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Fußballer-Gewerkschaft: Die Eskalationsspirale

Aktuell buhlen zwei Spieler-Vertretungen um Österreichs Kicker. Wie konnte es zu dieser Situation kommen? Wie geht das weiter? LAOLA1 klärt auf:

Fußballer-Gewerkschaft: Die Eskalationsspirale Foto: © Younion (Niklas Schnaubelt) / VdF

Es herrscht Verunsicherung in den Fußballer-Kabinen. Wer vertritt mich als Arbeitnehmer? Wem soll ich glauben? Was passiert da eigentlich gerade?

Sich als Profi-Kicker mit arbeitsrechtlichen Themen zu beschäftigen, steht nicht an der Tagesordnung. Bis zuletzt galt das Credo: Ich zahle meinen Mitgliedsbeitrag und wenn ich etwas brauche, wende ich mich an die Gewerkschaft, besser bekannt als VdF.

Doch seit einigen Monaten ist das alles viel komplizierter. Es gibt nämlich nicht mehr eine Interessensvertretung, sondern zwei. Auf der einen Seite steht die "younion", Teil des ÖGB mit seinen 1,2 Millionen Mitgliedern, mit ihrer "Fußball-Gewerkschaft". Auf der anderen Seite steht die "VdF – Die Spielervereinigung", herausgelöst aus der "younion", mit der sie bisher kooperiert hat.

LAOLA1 erklärt, wie es dazu gekommen ist, was sich die beiden Parteien gegenseitig vorwerfen und wie es in Zukunft weitergehen kann.

Die Eskalationsspirale

Thomas Kattnig, Mitglied des Bundespräsidiums der "younion", sagt: "Es war überraschend und verstörend, was sich da in den letzten Monaten entwickelt hat. Unsere Mitarbeiter*innen wollten sich von einem Tag auf den anderen selbstständig machen. Das ist, als ob sieben Austrianer ihren Vertrag kündigen, sich noch ein paar Spieler dazu holen, einen neuen Verein gründen und sagen: 'Wir sind die neue Austria.'"

Man ist geneigt, es als ganzen Baum voller Zankäpfel zu bezeichnen, die zur Eskalation geführt haben. Da wären einerseits Streitigkeiten um die Bruno-Gala – das Fest, bei dem die Profi-Kicker Preise an die besten unter sich selbst verteilen.

Andererseits geht es um die Verwendung der Geld-Mittel, die zur Verfügung gestellt wurden. Es geht um Austritts-Vollmachten, Rechtsschutz, einen Funktionär, der gewählt, aber nicht angestellt wurde, und augenscheinlich auch gekränkte persönliche Eitelkeiten.

Doch der Reihe nach. Beginnen wir bei der Bruno-Gala.

Die Bruno-Gala

Die Bruno-Gala
Foto: © GEPA

Die nach der zu Silvester 1994 verstorbenen Legende Bruno Pezzey benannte Gala ist im Herbst stets ein Fixpunkt auf dem Veranstaltungskalender der Kicker. Hier trifft man sich ohne Schienbeindeckel, dafür im Anzug, plaudert in lockerer Atmosphäre mit seinesgleichen und staubt eventuell sogar einen Preis ab.

"Die gemeinsame Entwicklung der Bruno-Gala hat gut funktioniert, das war in den letzten Jahren eine Erfolgsgeschichte", berichtet Kattnig. 2021 wurde der Plan geschmiedet, die Gala auf das nächste Level zu hieven.

Gernot Baumgartner, Vorsitzender der abtrünnigen VdF, berichtet: "Auf Initiative der VdF und ÖFB-Präsident Leo Windtner hin war es der Wunsch, die Bruno-Gala als einzigen österreichischen Fußball-Preis zu etablieren. Die Idee war, den Bruno vom 'Fest der Spieler' zum 'Fest des Fußballs' weiterzuentwickeln."

Gemeinsam mit der "Kronenzeitung", die ja ihre eigene Gala veranstaltet, der Bundesliga, dem ÖFB und dem ORF wurden Pläne geschmiedet. Was danach geschah, daran scheiden sich die Geister.

"Es war ein fertiges Konzept vorhanden, gab auch einen Vertragsentwurf von ÖFB, Krone und Bundesliga. Die younion hat verweigert, diesen Vertragsentwurf zu unterzeichnen, hat das verschleppt", behauptet Baumgartner.

