Der Ballbesitz-Spieler David Alaba, Pressing-Maschine Marcel Sabitzer oder doch ein Straßenkicker à la Marko Arnautovic?
Welche Qualität ist auf Top-Niveau entscheidend, wovon profitiert unser ÖFB-Nationalteam heute, und wenn wir einen Wunsch frei hätten - welches österreichische Fußball-Ideal würden wir uns in einem Jahrzehnt überhaupt wünschen?
Ognjen "Ogi" Zaric erläutert im LAOLA1-Taktik-Corner, dass die (Ausbildungs-)Wege von Spitzenspielern schwierig einem bestimmten Weg zuzuschreiben sind:
Franco Foda im Wandel der Zeit
Bei der Auseinandersetzung mit unserem ÖFB-Nationaltrainer Franco Foda wird ersichtlich, dass er sich selbst unter dem Motto "Spiel-Idee schlägt Spiel-System" weiterentwickelt hat. Vom klassischen Ein-System-Trainer hat sich Foda mit der Zeit zu einem flexiblen und kreativen Coach mit unterschiedlichem Spiel-Stil gewandelt. "Spiel-Idee ist wichtiger als Spiel-System" fasst diesen Wandel treffend zusammen.
Anfangs bei Sturm Graz eigentlich ausnahmslos im 4-4-2 zu erkennen, wich der Deutsche zu seinen späteren erfolgreichsten Zeiten in Graz im Ballbesitz oft auf ein 3-4-3 aus, um einer zielorientierten Ballzirkulation mit schnellem Torabschluss das perfekte Raster zu spinnen. Das Spiel in die Tiefe war durch viele vertikale Kurzpässe geprägt. Der Plan B? Spielverlagerungen mit Kombinationsspiel in den Flügelzonen. Ansonsten war Sturm, obwohl oft im Ballbesitz-Plus, in der Grund-Idee eher auf Risiko-Minimierung als auf Kreativität aus.
Als Nationaltrainer ist Foda noch auf der Suche nach der richtigen DNA. Auf welche Qualitäten der Spieler kann er bauen und wie steht es um die Zukunft der österreichischen Top-Talente?
Der ideale Ausbildungsweg sucht Querdenker
Im aktuellen Teamkader für die Juni-Länderspiele befinden sich 24 Spieler. Ganze 16 von ihnen verdienen ihre Sporen zurzeit in Deutschland.
Die Deutsche Bundesliga ist das Mekka für österreichische Spieler. Zum Einen darf dies mit Sicherheit als Beleg für die gute Arbeit in den österreichischen Akademien angesehen werden - schließlich sind nur drei dieser Spieler bereits im Jugendalter ins Ausland gewechselt - zum anderen vermag man bei der "Warum"-Frage recht leicht auf einen Trugschluss zurückzugreifen: Nähe, Kultur, Sprache - ja, das mag in Ansätzen stimmen. In Wahrheit ist es vielmehr eine logische Konsequenz in der Selektion nach Anforderungsprofilen, vor allem im taktischen Bereich.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, müssen wir die Materie "Ausbildung von Spitzenfußballern" tiefgründiger betrachten. Die Kernfrage lautet: Was ist der ideale Ausbildungsweg für Top-Talente?
Robin Gosens macht derzeit von sich sprechen. Mit 18 Jahren spielte Gosens in der Deutschen Niederrhein-Liga, nun hat er mit 24 Jahren den Sprung in die Champions League geschafft. Durch einen unglaublichen Saison-Endspurt belegte er mit seinem Team Atalanta Bergamo Platz drei der abgelaufenen Saison in der Serie A. Sein Werdegang ist ein spezieller - dieser führte nämlich durch keine Akademie bzw. kein Nachwuchs-Leistungszentrum.
Gosens hat sehr spät das Vertrauen von Entscheidungsträgern gewonnen und ist über eine Fügung glücklicher Umstände in den Profi-Fußball gelangt. Er ist ein Beispiel dafür, dass sich dieser eine, spezifische und ideale Ausbildungsweg wahrscheinlich gar nicht skizzieren lässt.
Vereine stellen sich im Akademie-Bereich immer besser auf. Sie investieren Unmengen an Geld in Personal, und der Mythos "Infrastruktur" macht überwiegend die Runde. Entsprechend ordentlich sind mittlerweile (fast) alle Akademien in diesem Segment gerüstet. Nicht außer Betracht darf dabei gelassen werden, dass der ideale Ausbildungsweg nicht über den gepflegtesten Rasenplatz oder die größte Kraftkammer, sondern auf enorm viel (Eigen-)Motivation und Inspiration basiert.
