Am Freitag könnte es schon soweit sein!
Der älteste Fußball-Klub Österreichs steht vor der Rückkehr in den Profi-Fußball. Der First Vienna Football Club ist in den letzten Jahren durch die Hölle gegangen. Nach dem Zwangsabstieg im Jahr 2017 fand man sich plötzlich nur mehr in der fünften Liga wieder.
Gleichzeitig war es aber auch eine Chance für einen Neuanfang, den die Döblinger vollziehen konnten und nun im Heimspiel gegen Elektra bei fünf Punkten Vorsprung vor den letzten drei Spielen den ersten Matchball auf den Aufstieg in die 2. Liga haben - wenn Konkurrent Stripfing auswärts gegen Draßburg mitspielt.
Diesen harten, steinigen Weg von Anfang an mitgegangen ist der ehemalige Vienna-Spieler, -Spielertrainer und seit 2018 Sportliche Leiter Markus Katzer. Im großen LAOLA1-Interview spricht der 42-jährige Ex-Rapidler über schlaflose Nächte, Rückschläge, den Weg zurück, den Coup zum "Star-Ensemble" und die neue Ausrichtung im Falle des Aufstiegs.
LAOLA1: Am Freitag gibt es den ersten Matchball, wenn Stripfing mitspielt. Wie nah ist die Vienna schon dem großen Ziel 2. Liga?
Markus Katzer: Wir haben einfach eine richtig tolle Ausgangslage. Es liegt in unserer Hand, wir sind fünf Punkte vorne und bei Gleichstand auch Erster. Wir haben eine komfortable Situation, aber es ist noch nicht durch. Ich bin wirklich schon lange im Fußball dabei: Wir sind noch nicht Meister! Es ist auch nicht so ungefährlich. Wiener Linien hat eine gute Mannschaft, Bruck auswärts ist nicht so einfach und dann hast du das Derby of Love gegen den Wr. Sportclub zu Hause. Von den Gegnern her hat Stripfing die leichtere Auslosung.
LAOLA1: Wie fordernd sind diese letzten Schritte mental und wie groß ist die Sehnsucht nach der 2. Liga schon?
Katzer: Sehr groß! Es war enorm viel Arbeit, seit der 2. Landesliga träumen wir von der 2. Liga. Es sind viele Dinge passiert mit Corona, dem verweigerten Aufstieg… Es war keine Durststrecke dabei, es war ein Wachsen und Entwickeln, was uns so stark gemacht hat als Verein insgesamt, wie wir jetzt dastehen. Wir sehnen diese letzten Tage herbei, wir sind wirklich knapp davor unser Ziel zu erreichen und vom Gefühl her spürt das jeder im Verein. Deshalb glaube ich nicht, dass wir uns das noch wegnehmen lassen.
LAOLA1: Die Vienna hat sehr viel dafür investiert. Verursachen Gedanken daran, dass es doch nicht klappen könnte, schlaflose Nächte?
Katzer: Nein, gar nicht. Schlaflose Nächte habe ich nur, wenn eine Idee so brutal gut ist, dass ich darüber nachdenke, wo der Haken sein könnte. Die hatte ich auch in der aktiven Karriere nie. Was-wäre-wenn denke ich nicht, ich bin ein sehr positiver Typ, der sehr fokussiert und kritisch ist, weil ich Trends erkennen kann – egal, in welche Richtung sie gehen. Jetzt gerade geht unser Trend nach oben, deshalb bin ich optimistisch. Das war aber nicht die ganze Saison so. Da bin ich angespannt, habe aber keine Angst, was passieren könnte. Da weiß ich, welche Aufgaben zu erfüllen sind.
"Ich habe das Risiko gar nicht gesehen, nur die Chance. Wer kann sagen, dass er den ältesten Verein Österreichs von der 5. Liga in die Bundesliga bringt?"
LAOLA1: Du bist seit 2015 bei der Vienna, warst Spieler, Spielertrainer, seit 2018 Sportdirektor. Wie riskant war es damals, eine offizielle Position bei der Vienna einzunehmen, ohne zu wissen, ob der Klub jemals wieder in den Profi-Fußball zurückkehren könnte?
