Mirko Slomka verbindet doch einiges mit Österreich. Der deutsche Trainer hat zwar noch nie hierzulande gearbeitet, war aber zwei Mal kurz davor. Und er hat jahrelang mit Sturm-Coach Nestor El Maestro ein Trainerteam gebildet.
"Er hatte auch schon Auftritte im Fernsehen, nach denen ich ihn angerufen habe und gefragt habe: 'Nestor, was machst du!?!'", berichtet der 52-Jährige, der zuletzt im Rahmen des "Fußballkongress" in Wien war, im LAOLA1-Interview.
Der Coach, der bis November 2019 noch bei Hannover 96 auf der Bank saß, spricht über Avancen aus Österreich, ÖFB-Trainer in Deutschland und erzählt spannende Anekdoten über El Maestro.
LAOLA1: Nur sehr wenige wissen, dass Sie im Sommer 2015 fast Trainer der Wiener Austria geworden wären.
Mirko Slomka: Das stimmt, wir haben miteinander gesprochen und waren uns eigentlich auch einig. Am Ende habe ich mich dann aber entschieden, doch eine Pause zu brauchen. Es waren tolle Gespräche mit Franz Wohlfahrt, wir haben uns zwei Mal in Hannover getroffen. Es wäre auch total spannend gewesen, hat aber zu dem Zeitpunkt nicht gepasst.
LAOLA1: Es war nicht Ihr erstes Angebot aus Österreich, 2008 wollte der ÖFB Sie als Teamchef.
Slomka: Das war nach meinem Engagement bei Schalke 04, da waren wir schon relativ weit. Damals war die ÖFB-U20 Vierter bei der WM, da konnte man schon erkennen, dass es in Zukunft interessant werden könnte. Aber damals ist es auf einer anderen Ebene gescheitert, also nicht an mir.
LAOLA1: Was nicht ist, kann ja noch werden…
Slomka: (lacht) Wer weiß…
"Insgesamt haben sich die Österreicher brutal gut weiterentwickelt"
LAOLA1: Wie erleben Sie den österreichischen Fußball als Außenstehender? Als Sie damals mit der Austria gesprochen haben, gab es das neue Stadion beispielsweise noch nicht. Es hat sich schon viel in die richtige Richtung entwickelt, oder?
Slomka: Auf jeden Fall, wenn man sich die Infrastruktur anguckt – beide Wiener Vereine haben neue Stadien. Die Infrastruktur ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreichen und attraktiven Sport. Dazu gehört aber nicht nur ein gutes Stadion, dazu gehören auch gute Trainingsbedingungen. Wenn man sich etwa das Stadion der Austria ansieht, kann man schon erkennen, dass sich viele Leute den Kopf darüber zerbrochen haben, was sinnvoll ist. Am Ende geht es für Vereine aus Österreich ja darum, Spieler zu entwickeln und sie dann mit einem finanziellen Plus weiterzugeben. Dass es so viele österreichische Legionäre in guten Ligen gibt, unterstreicht ja, dass hier Spieler gut entwickelt werden.
LAOLA1: In der Bundesliga hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich um eine Ausbildungsliga handelt. In den beiden höchsten deutschen Spielklassen stellt Österreich jeweils das größte Legionärs-Kontingent. Warum passen die „Ösis“ so gut nach Deutschland?
Slomka: Die Sprache ist natürlich ein Riesenvorteil – es ist einfacher, sich mit dem Spieler zu beschäftigen, wenn er der Sprache mächtig ist. Es werden ja auch lieber deutschsprachige Trainer verpflichtet. Die Fähigkeiten, die ein Trainer heutzutage haben muss, gehen in Richtung Leadership – und da geht es viel um Kommunikation. Außerdem sind die Österreicher gut ausgebildet. Und die Liga ist mittlerweile auch attraktiv. Und ein Spieler aus Österreich kostet vielleicht nicht gleich zehn Millionen Euro, ist leichter zu finanzieren. Insgesamt haben sich die Österreicher brutal gut weiterentwickelt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir den Blick auch woanders hin richten.
LAOLA1: Wohin denn?
Slomka: Wir schauen auch nach Mali, Senegal, Gabun und so. Die afrikanischen Märkte sind spannend, auch Frankreich. Wir wissen ja, dass dunkelhäutige Spieler besondere Fähigkeiten haben, die deutsche und österreichische Spieler nicht haben. Die genetischen Voraussetzungen, gerade was die Schnelligkeit angeht, sind einfach anders. Man muss ja nur in die Premier League schauen – Sadio Mane ist ein besonderer Spieler, ein besonderer Typ.