Im Blick über den Tellerrand belegen zahlreiche Beispiele genau das. Einer der besten Sportler unseres Planeten, Usain Bolt, hat den Großteil seiner Ausbildungs- und Trainingszeit auf einer in die Tage gekommenen, veralteten Laufbahn in Kingston, der Hauptstadt Jamaikas, verbracht.
Michael Phelps, achtfacher Goldmedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen 2008, war bekannt dafür, jeden Tag zweimal zu trainieren. Er schwamm 10.000 Meter am Stück auf Zeit.
Welche Menschen umgeben Spitzenspieler und welches Knowhow, fachlich als auch menschlich, bringen diese mit? Das ist wohl die alles entscheidende Frage in der Entwicklung von Spitzenspielern, wenn über externe Faktoren gesprochen wird.
Einen Traum leben zu dürfen und ein Ziel konsequent zu verfolgen, darauf müssen sich Akademie-Spieler immer wieder besinnen. Es reicht nicht mehr gut zu sein, es reicht nicht, Nationalspieler in den Nachwuchs-Teams zu sein - wir müssen nach der Maxime streben, um einen österreichischen Weltfußballer entwickeln zu können. Österreich braucht Querdenker.
Messi, De Ligt, Modric - den Mutigen gehört die (Fußball-)Welt
Die weltbeste Ausbildung von Spielern trägt keine Früchte, wenn in der Pyramiden-Spitze - welche immer enger wird - dem Talent kein Vertrauen geschenkt wird.
Dass ein Ausbildungstrainer auch Ergebnisse liefern kann, bestätigt das Beispiel des mutigen Trainers Eric Ten Hag. Mathijs De Ligt führte als 19-Jähriger Ajax Amsterdam ins Halbfinale der UEFA Champions League. Paradoxerweise als Kapitän, wohlgemerkt.
Der aktuelle Weltfußballer Luka Modric war 2003 - im Alter von 18 Jahren! - bester Spieler der bosnischen Premijer Liga.
Was haben Julian Draxler bei Schalke 04 oder ein Timo Werner, der beim VfB Stuttgart ausgebildet wurde, gemeinsam? Beide aktuellen DFB-Nationalspieler des Weltmeisters von 2014 durften mit 17 Jahren in der Bundesliga debütieren.
Einer der besten Spieler aller Zeiten, Lionel Messi, hat sein Debüt im Profiteam des FC Barcelona im zarten Alter von nur 17 Jahren gefeiert. Im selben Alter hat der Argentinier sein erstes Profi-Tor erzielt - er hält nach wie vor den Rekord als jüngster Torschütze der "Blaugrana" in LaLiga. Zu einer Zeit, in der es als außergewöhnlich gute Marke galt, 20 bis 30 Saison-Tore zu erzielen, lieferte er sich einen Zweikampf mit Cristiano Ronaldo und kam im Kalenderjahr 2012 in 69 Pflichtspielen auf sage und schreibe 91 Tore. Diese beiden Ausnahmespieler haben alle Rekorde gebrochen - und Cristiano Ronaldos Profi-Debüt fand übrigens ebenfalls schon mit 17 Jahren für Sporting Lissabon statt.
Sie sind mit Sicherheit außergewöhnliche Weltklassespieler, aber diese Beispiele belegen, dass auch vermeintlich überirdische Spieler schlichtweg die frühzeitige Chance auf großer Bühne erhalten mussten. Nichts kann Einsätze und Erfahrungen im Erwachsenen-Fußball ersetzen. Und nichts kann einen mutigen Trainer ersetzen, der einem jungen Spieler dieses Vertrauen schenkt.
Internationale Entwicklungen: Wovon kann unser Nationalteam profitieren?
David Alaba, Julian Baumgartlinger und Stefan Posch sind bereits im Jugend-Alter in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelt und haben ihre Fußball-Ausbildung dort genossen.
Der wohl gravierendste Unterschied im Jugend-Fußball zwischen Österreich und Deutschland ist die durchgängige Handhabung mit Auf- und Abstieg, wie sie in Deutschland üblich ist. Bereits in jungen Jahren erhöht das die Drucksituation für Spieler und Verantwortliche - lehrt aber zugleich, mit dieser umzugehen. Es soll keine Debatte über Sinn oder Unsinn geführt werden - vielmehr ist ein Blick auf internationale Entwicklungen essentiell.
