Er galt als Wunderkind, als zukünftiger Superstar.
Die Karriere von Nikon El Maestro schien von kleinauf vorbestimmt. Als Neunjähriger begeisterte er die Fußballwelt in Youtube-Videos mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten, konnte dribbeln, schießen und sich konsequent gegen meist größere und ältere Gegenspieler durchsetzen.
Der große Durchbruch blieb ihm allerdings verwehrt. Nach vielen Enttäuschungen und Rückschlägen beendete er mit 23 Jahren seine aktive Profilaufbahn.
Dass es am Ende nicht mit der großen Karriere klappte, war verschiedenen Gründen geschuldet. Doch nun schickt sich El Maestro an, eine neue Richtung einzuschlagen. Dieses Mal nicht am, sondern neben dem Spielfeld. In der Trainerbranche ist er wieder der Shootingstar, und verfolgt große Ziele.
LAOLA1 sprach mit dem gebürtigen Serben über dessen Erfahrungen und Zukunftspläne.
Nikon und Nestor: Eine besondere Verbundenheit
Mit 30 Jahren ist El Maestro der jüngste Teilnehmer im aktuellen UEFA-Pro-Lizenz-Lehrgang des ÖFB. Sich mit älteren und erfahreneren Kollegen messen zu müssen, ist er aus seiner Spielerkarriere gewohnt. Dennoch braucht er sich trotz seines jungen Alters nicht vor seinen Mitstreitern zu verstecken.
Als Co-Trainer seines Bruders Nestor hat Nikon in den vergangenen Jahren nämlich einiges erlebt. Von Spartak Trnava in der Slowakei ging es über ZSKA Sofia in Bulgarien zu Sturm Graz, Stationen bei Al-Taawoun in Saudi-Arabien und bei Göztepe in der Türkei folgten. Mittlerweile sind die El Maestros seit über einem Jahr ohne Job.
Die Brüder vereint nicht nur die Liebe zum Fußball, sondern vielmehr der harte Weg im steinigen Fußballgeschäft, den die beiden seit jeher gemeinsam bestreiten.
Als das "Wunderkind" Nikon 2004 zu Valencia wechselte, stimmte der Verein einer speziellen Bedingung zu: Nestor, der schon immer eine Trainerkarriere anstrebte, würde als Jugendtrainer mit nach Spanien kommen. Zwei Jahre später erhielt Nestor die Chance, bei Schalke 04 als Co-Trainer von Mirko Slomka zu arbeiten - dieses Mal folgte Nikon seinem Bruder nach.
Nach dem frühen Karriereende wurde Nikon schließlich als Assistent von Nestor an das Trainergeschäft herangeführt. Ähnlich wie beim elfjährigen Jungen, der mit großen Erwartungen nach Spanien übersiedelte, scheint auch jetzt wieder alles sehr schnell zu gehen.
Nächstes Ziel: Cheftrainer
In naher Zukunft möchte Nikon nun aus dem Schatten des Bruders heraustreten und seine eigene Laufbahn starten. Der Pro-Lizenz-Kurs ist der vielleicht größte Schritt in Richtung Solokarriere, auch wenn sich der 30-Jährige keinen Druck aufsetzen will:
"Ich habe mir keine Deadline gesetzt. Wenn ein Klub mit einem Projekt daherkommt, von dem ich überzeugt bin, dann werde ich das machen. Das kann übermorgen sein, aber auch in zwei Jahren passieren. Da bin ich gelassen", meint El Maestro im Gespräch mit LAOLA1.
Vorbereitet fühlt er sich auf die kommenden Aufgaben allemal.
Die vielen Stationen in verschiedenen Ländern bezeichnet El Maestro als "Riesenerfahrung". Vor allem die Herausforderung, eine Balance zwischen Anpassung und dem Implementieren eigener Ideen zu finden, hebt er hervor:
"Es gibt ziemlich große Unterschiede, wie Spieler von klein auf Fußballspielen lernen. Man muss schon wissen, was sie gewohnt sind und dann versuchen, seine eigenen Prinzipien rüberzubringen."
Der 30-Jährige nimmt seine Engagements sehr ernst, spricht mehrere Sprachen fließend und hat sich in verschiedenen Regionen ein breites Netzwerk aufgebaut. Genau diese Eigenschaften sollen ihm auch bei der Jobsuche zu Gute kommen, wie der Trainer erklärt:
"Wenn man in einem gewissen Markt tätig ist, sollten dich die Leute schon kennen. Ich mag Sprachen, tu mir leicht, diese zu lernen. Grundsätzlich wird überall auf Englisch kommuniziert, aber ich habe mir zum Beispiel während meiner Zeit bei Al-Taawoun Arabisch beigebracht."