Katzer: Ich habe das Risiko gar nicht gesehen, nur die Chance. Wer kann sagen, dass er den ältesten Verein Österreichs von der 5. Liga in die Bundesliga bringt? Natürlich war wichtig, dass es auf seriösen Beinen steht. Es gibt einen Faktor, den man braucht: Den finanziellen Aspekt, die Sponsoren. Wer kann schon mitwachsen als Sportdirektor? Mir hilft bis jetzt niemand. Ich habe keinen Teammanager, keinen, der mir die Aufstellung eingibt, das mache ich selber. Die Erfahrung nimmt mir keiner mehr weg, das wäre nie woanders passiert. Ich muss auch ehrlich sagen: Ich hatte auch andere Optionen! Aber ich habe bei der Vienna vom ersten Moment weg die Chance gesehen.
LAOLA1: Dieser nahtlose Übergang vom Spieler zum Spielertrainer und Sportdirektor war sicherlich hilfreich.
Katzer: Es war der ideale Einstieg, auch weil ich die Gefahren sehe. Wir haben Jiri Lenko oder Andi Ivanschitz integriert, die auch davor Spieler waren. Ich weiß, welche Aufgabe es ist, Spieler, die aufhören, in den Arbeitsprozess einzugliedern. Das unterschätzt man, da bin ich auch vorsichtig. Nicht jeder Ex-Profi kann gleich Teammanager oder Geschäftsführer Sport sein. Das ist ein Prozess, der begleitet gehört. Dann kann das gut funktionieren mit der Erfahrung.
LAOLA1: Du hast Mario Konrad angesprochen. Wird er die Vienna verlassen oder würde man einen verdienstvollen Spieler wie ihn gerne anderweitig im Verein integrieren?
Katzer: Vor Mario kann ich nur den Hut ziehen! Er hat einen extrem großen Anteil, sollten wir aufsteigen. Er war da, als man ihn gebraucht hat, hat wichtige Tore gemacht, hat anderen die Sicherheit gegeben. Mit dem Alter ist das unglaublich. Größter Respekt! Mario ist ein super Typ, er hat alles für den Verein gegeben, hat ein großes Herz, ist ein gescheiter Bursche – da wird es immer Möglichkeiten für die Zukunft geben.
LAOLA1: Du hast andere Angebote angesprochen, die du gehabt hast. Aus höheren Ligen, wo du jedoch deine Rolle nie so ausfüllen hättest können wie bei der Vienna?
Katzer: Das hatte mit mehreren Faktoren zu tun gehabt, das war nicht die richtige Zeit. Es wäre da und dort auch schon die richtige Position gewesen, aber bei der Vienna habe ich sofort die Chance gesehen, weil mir das taugt und ich das machen wollte. Es kommt auch drauf an, ob man sich als Trainer oder Sportdirektor sieht. Ich wollte immer eine strategische Position.
LAOLA1: Ich könnte mir vorstellen, dass Rapid sicher einmal angefragt hat.
Katzer: Man kann eins und eins zusammenzählen. Es war nie offiziell, aber es war schon ein bisschen unglücklich, wie ich gegangen wurde – das muss ich so sagen. Das habe ich nicht so schnell vergessen, obwohl jeder weiß, wie ich zu Rapid stehe und ich kein nachtragender Mensch bin. Aber es war nicht so, dass ich sofort wieder dort arbeiten wollte und U8-Trainer werden. Aber ich war auch Spielerberater und habe mich bewusst für die Vienna entschieden. Das hat mir extrem geholfen, vor allem das Netzwerk, die Sicht der anderen Seite, das Verhandlungsgeschick und die Kreativität in Deals – das war unheimlich gut für mich.
LAOLA1: Bis auf Corona und den Nicht-Aufstieg: Gab es überhaupt große Rückschläge auf dem Weg zurück oder gab es viel mehr spezielle Erlebnisse?
Katzer: Es hat Situationen gegeben, die waren Hollywood-reif. Vor dem ersten offiziellen Jahr in der 2. Landesliga habe ich aufgehört zu spielen und Peter Hlinka hat mich vor einem wichtigen Spiel trotzdem gefragt, ob ich mich auf die Bank setze. Ich hatte ein halbes Jahr nichts gemacht, zu Mittag einen Schweinsbraten gegessen. Ich habe dann selbst aufgewärmt und ihm gesagt: "Jetzt tauscht du mich ein, als Stürmer." Ich habe in der 86. Minute den 1:0-Sieg fixiert, sonst wären wir im Kampf um den Aufstieg vielleicht schon weg gewesen. Das war so ein extremer, witziger und symbolischer Moment. Ich habe dann weitergespielt, aber Corona hat mir dann zum Aufhören verholfen, weil ich eigentlich wirklich nicht mehr spielen wollte.
LAOLA1: Wie schwer hat euch der Nicht-Aufstieg 2020 durch den Corona-Abbruch in der Wiener Liga wirklich getroffen?
