun, alle unsere Matches in Englisch und in Deutsch zu übertragen. Nicht einmal einige der großen Klubs in der Welt können sagen, dass sie all ihre Spiele jederzeit in verschiedenen Sprachen zur Verfügung stellen. Ob Website oder Podcast, wir kreieren generell jede Menge Content in Englisch und Deutsch. Wir sind erst das zweite Team in Österreich, das einen englischen Twitter-Feed hat. Uns liegt viel daran, beide „Welten“ zu inkludieren und sie zusammenzubringen. Wir haben uns gesagt: Jeder hat sein Lieblingsteam, und dieses Erlebnis wird überall recht ähnlich sein. Wir wollen anders sein! Deshalb wollen wir die einzigartige Erfahrung, die man woanders nicht bekommen kann, bieten. Die Fan-Owner können in Kleingruppen-Chats nicht nur Ziege, Geschäftsführer Christian Herzog, den Spielern oder mir Fragen stellen, sondern auch Vorschläge machen und sich einbringen. Das ist eine einzigartige Erfahrung, die sie im Fußball-Universum sonst nicht finden werden.
LAOLA1: Es ist vermutlich entscheidend, dass der jeweilige Coach bereit ist, solch ein Konzept mitzutragen. Sie haben in einem Interview gesagt, dass Christian Ziege „like the best dude ever“ ist. Was macht ihn dazu?
Ciociola: Ziege is awesome! Ich genieße es mit ihm zu arbeiten. Er versteht, was wir machen. In unserem allerersten Gespräch habe ich gesagt: „Wir sind nicht wie jeder andere Fußball-Klub und wir werden Dinge von dir fordern, die du bei keinem anderen Team tun müsstest.“ Er macht das gerne, er liebt das Konzept, unsere Ambitionen, unsere Ziele, die wir erreichen wollen. Hut ab vor ihm! Er ist die perfekte Person, um dieses Projekt anzuführen. Aber er ist auch entscheidend dafür, dass wir auf Spieler-Seite Talente bekommen. Viele Jungs wollten Teil des Projekts sein und für Ziege spielen. Ziege und der FC Pinzgau Saalfelden sind also aus diversen Gründen ein „perfect match“.
LAOLA1: Wie haben Ihre Familie und Freunde reagiert, als Sie offenbart haben, nach Europa zu übersiedeln, um in Österreich einen Drittliga-Fußball-Verein zu übernehmen? Haben sie gedacht, dass Sie verrückt geworden sind?
Ciociola (lacht): Ich habe es zumindest nie jemanden laut sagen gehört. Aber vielleicht haben sie es gedacht. Wobei mir die Idee bereits vor drei Jahren gekommen ist. Daher steckte schon viel Arbeit von vielen verschiedenen Leuten in diesem Projekt, bevor wir zu diesem Punkt gekommen sind. Als ich erstmals die Idee hatte, bin ich zu Friends & Family gegangen und habe sie gefragt, was sie davon halten. Danach wusste ich, dass es das gewisse Etwas hat. Viele meiner Freunde, die Fußball-Fans sind, hielten es für eine großartige Idee. Für mich ist es toll, an solch einem wunderbaren Ort zu leben. Es ist großartig, hier Kinder groß zu ziehen. Meine beiden Töchter lieben es hier.
LAOLA1: An welchem Punkt dieser Reise würden Sie von einem großen Erfolg sprechen? Muss es das ultimative Ziel Champions League sein?
Ciociola: Es gibt Aspekte dieser Reise, die jetzt schon ein Erfolg sind. In meinen Augen ist es bereits eine riesige Belohnung, die erste Gruppe an Fan-Ownern zu haben. Daran siehst du die vielen, vielen Stunden, die die Leute investiert haben, damit dieses Projekt umgesetzt wird. Es ist spannend, die Storys der Fan-Owner zu hören, warum sie sich eingekauft haben oder was sie sich erhoffen. Es gibt Social-Media-Posts, in denen Fan-Owner meinen, dass es Life-changing war, sich einzukaufen. Das ist ein sehr schmeichelhafter Begriff, wenn es um einen Fußball-Klub geht, zeigt aber die Leidenschaft. Darum: Natürlich wollen wir gewinnen. Das Ziel ist diese Saison der Aufstieg, ohne Frage! Darauf liegt der Fokus.
LAOLA1: Wie wichtig ist es, eine Vision wie die Champions League zu haben?
Ciociola: Wir waren nicht schüchtern, was unsere Ziele angeht. Aber jetzt geht es darum, in die 2. Liga zu kommen. Das ist der erste Schritt, und wir hoffen, er gelingt in dieser Saison. Wir haben das Gefühl, dass wir uns dafür in eine gute Position gebracht haben. Sobald wir den Aufstieg in die 2. Liga geschafft haben, werden wir glücklich sein, uns den Stand der Dinge ansehen und uns fragen: Was ist unser nächster Move? Man tritt im Sport an, weil man gewinnen und der Beste in dem, was man tut, sein will. Das heißt, in jeder Liga, in der wir zur jeweiligen Zeit antreten, wollen wir das Bestmögliche erreichen. Uns erwartet definitiv ein langer Prozess, den wir Schritt für Schritt angehen. Aber eines kann ich versprechen: Wir versuchen zu gewinnen, auf welchem Level auch immer wir spielen.
LAOLA1: Das erste Heimspiel findet gegen Austria Salzburg statt. Sie sind sich der Geschichte dieses Vereins sicher bewusst. Wie speziell ist diese Partie für den FC Pinzgau?
Ciociola: Jemand muss es gut gemeint haben, als er den Spielplan zusammengestellt und uns diesen Heim-Auftakt beschert hat. Solch ein geschichtsträchtiger Gegner im ersten Heimspiel ist sehr speziell. Sie bringen viele Fans mit, wir werden ein richtig cooles Ambiente haben. Ich bin glücklich, dass wir überhaupt in einer Situation sind, Fans auf den Rängen haben zu können. Das sehe ich nicht als selbstverständlich, denn es gibt viele Orte, an denen das noch nicht möglich ist. Viele meiner Freunde in den USA spielen immer noch hinter verschlossenen Türen. Wir sind dankbar, dass wir in Österreich vor Fans spielen können – und es ist richtig cool, gegen einen Klub zu starten, der viele davon mitbringt.