Kattnig wiederum meint: "Wir haben über ein Jahr verhandelt, sind zu einer Vertragsform gekommen, dann wurde von der VdF auf einmal alles verschleppt. Aus heutiger Sicht liegt der Verdacht nahe, dass das deswegen geschehen ist, weil es hinter unserem Rücken Verhandlungen mit dem Sponsor 'spusu' gegeben hat. Das ist aber nicht als Vorwurf an 'spusu' zu verstehen."

Baumgartner entgegnet: "Wir haben mit 'spusu' verhandelt, weil wir als VdF einen Beitrag zur Finanzierung der Bruno-Gala leisten wollten, um den Vorwurf zu entkräften, dass die Gala zu viel Geld kostet und somit Budget-Mittel für die eigentliche gewerkschaftliche Arbeit blockiert."

Jedenfalls habe man sich mit "spusu" geeinigt. "Wir haben ihnen das Ende September 2022 präsentiert: Wir haben mit 'spusu' einen Partner, der die Bruno-Gala zu 100 Prozent finanziert, die younion kommt gleich vor wie bisher, die 'spusu Sport GmbH' muss aber Veranstalter sein. Das wurde aber abgelehnt. Daraufhin haben wir die Vereinbarung zwischen VdF und younion mit 30. September gekündigt (Anm.: Kündigungsfrist 6 Monate)", sagt Baumgartner.

Es sei bis dahin immer der Vorwurf im Raum gestanden, dass die Bruno-Gala so viel Geld koste, mit diesem Argument sei die VdF in ihrer gewerkschaftlichen Arbeit blockiert worden.

Kattnig stellt das anders dar: "Es geht natürlich auch um Transparenz. Wir sind eine Gewerkschaft mit Kontrollgremien. Es hat übrigens einen Revisionsbericht gegeben, in dem ein unverhältnismäßiger Einsatz der Mittel in der Vergangenheit festgestellt wurde. Die etwa 200.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen pro Jahr haben nicht gereicht, was die Aufwendungen für die nun abgesprungenen Funktionäre anbelangt hat. In jedem Unternehmen gibt es aber Compliance-Regeln, an die man sich halten muss."

Baumgartner entgegnet: "Wir durften ja nie mitreden, wie viel Geld ausgegeben wurde."

Die Kündigung des Kooperationsvertrags war dann jedenfalls der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Eine Woche später folgte der Bruch. "Am 6. Oktober beim ersten Aufeinandertreffen wurde ich rausgeworfen und Gernot Zirngast (Anm.: langjähriger VdF-Funktionär) kaltgestellt. Die Begründung war Vertrauensmissbrauch", so Baumgartner. Die VdF zog daraufhin ein Ass aus dem Ärmel.

Die Austritts-Vollmachten

Noch während die VdF Teil der younion war, sammelten ihre Funktionäre in Spielerkreisen Vollmachten für den Austritt aus dem ÖGB und dem Beitritt zur im Frühjahr 2022 neu gegründeten und im Vereinsregister eingetragenen "neuen VdF" ("VdF – die Spielervereinigung") ein.

"Ja, das haben wir gemacht, dazu stehen wir", sagt Baumgartner. Der Hintergrund: "Wir haben die Bundesliga-Spieler darüber aufgeklärt, dass unsere Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und wir im Herbst in einem Gespräch mehr Autonomie fordern, wofür wir uns mit den Vollmachten rüsten müssen. Wir wollten zeigen, dass die Spieler hinter uns stehen. Unser damaliger Gedanke war, dass wir unter klaren Voraussetzungen im ÖGB bleiben wollen. Wir haben nie damit gerechnet, dass wir die Vollmachten einsetzen müssen."

Ende Oktober 2022 wurden die Vollmachten dann aber eingesetzt. Die Spieler traten aus dem ÖGB aus.

Ex-Nationalspieler Thomas Pichlmann, der nunmehr bei younion das Bindeglied zwischen Gewerkschaft und Spieler ist, hat Verständnis für die Kicker: "Wäre mir diese Vollmacht als Spieler vorgelegt worden, hätte ich sie auch unterschrieben. Man darf nicht vergessen, dass die ehemaligen VdF-Funktionäre über Jahre die einzigen Ansprechpartner der Gewerkschaft waren, wieso sollte ihnen ein Spieler nicht glauben, wenn sie die andere Sichtweise nicht kennen! Da wirkt dann auch eine gewisse Gruppendynamik. Ich wäre danach aber stutzig geworden."