Katzer: Wir haben so gefightet im Hintergrund, dass wir aufsteigen können. Wir hatten es uns verdient, aber hatten keine Möglichkeit. Ich weiß, dass die Regularien so waren, aber wir haben dafür gekämpft. Damals gab es schlaflose Nächte. Es war einfach mühsam, dann hast du noch eine Saison in der Wiener Liga und zitterst. Wir hatten in der vergangenen Saison am 2. Juli das letzte Meisterschaftsspiel, sind aufgestiegen und hatten am 18. Juli das erste Match der neuen Saison im UNIQA ÖFB Cup, der Kader musste bis dahin stehen – man muss verstehen, dass Spieler aus höheren Ligen nicht in die Wiener Liga gekommen wären. Wir hatten eine Woche frei, acht neue Spieler und der letzte Spieler unterschrieb einen Tag vor dem ersten Match – wir hatten keine Vorbereitung. Sag das einmal einem Jürgen Klopp, der sagt: „Seid ihr wahnsinnig, das geht gar nicht.“
LAOLA1: Trotz dieser Umstände steht ihr nun unmittelbar vor dem Durchmarsch in die 2. Liga.
Katzer: Die Erwartung war trotzdem, dass die Vienna wieder aufsteigt. Durch die Situation sind wir im Herbst schon gestrauchelt, aber jeder meinte, wir müssen ja gewinnen. Wir waren zwei Punkten hinten, jetzt sind wir drei Spiele vor Schluss fünf Punkte vorne. Natürlich haben wir im Winter nachgerüstet, um eine gewisse Garantie zu haben, dass wir es schaffen, weil wir so knapp dran sind. Aber wir müssen nicht, wir wollen aufsteigen. Es würde auch nichts passieren, wenn wir das nicht erreichen. Aber das sage ich jetzt nicht mehr, weil ich sehr an den Aufstieg glaube und wir das schaffen werden.
"Wir haben sechs Spieler geholt, von vier Spielern kann man schon sagen, dass das richtige Kracher sind. Aber ich habe die nicht geholt, weil ich die namhafteste Truppe haben will, sondern ich wollte eine gewisse Garantie, um in spannenden Situationen wie jetzt Spieler zu haben, die das trocken runterspielen."
LAOLA1: Mit Transfers von Lukse, Wostry, Auer, Simkovic, Grozurek, Alar und Co. habt ihr viele erstaunt. Wo würde sich die Vienna budgetmäßig und kadertechnisch in der 2. Liga einreihen?
Katzer: Wir haben sechs Spieler geholt, von vier Spielern kann man schon sagen, dass das richtige Kracher sind. Aber ich habe die nicht geholt, weil ich die namhafteste Truppe haben will, sondern ich wollte eine gewisse Garantie, um in spannenden Situationen wie jetzt Spieler zu haben, die das trocken runterspielen. Das war die Strategie, um von A nach B zu kommen. Jetzt gibt es am Markt Situationen, die entstehen. Ich glaube, es würden sich viele wundern, wie viel Budget wir für diese Spieler in der Regionalliga ausgeben – natürlich mit Perspektive besserer Verträge in der 2. Liga.
LAOLA1: Wie hat man diese "Stars" trotzdem von der Vienna und RLO überzeugen können?
Katzer: Es sind auch die richtigen Typen, weil sie auch gemerkt haben, dass das ein geiler Klub ist und sie zur Vienna wollen. Das hat auch nicht jeder gemacht. Ich habe es einigen in Aussicht gestellt, dass sie in der Wiener Liga oder RLO bei uns einsteigen können, aber danach nicht mehr. Genau diese Spieler rufen mich jetzt an, denen ich sage, dass wir jetzt Spieler aus der Bundesliga bekommen. Aber die anderen Spieler habe ich von dieser Chance überzeugt.
LAOLA1: Haben diese großen Namen diesen Output gebracht, den du dir erhofft hast?
Katzer: Das ist relativ einfach. Am Ende zählt der sportliche Erfolg. Wenn wir aufgestiegen sind, haben wir alles richtig gemacht. Wenn wir das nicht schaffen, die spielen aber alle gut, dann haben wir es nicht geschafft. Die Ziele müssen erreicht werden. Viele von den genannten Namen haben grandiose Leistungen geboten. Der 14., 15., 16. Kaderspieler entscheidet die Meisterschaft, nicht die erste Elf. Unser großes Asset ist, dass wir so breit aufgestellt sind, wir können noch richtig Qualität von der Bank bringen. Das muss man hervorheben, aber man muss immer die Kirche im Dorf lassen.
