"Wir waren nicht in der Lage, uns an das Level unseres Gegners anzupassen", sagte Frankreichs Coach Didier Deschamps nach dem ersten deutschen Sieg in Frankreich seit mehr als elf Jahren. Deschamps wollte ausdrücklich keinen seiner Spieler individuell kritisieren. Man habe "kollektiv versagt", kritisierte der ehemalige Profi, der 1998 als Spieler und 2018 als Trainer mit Frankreich Weltmeister geworden war.
"Les Bleus" erlebten "Lehrstunde"
Schon am Dienstag beim nächsten Test gegen Chile in Marseille erwarte er Besserung, obwohl es "eine Müdigkeit in der Mannschaft" gebe. Das Team um Superstar Kylian Mbappe wisse, was zu tun sei, versicherte Deschamps. Es gebe ein "Wollen und ein Können, heute konnten wir nicht", meinte er. Die Sportzeitung L'Equipe schrieb gar von einer "Lehrstunde. Man hat es nicht kommen sehen, am wenigsten in diesem Ausmaß, diese absolute Lektion (...) und diesen Abend ohne Licht."
Umso heller strahlte über Lyon Deutschlands Stern. Bei den November-Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und gegen Österreich (0:2) war das Selbstverständnis von Nagelsmann längst noch nicht im Team angekommen. Ganz anders das Gesicht nun gegen den EM-Titelfavoriten. "Wir wollten Lebensfreude versprühen, das haben wir getan", stellte Nageslmann zufrieden fest.
Blendende Teamchemie auch dank Rückkehrer Kroos
Nicht zuletzt Toni Kroos überzeugte bei seinem Comeback nach zweieinhalb Jahren im Mittelfeld als Motor und Anker, der einst als "Querpass-Toni" gescholtene Real-Madrid-Kicker zeigte, dass er im DFB-Team auch zum "Steilpass-Toni" werden kann. Hinten füllte der vom Zentrumsspieler zum Außenverteidiger umfunktionierte Joshua Kimmich seine ungewohnte Rolle erfolgreich aus, und in der Offensive ließ Nagelsmann seine Jungstars Florian Wirtz und Jamal Musiala von der Leine.
Das von ihm zu "Zauberern" ernannte Duo offerierte in Lyon nicht nur die erhofften Kunststücke. Sie demonstrierten, dass sie gemeinsam den Unterschied ausmachen können. Wirtz brauchte für sein Premierentor nur knappe acht Sekunden - deutscher Rekord. Und Musiala holte sich für einen Magier untypisch die Spielsicherheit auch mit robusten Balleroberungen. Gemeinsam bereiteten die beiden das 2:0 von Kai Havertz (49.) vor.
"Wir können zufrieden sein. Ich denke, dass wir einen guten Schritt nach vorne gemacht haben. Einen wichtigen Schritt", sagte Kroos. "Das war uns allen klar, weil es die letzten Chancen sind Richtung EM, sich ein bisschen das Gefühl zu holen. Das nehmen wir mit." Unter Beweis stellen kann man das neue Selbstbewusstsein bereits am Dienstag (20.45 Uhr) in Frankfurt neuerlich gegen einen starken Gegner. Dann wartet mit den Niederlanden ein weiterer EM-Gruppengegner Österreichs.