Was undenkbar war, wurde bei den letzten Großveranstaltungen wahr. Fußballgrößen wie die Niederlande haben die Teilnahme an Großereignissen verpasst. Stand heute - Ajax Amsterdam als Halbfinal-Teilnehmer der Champions League und die Niederlande als aktueller U17-Europameister - hat ein Umdenken in der Spielanlage stattgefunden. Zur individuellen Klasse kommt eine hohe taktische Flexibilität und mannschaftliche Geschlossenheit, wie auch Ergebnisorientierung.
Selbst bei den im Kinderfußball in Belgien und den Niederlanden eingeführten Twin-Games (mit dem Ursprungsgedanken von mehr Nettospielzeit für alle) werden die Ergebnisse auf beiden Feldern addiert, um den Wettkampfcharakter frühzeitiger zu schulen.
De facto ist der Weg eines Talents hin zum absoluten Spitzenspieler nicht in Stein gemeißelt. In seiner Fußball-Ausbildung wäre für einen talentierten Spieler das Erlernen aller Phasen ideal, eine möglichst weit- und tiefgreifende Ausbildung erstrebenswert. Nur so kann er im Laufe seiner Karriere systemunabhängig überleben. So hätte der Ausnahmespieler Mario Götze seine Wahrscheinlichkeit auf Erfolg nach seiner Dortmund-Zeit - mit Fokus Arbeit gegen den Ball und schnellem Umschalten bei Ballgewinn - beim FC Bayern, der unter Pep Guardiola auf eine hohe Ballbesitz-Zeit und schnelles Umschalten nach Ballverlust bedacht war, erhöhen können.
Spielerentwicklung und Ergebnisse können und müssen vielleicht sogar ineinander greifen. Nicht umsonst bezeichnet der langjährige Schalker Nachwuchstrainer und Master-Mind in Sachen Spieler-Entwicklung, Norbert Elgert, "Gewinnen um jeden Preis" als fundamentalen Baustein in seiner Ausbildungs-Struktur. Leroy Sane, Mesut Özil oder Leon Goretzka sind nur einige der Namen, welche seine Schule durchlaufen haben und zu Größen im Weltfußball gereift sind.
Die Vorteile Österreichs gegen Slowenien und Nord-Mazedonien
Welche Vorzüge bringen die kommenden beiden Gegner Slowenien und Nord-Mazedonien mit? Wie üblich reifen in den Balkanländern vielumjubelte "Straßenkicker" heran.
Ein Marko Arnautovic verkörpert fußballerisch mit das Beste, was der österreichische Fußball zu bieten hat. Er ist ein "Straßenkicker" par excellence. Mit all seinen Ecken und Kanten, aber in der individuellen Eins-gegen-Eins- Qualität sicherlich bei keinem der beiden anstehenden Gegner der EM-Qualifikation wiederzufinden.
Zehn Spieler aus dem Nationalteam tragen "Red-Bull-DNA" in sich. In den für Foda so wichtigen Umschaltmomenten zehn top ausgebildete Spieler, auf welche er zurückgreifen kann.
Eine signifikant positive Entwicklung ist, dass fast alle Teamspieler tragende Säulen in ihren Vereinen sind, und - bis auf wenige Ausnahmen - dies Woche für Woche auf hohem Niveau in Top-Ligen unter Beweis stellen können.
Mit David Alaba steht ein Weltklasse-Spieler in Reihen des ÖFB, positionsunabhängig.
Individuelle Klasse, taktische Flexibilität wenn erforderlich, Team-Spirit und mannschaftliche Geschlossenheit - wenn wir Wünsche zum österreichischen Fußball-Ideal des Jetzt oder der Zukunft frei hätten, das käme der Erfüllung deren ziemlich nahe!
Der Tiroler Ognjen "Ogi" Zaric ist im Besitz der UEFA-A-Lizenz und hat am Weg dahin alle Ausbildungen mit Auszeichnung absolviert. Der 30-Jährige sieht den Fußball daher aus einem anderen Blickwinkel als der durchschnittliche Stadionbesucher. Mit seinem geschulten Trainer-Auge versucht er den LAOLA1-Usern in Zukunft taktisches Insider-Wissen rund um das runde Leder zu vermitteln. Sein eigener Trainer-Weg führte ihn ab 2014 nach Deutschland, wo er unter anderem die U17 der SpBgg Unterhaching und zuletzt als Chefcoach den Regionalligisten 1860 Rosenheim betreute.