Ohne Fans gibt es keinen Heimvorteil. Das zeigt eine Studie von Salzburger Sportpsychologen, die im Fachjournal "Frontiers in Sports and Active Living" veröffentlicht wurde.
Sie haben dazu Spiele aus acht europäischen Top-Ligen analysiert - rund 600 Matches vor Zuschauern in der Saison 2018/19 und ebenso viele Geisterspiele in der Saison 2019/20. Ohne Publikum gewannen Heimmannschaften vergleichsweise weniger und ihre Spieler erhielten mehr Gelbe Karten.
Aufgrund der Coronapandemie spielten die Fußballteams in der Saison 2019/20 ab März vor leeren Rängen. Aus sportpsychologischer Sicht hätte diese Situation die einzigartige Gelegenheit geboten, den Einfluss des Publikums auf Schiedsrichterentscheidungen und den Effekt des Heimvorteils zu untersuchen, schreiben Michael Christian Leitner und Fabio Richlan vom Centre for Cognitive Neuroscience der Universität Salzburg in ihrer Arbeit.
Dazu untersuchten sie insgesamt 1.286 Spiele in den Top-Ligen Spaniens, Englands, Deutschlands, Italiens, Russlands, der Türkei, Österreichs und Tschechiens. Sie verglichen Ergebnisse, Zahl der Fouls und Gelbe Karten zwischen den jeweiligen Spieltagen der Saison 2018/19 und 2019/20.
Fast zehn Prozent weniger Siege
Die Salzburger Sportpsychologen haben bereits in einer Anfang dieses Jahres veröffentlichten Arbeit gezeigt, dass emotionale Ausbrüche und Streit bei Spielern und Betreuern in Geisterspielen deutlich abnahmen. Dafür hatten sie jeweils zehn Bundesliga-Matches des FC Red Bull Salzburg in den Saisonen 2018/19 und 2019/20 verglichen.
In ihrer neuen Analyse fanden sie deutliche Belege dafür, dass die Anwesenheit von Fans den Heimvorteil beeinflusst. So sank bei den Heimspielen der Prozentsatz gewonnener Partien von 48,1 Prozent vor Publikum auf 39,8 Prozent bei Geisterspielen. Umgekehrt stieg der Anteil verlorener Heimspiele von 27,6 Prozent mit Fans auf 36 Prozent vor leeren Rängen. Der Anteil von Unentschieden blieb praktisch gleich.
Beim Vergleich der wegen Foulspiels verhängten Gelben Karten zeigten sich ebenso signifikante Ergebnisse: In den Geisterspielen nahm die Zahl dieser Verwarnungen gegen Spieler der Heimmannschaft um etwa 26 Prozent zu, während sie gegen Spieler der Gäste nur um etwa drei Prozent anstieg - beides wieder im Vergleich zu der vor Zuschauern abgelaufenen Saison 2018/19.
Einfluss auf die Schiedsrichter-Ausbildung?
Die Wissenschafter sehen einen "offensichtlichen Zusammenhang" zwischen den beiden Effekten: Die Schiedsrichter würden aufgrund der fehlenden Fans bei Geisterspielen weniger sozialen Druck durch das Heimpublikum wahrnehmen, was dazu führe, dass der Heimvorteil verschwinde. Ohne Publikum könnten die Unparteiischen etwa bei der Bewertung von Zweikämpfen objektiver vorgehen, was sich im signifikanten Anstieg der Gelben Karten für Fouls nur bei den Heimteams zeige.
"Dies deutet darauf hin, dass die Schiedsrichter den Heimmannschaften bei Spielen mit Zuschauern einen (unbewussten) Vorteil verschaffen, was zum Heimvorteil beiträgt", schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.
Sie hoffen, dass ihre Erkenntnisse auch praktische Auswirkungen haben, etwa bei der Ausbildung von Schiedsrichtern, damit sich diese besser gegen den Einfluss des sozialen Drucks der Fans wappnen können.