LAOLA1: Wurden diese Transfers schon vorausschauend für die 2. Liga getätigt oder ist nun mit einer neuerlichen Transferoffensive zu rechnen?
Katzer: Wenn wir aufsteigen sollten, wird es keinen sofortigen Wiederaufstieg geben. Wir werden nicht alles daran setzen. Wir müssen auch im Nachwuchs nachschieben, da gibt es noch eine Lücke. Ich habe jetzt ein bisschen weniger Stress, weil einige Spieler noch Vertrag haben und man schon annehmen kann, dass man mit diesen Akteuren die Liga hält. Wir werden schon am Transfermarkt tätig sein, aber wir werden die Mannschaft natürlich verjüngen. Die Vienna wird auf Strecke ab dem Aufstieg in die 2. Liga ein Ausbildungsverein werden. Das heißt aber nicht, dass nicht der eine oder andere routinierte Spieler die Mannschaft tragen wird. Aber wir versuchen junge Spieler aus dem Nachwuchs in der ersten Mannschaft zu platzieren.
LAOLA1: Da ihr euch in der Bundesliga oder 2. Liga umseht – wären Spieler mit Starpotenzial wie Rapids Philipp Schobesberger oder Christopher Dibon, die ablösefrei wären und durch Verletzungen womöglich nicht mehr ganz oben angreifen können, vorstellbar?
Katzer: Ohne jetzt auf die besagten Namen einzugehen, kann ich ausschließen, dass wir Spieler holen, die jetzt spezielle Situationen, eine Verletzungshistorie, aber gute Qualität haben und namhaft sind. Wir werden die Mannschaft verjüngen. Wir haben genug von diesen Spielern, was auch gut ist, weil sie Qualität haben. Aber die Strategie ab der 2. Liga ist es, junge Spieler zu platzieren, denen man eine Plattform bieten kann, um sie später zu veräußern oder zu guten Bundesliga-Spielern heranreifen zu lassen.
LAOLA1: Wie viel Talente siehst du aktuell schon in deinem Team, die eine große Karriere vor sich haben?
Katzer: Wir haben mit Kerim Abazovic einen 2004er Jahrgang, der erst im Februar 18 geworden ist – der spielt jede Partie. Daneben ist Noah Steiner und links Cedomir Bumbic, beides 1999er Jahrgänge. Luca Edelhofer und Oliver Bacher spielen regelmäßig, sind 2001er Jahrgänge. Man hat das gar nicht so am Schirm, aber Fakt ist: Wir haben die jüngste Innenverteidigung der Regionalliga und spielen um den Aufstieg. Wir haben schon gezeigt, dass wir auch junge Spieler integrieren können. Joel Kitenge und Abazovic kommen aus dem eigenen Nachwuchs, Steiner haben wir von St. Pölten, Edelhofer von der Austria, Bacher von Sturm Graz. So haben wir arbeiten müssen, weil wir es noch nicht so ganz im eigenen Nachwuchs haben. Wir haben mit Antonio Paric und Edvin Ramic aus der 2. Mannschaft auch Perspektivspieler für die erste Mannschaft. Die integrieren wir auch schon, wie Abazovic und Kitenge, der ohne seinen Kreuzbandriss viel öfter gespielt hätte. Aber da kann ich jetzt schon sagen: Den wird man ganz oft in der 2. Liga sehen.
LAOLA1: Wie groß ist die Euphorie unter den Fans, die sich früher lieber – wie der Wr. Sportclub in und um Wien in der Regionalliga gemessen haben als zum Beispiel in der 2. Liga nach Vorarlberg zu fahren?
Katzer: Die Begeisterung ist hundertprozentig vorhanden! Ich habe eher das Gefühl, jeder will unbedingt aufsteigen – auch die Fans. Das Derby of Love ist natürlich kultig, das fehlt natürlich. Aber dann muss der Sportclub halt in die Hände spucken, dass wir es bald mal in einer anderen Liga haben. Ich würde es mir wünschen.
LAOLA1: Am 27. Mai steht das kleine Wiener Derby zum Saisonabschluss an. Das wäre noch einmal ein schöner Abschied, wenn es nicht noch zum Endspiel um den Aufstieg werden sollte.
Katzer: Für die Fans wäre es das Schönste, wenn es ein Endspiel wird, für mich nicht (lacht). Ich kann darauf verzichten, im Idealfall ist es da schon gegessen. Es wird aber so und so ein Fußballfest.