Younion-Funktionär Kattnig hält fest: "Wir stellen es in Zweifel, dass die Vollmachten rechtens sind. Auf der Vollmacht stand: 'gleiche Rechte, gleiche Pflichten.' Wenn ich das unterfertige, habe ich den Eindruck, dass ich die gleichen Leistungen wie im ÖGB bekomme. Das war bis jetzt aber nicht der Fall."

Die Rechte und die Pflichten

Kattnig verweist auf die umfangreiche Betreuung, die der ÖGB seinen Mitgliedern zukommen lasse: "Wir bieten ein inkludiertes Versicherungspaket für unsere Mitglieder an – Berufshaftpflicht, Berufsrechtschutz, Taggeld-Versicherung, Arbeitslosenunterstützung. Das sind alles unter anderem Leistungen, die seitens der Spielervereinigung nicht angeboten werden."

"Es sind Spieler an uns herangetreten, die gesagt haben, sie bekommen bei der Spielervereinigung keinen Rechtsschutz. Es gibt Beispiele von Spielern, denen gesagt wurde, dass der Rechtsfall für sie schon eingegangen werde, er im Falle einer Niederlage aber die Hälfte selbst bezahlen müsse", sagt der younion-Funktionär, das habe der Spieler gegenüber der younion auch schriftlich bestätigt.

Baumgartner wehrt sich: "Das ist eine Lüge! Wir haben seither Dutzende an Rechtsfällen abgewickelt. Jeder Spieler kriegt bei uns volle Leistung bis zum Schluss." Nachsatz: "Wir haben den Fußballern gesagt, dass wir ihnen alles bieten können, was sie brauchen – Knowhow und Rechtsschutz."

Dafür soll auch Ex-Profi Thomas Hinum bei der VdF sorgen. Diese Personalie ist ein weiterer Teil des Zwists.

Thomas Hinum

Thomas Hinum
Foto: © VdF

"Wir haben ihn bei einer Spielervertretungssitzung vorgeschlagen und er wurde dann als Funktionär gewählt. Die Gewerkschaft hat das nicht akzeptiert", sagt Baumgartner über VdF-Generalsekretär Hinum.

Pichlmann stellt das anders dar: "Es heißt immer, der ÖGB wollte nicht, dass er eingestellt wird, um das Team zu vergrößern. Das war aber nie das Thema. Das Thema war, dass er eingestellt worden ist, ohne dass das Budget dafür da war. Es wurde nicht nachgefragt, ob das Budget überhaupt da ist."

Baumgartner: "Wir brauchten einen Funktionär, um Kontakt zu den Spielern zu halten. Natürlich war die Gewerkschaft vorinformiert, dass wir jemanden brauchen, um für die nächste Generation jemanden aufzubauen. Grundsätzlich war das schon immer abgesprochen."

In einem Punkt herrscht indes Klarheit.

Die Camps

In den vergangenen Jahren fand im Sommer stets ein Trainingscamp für arbeitslose Kicker statt. Nicht wenige nutzten diese Einrichtung, um auf hohem Niveau zu trainieren und sich – oft erfolgreich – für einen neuen Arbeitgeber zu empfehlen.

Daran ändert sich nichts. Younion-Funktionär Pichlmann: "Wir haben wie in der Vergangenheit den Auftrag vom AMS, das Vertragslosen-Camp zu organisieren. Wir werden es durchführen. In gewohnter Qualität und mit den entsprechenden Erfolgen."

Wer dann bei einem Bundesliga-Klub unterschreibt, darf sich über den Kollektivvertrag freuen. Wie sieht es damit aus?

Der Kollektivvertrag

2008 haben der ÖGB und die VdF gemeinsam mit der Schaffung des Kollektivvertrags für Fußballer einen Meilenstein erreicht. Der Kollektivvertrag wurde zwischen ÖGB bzw. younion und der Bundesliga abgeschlossen. Daran hat sich nichts geändert.

Pichlmann stellt klar: "Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer hat ganz klar gesagt, dass es einen KV-Partner gibt – die younion."

Der Kollektivvertrag ist grundsätzlich unbefristet – freilich gibt es für beiden Seiten Kündigungsfristen –, das dort festgeschriebene Mindestgehalt ist bis 2027 geregelt.

Geht es nach der younion, ändert sich daran aber etwas. "Wir werden in Anbetracht der anhaltend hohen Inflation als Gewerkschaft zu Kollektivvertragsverhandlungen antreten. Eine rasche Nachjustierung wird ein Hauptfokus für uns sein", so Kattnig. Zudem gibt es Überlegungen, auch die Profi-Fußballerinnen Österreichs in den Kollektivvertrag zu integrieren.