LAOLA1: Der Trend in Deutschland geht auch zu österreichischen Trainern oder zu Trainern, die in Österreich Erfolg haben. Oliver Glasner, Adi Hütter, Marco Rose, Damir Canadi, Roger Schmidt, …
Slomka: In Deutschland wird Wert darauf gelegt, Spieler weiterzuentwickeln. Trainer, die in Österreich arbeiten, müssen das ja tun – weil die finanziellen Voraussetzungen nicht gegeben sind, Superstars zu holen, muss mit jungen, talentierten Spielern gearbeitet werden. Auch deutsche Klubs haben nicht die Möglichkeiten wie Premier-League-Vereine, groß zu investieren und fertige Spieler zu holen. Also sind gerade diese Trainer, die mit jungen Spielern gearbeitet haben, besonders gefragt.
LAOLA1: Was halten Sie von Marco Rose?
Slomka: Er war Spieler unter mir bei Hannover 96, hat links in der Viererkette gespielt. Er war schon damals ein Spieler, der sich interessiert hat, der den Eindruck hinterlassen hat, dass er die Dinge verstehen will. Er hat bei Red Bull Salzburg in Österreich eine besondere Ausbildung genossen. Er ist in ein System gepresst worden, das er mitnehmen kann. Das begeistert die Menschen in Deutschland, die sagen: „So wie die spielen, das wollen wir auch!“ Er hat bewiesen, dass er das auch auf Borussia Mönchengladbach umsetzen kann. Gerade Gladbach war auch immer ein Verein, der tolle Talente weiterentwickelt hat. Auch Oliver Glasner ist ein besonderer Trainer mit einer besonderen Ausstrahlung, der super zu Wolfsburg passt. So wie er sich gibt, so wie er mit den Medien umgeht, das ist einfach super, das ist top! Jörg Schmadtke hat da wieder seinen tollen Blick bewiesen.
"Als wir dann 2014 beim HSV beurlaubt wurden, habe ich zu ihm gesagt: 'Nestor, das war unsere letzte gemeinsame Station. Du kannst das selber, du bist stark genug, du musst deine eigenen Wege gehen.'"
LAOLA1: Ein großes Trainertalent hat 2006 im Alter von 23 Jahren bei Ihnen beim FC Schalke aufgeschlagen. Was sind Ihre ersten Erinnerungen an Nestor El Maestro?
Slomka: Ich habe ihn das erste Mal gesehen und fand ihn von seinem Auftritt her außergewöhnlich. Der Hinweis war: Das ist ein interessanter, junger, aufstrebender Trainertyp, der vielleicht in unser Trainerteam passt. Wir haben uns dann zusammengesetzt – Rudi Assauer, Andreas Müller und ich. Nestor hat sich dann vor uns präsentiert. Das war ja nicht so einfach vor diesem Trio. Aber er hat das entspannt und locker gemacht. Da habe ich mir gedacht: Wenn er es schafft, sich vor diesem Gremium zu verkaufen, dann wird er sich auch vor gestandene Profis wie Ebbe Sand, Marcelo Bordon und Mladen Kristajic stellen können. Als junger Trainer musst du Akzeptanz bekommen. In den ersten Trainingstagen war schon zu merken, dass er diese Akzeptanz sofort hatte. Und er hat noch einen riesengroßen Vorteil…
LAOLA1: Welchen?
Slomka: Er ist ein Sprachtalent! Er spricht perfekt Englisch, perfekt Deutsch, Spanisch, Serbokroatisch, und was auch immer sonst noch. Ich kann mich erinnern, dass ich vor einer Sommerpause mal zu ihm gesagt habe: „Nestor, wir kriegen da jetzt zwei Franzosen, können aber beide kein Französisch. Du musst das jetzt machen!“ Dann kam er wieder und hat sich beinahe fließend mit denen unterhalten. Ich nur so: „Hä? Für das, was du da in drei Wochen gelernt hast, hätte ich ein Jahr gebraucht.“ Er meinte nur, er habe einen Crashkurs gemacht. Als wir dann 2014 beim HSV beurlaubt wurden, habe ich zu ihm gesagt: „Nestor, das war unsere letzte gemeinsame Station. Du kannst das selber, du bist stark genug, du musst deine eigenen Wege gehen.“
LAOLA1: Das hat er dann auch getan.
Slomka: Genau. Er war zunächst noch bei der Austria als Assistent von Thorsten Fink, dann in der Slowakei, wo er mit Spartak Trnava Meister wurde, dann war er kurz bei ZSKA Sofia, wo er überraschend entlassen wurde. Und bei Sturm Graz hatte er ja auch schon ein paar spannende Auftritte. (lacht) Wir sind regelmäßig in Kontakt.
LAOLA1: Abgesehen von seinem Fußball-Fachverstand ist er auch ein Typ, der eine Mannschaft emotional mitnehmen kann, oder?
Slomka: Ja, auf jeden Fall. Er ist ein sehr emotionaler Typ. Er hatte auch schon Auftritte im Fernsehen, nach denen ich ihn angerufen habe und gefragt habe: „Nestor, was machst du!?!“ Da muss er noch ein bisschen entspannter werden, aber das kommt mit der Zeit.