Es ist still geworden um den Mann, den sie einst "König von Tirol" nannten. Dem früheren Fußball-Teamspieler und Meistertrainer Kurt Jara ist das ganz recht so. Am 14. Oktober feiert der Tiroler seinen 70. Geburtstag. Er hat es sich im Ruhestand zwischen Innsbrucker Kaffeehäusern und Golfplätzen in seiner Wahlheimat Valencia eingerichtet.
Dem Corona-Brennpunkt Spanien entfloh Jara nach der ersten Welle, die vergangenen Wochen hat er in seiner Heimat Innsbruck verbracht. Das ging zulasten mancher Hobbies. "Am Golfplatz hier macht man 350 Höhenmeter, das ist schwer zu gehen".
Große Sprünge sind derzeit sowieso nicht drin, vor vier Wochen wurden Jara sechs Stents eingesetzt. Dramatisieren will er die Sache nicht, das Ergebnis ist ihm wichtiger: "Es geht mir jetzt besser als vorher."
"Als ich das erste Jahr in Salzburg war, musste man bei null anfangen, wir hatten ja nicht einmal einen schönen Trainingsplatz"
Die Corona-Zeit nimmt der frühere FC-Tirol-Meistermacher pragmatisch. "Aufpassen ist wichtig - Abstandhalten, wo die Maske Pflicht ist, wird sie aufgesetzt. Aber ich kann mich daheim ja nicht eingraben, man sollte trotzdem leben", sagt Jara im APA-Telefongespräch, während er Frühvormittags in einem Innsbrucker Kaffeehaus sitzt. Der 59-fache Teamspieler und zweifache WM-Teilnehmer (1978, 1982) führt, so sagt er, längst "ein Pensionistenleben": Kaffeetrinken, Radeln am Hometrainer und Fußballschauen im TV. "Ich schaue spanischen, deutschen, österreichischen Fußball - englischen auch noch, dann ist die Woche eh schon gefüllt. Ich kenn mich in den Ligen noch aus, aber direkt damit zu tun habe ich nicht mehr."
Sein letztes Engagement, als erster Salzburg-Trainer nach dem Einstieg von Red Bull, endete im Mai 2006 schon nach 38 Spielen und anschließend jahrelangen Rechtsstreitigkeiten zwischen ihm und dem Getränkekonzern. Die nationale Dominanz und Salzburgs Champions-League-Teilnahmen waren laut Jara "so zu erwarten". "Es ist gut gewachsen. Als ich das erste Jahr dort war, musste man bei null anfangen, wir hatten ja nicht einmal einen schönen Trainingsplatz."
Einige Anfragen
Für ihn gab es seither zwar Anfragen aus "den Arabischen Emiraten", erzählt Jara, und "das Land Tirol und der Landeshauptmann" seien recht interessiert gewesen, ihn als Sportdirektor zum FC Wacker Innsbruck zu lotsen. "Das war noch vor dem Ali Hörtnagl. Da habe ich aber schon gemerkt, wie gut und ohne Stress ich leben kann. Dann hat mir die Unabhängigkeit schon zu gut gefallen."
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Die Stehzeit hatte Folgen. "Das letzte Ziel, das ich haben wollte, konnte ich nicht realisieren", bemerkt Jara, der seine Karriere stets mit dem Teamchefposten krönen wollte. Dass ihm sein früherer Zimmerkollege Marcel Koller 2011 vorgezogen worden war, schmerzte, ist aber verdaut. "Ich hatte vorher schon Angebote, da war ich mir zu jung als Trainer. Ich wollte jeden Tag mit einer Mannschaft am Platz stehen." Nachsatz: "Es hat nicht geklappt, ich akzeptiere es, meine Trainerkarriere war trotzdem schön. Und ich habe mir damit den Grundstock für mein heutiges Leben geschaffen."
Der aktuelle Teamchef, Franco Foda, habe eine beneidenswerte Auswahl an Klassespielern. "Es war früher eine Stärke, dass wir mit Krankl oder Polster absolute Torjäger im Team hatten, und auch zu meiner Zeit gab es einige Topspieler. So breit wie jetzt war der Kader aber nie", sagte Jara.
Ein schlampiges Genie
Er selbst war ein Spielmacher mit einem starken linken Fuß, 1971 debütierte er im A-Team mit einem Tor in Brasilien gleich spektakulär. Die Vereinswechsel des in Berichten als "schlampiges Genie" Titulierten waren aufsehenerregend: 1973 überwies Valencia die damalige Rekordablöse von neun Millionen Schilling an SSW Innsbruck. MSV Duisburg führte 1979 sogar die "Jara-Mark" ein, eine Art Zollgebühr für den Stadionbesuch, um den von Schalke umworbenen Jara zu halten. 27.000 DM, die in zwei Heimspielen erwirtschaftet wurden, reichten nicht. Jara wechselte zu Schalke, zog aber schon eine Saison später nach Zürich weiter.
In der Schweiz fand er eine zweite Heimat und blieb - erst als Spieler bei den Grasshoppers, dann als Trainer - so lange (1981-94) dort, dass sein Tiroler Dialekt eine schweizerische Färbung annahm. Im Land Tirol kam das weniger gut an, doch mit den lang ersehnten Meistertiteln 2000 und 2001 war Jara wieder König. "In der Heimatstadt als Spieler Meister zu werden und dasselbe dann noch einmal als Trainer zu schaffen, 70.000 jubelnde Leute auf der Maria-Theresien-Straße zu erleben, das kann nicht jeder von sich behaupten", meinte Jara. "Die Erfolge in der Schweiz oder in Hamburg mit dem Ligapokal, dem letzten Titel des HSV vor fast 20 Jahren, das waren schon Erlebnisse. Aber die Erfolge in der Heimat waren emotional die schönsten."
Ein kleiner Party-Marathon durch Tirol "jeweils im kleinen Kreis" ist absolviert, den Ehrentag will Jara Corona-konform bei seinem Sohn in Zürich feiern. Besondere Geburtstagswünsche hat der Jubilar, der sich früher als "sensibel und selbstbewusst, impulsiv und bisweilen etwas faul" bezeichnet hat, nicht im Sinn. "Ich bin zufrieden, meiner Familie geht es gut, und ich hoffe, dass ich noch ein Jahrzehnt oder vielleicht ein bisschen mehr habe." Bald geht es wieder zurück nach Spanien. "Mit einem gewissen Alter hat man halt die Wärme lieber."