Die VdF wiederum hat zuletzt beim Bundeseinigungsamt um Kollektivvertragsfähigkeit angesucht, will also künftig als vom ÖGB herausgelöste Interessensgemeinschaft den Kollektivvertrag ausverhandeln.

Sollte das gelingen, wäre es hierzulande ein Novum, bisher ist es keiner Berufsgruppen-Vertretung außerhalb des ÖGB gelungen, Kollektivvertragsfähigkeit zu erlangen.

Kattnig gibt sich dementsprechend entspannt: "Jeder kann ansuchen, wenn er das Gefühl hat, die Voraussetzungen zu erfüllen. Es gibt aber eine ganze Reihe an Rechtsgutachten, die ihnen relativ wenige Chancen zugestehen. Wir sehen dem positiv und optimistisch entgegen. Das hat schon einen Grund, dass der ÖGB die Kollektivvertragshoheit hat."

Baumgartner gibt sich optimistisch, dass der Coup gelingt: "Ich schätze unsere Chancen sehr hoch ein."

Die noch ausstehende Entscheidung des Bundeseinigungsamts, das dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, kann ein Knackpunkt sein.

Die Zukunft

Alle Parteien gehen davon aus, dass im Herbst eine Entscheidung des Bundeseinigungsamts vorliegt. Damit wäre der Instanzenweg aber noch nicht abgeschlossen.

Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, kann es aber noch zu einer Einigung zwischen younion und VdF kommen. "Wir sitzen immer noch am Verhandlungstisch. Es gibt ein Angebot von uns, das wir in den letzten sechs Runden entwickelt haben. Wir wollen im Interesse der Spieler eine Lösung finden. Wir bemühen uns sehr, versuchen seit sechs Monaten eine Kooperation auszuverhandeln. Ich würde die Tür nicht offenhalten, würde ich keine Möglichkeit sehen. Aber das Zeitfenster schließt sich", sagt Kattnig.

Er führt aus: "Die gewerkschaftliche Vertretung – Kollektivverträge, Rechtsschutz und weitere Services – ist in guten Händen bei uns. Das ist unser Kerngeschäft, das wir weitermachen werden. Aber da gibt es große Auffassungsunterschiede. Im aktuellen Vorschlag der Spielervereinigung ist festgehalten, dass wir die Spieler vor Ort nicht betreuen dürfen. Das sind Sollbruchstellen, über die wir nicht drüberkommen. Über die Projekte rundherum kann man sich sicher einigen."

Baumgartner will "seit vier Wochen nichts mehr von der younion gehört" haben. Sagt aber: "Wir sind immer zu Verhandlungen bereit."

Auch eine Koexistenz ist möglich. Allerdings hätte dann die beim Bundeseinigungsamt unterlegene Partei ohne Kollektivvertragsfähigkeit freilich weniger Argumente, warum eine Mitgliedschaft sinnvoll wäre.

Pichlmann findet: "Aus Spielersicht ist es nicht erstrebenswert, dass es Produkt A und Produkt B geben soll. Es soll nicht wie bei einer Versicherung sein, wo ich mir die Frage stelle, wohin ich gehe."

Und was machen die Spieler jetzt?

Die Spieler

Die VdF gibt an, aktuell 980 Mitglieder zu haben, die younion erklärt, 400 Kicker zu vertreten. Younion-Vertreter Pichlmann will aber auch schon "einen Rücklauf" zur younion bemerken. "WSG Tirol ist grundsätzlich geschlossen zum ÖGB zurückgekehrt, auch Spieler der Wiener Austria", führt er zwei Beispiele an. Die VdF bestreitet das.

Pichlmann berichtet, dass ihm Beschwerden über ein zu intensives Buhlen der VdF zu Ohren gekommen seien: "Es gibt Beschwerden von Vereinen, warum die Spielervereinigung permanent in die Kabine gelaufen kommt. Aktuell wird da alle zwei Wochen versucht, in den Kabinen zu mobilisieren. Das stößt den Vereinen sauer auf, die haben im Saisonfinish andere Sorgen."

Gegenpart Baumgartner sieht es auch so: "Für die Spieler geht es derzeit um Auf- und Abstieg, es geht um Existenzen. Der Streit zwischen Spielervereinigung und younion interessiert die Spieler aktuell nicht. Außerdem haben sie eh ihre Entscheidung getroffen und sind Mitglieder bei der VdF."

Noch ist das letzte Wort aber gewiss nicht gesprochen.


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