El Maestro hat eine klare Meinung und sieht die Trainerrolle als eine, die auch abseits der sportlichen Aufgaben gewisse Anforderungen mit sich zieht.
"Wenn man in ein neues Land kommt, ist es eine respektvolle Sache, sich mit der Kultur zu beschäftigen und speziell auch mit der Sprache. Deswegen versuche ich - wenn die Zeit dafür da ist - mich auch immer in dieser Hinsicht weiterzuentwickeln."
El Maestro: "Hat dann einfach nicht mehr funktioniert"
Bei Sturm Graz musste El Maestro keine neue Sprache erlernen, schließlich zog er mit seiner Familie schon im Alter von acht Jahren nach Wien und nennt Österreich seine Heimat.
Die Saison verlief jedoch nicht wie gewünscht. In der Bundesliga landete man nur auf dem sechsten Platz, während im ÖFB-Cup bereits im Viertelfinale gegen den LASK Endstation war.
"Es war eine schwierige Saison, speziell für uns als Trainer, da wir nach zwei großen Erfolgsgeschichten bei Trnava und Sofia mit großen Erwartungen zu Sturm kamen. Wir haben bei unseren ersten Stationen vielleicht fünf oder sechs Spiele verloren. Dann ging es zu Sturm, wo es natürlich schwieriger wurde", zieht der damalige Co-Trainer Bilanz.
"Für den Verein war es ein Umbruchsjahr und das Timing ist für einen Trainer immer extrem wichtig. Wären wir zwei Jahre später zu Sturm gewechselt, wäre die Erfolgsgeschichte vielleicht eine andere gewesen. Wir sind gut gestartet und am Ende hin hat es dann einfach nicht mehr funktioniert", schlussfolgert El Maestro.
Der exzentrische Nestor sorgte während seiner Amtszeit mehrmals für Schlagzeilen. Besonders in Erinnerung bleibt wohl der Ausraster gegen Red Bull Salzburg, als ihm nach einem Foulspiel die Sicherungen durchbrannten und er lauthals schreiend mit Rot des Feldes verwiesen wurde. Laut Nikon sind diese Dinge im Nachhinein kein Thema mehr:
"Ehrlich gesagt, habe ich mit Nestor nicht oft darüber geredet. Ich glaube natürlich, dass er das bereut. Es ist nicht super rübergekommen und ich schätze, er würde es nicht noch einmal so machen. Natürlich ist es manchmal aus den Emotionen heraus schwer", so der jüngere Bruder.
Zwei Wochen nach dem Vorfall stellte Sturm die beiden frei, nach nur einer Saison war die Zusammenarbeit in Graz schon wieder beendet. Nikon blickt trotzdem ohne Bedauern auf die Zeit zurück: "Für mich bleiben sehr positive Erinnerungen an Sturm, an den Verein und auch an die Stadt Graz. Wir haben uns alle sehr wohlgefühlt", stellt er klar.
Zukunft offen - Vergangenheit abgeschlossen
Wie und wo es für El Maestro weitergeht, ist offen. Schließlich will er sich in Zukunft vor allem genügend Zeit lassen und keine überhasteten Entscheidungen treffen. Auch weil er in seinem Leben nicht immer von vorschnellen Erwartungen profitiert hat:
"Ich bin damals sehr gehyped worden, vielleicht auch in übertriebenem Maße", gibt er bezüglich seiner gescheiterten Spielerkarriere zu.
Die Gefahr, zu früh im Rampenlicht zu stehen und den hohen Anforderungen am Ende nicht gerecht zu werden, ist bei jedem Spieler vorhanden. Schlussendlich hat El Maestro aber mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und ordnet diese auch realistisch ein:
"Die Hauptrolle liegt beim Spieler, und ich glaube, im Endeffekt war ich nicht gut genug für höhere Aufgaben."
"Ich bin sehr froh, drei Jahre lang professionell Fußball gespielt zu haben. Ich sage immer, dass Details entscheiden, ob es für ganz oben oder eine sehr gute Karriere reicht. Im Endeffekt suche ich keine Ausreden und keine Klischees wie 'ich habe mich verletzt' oder ähnliches. Die Hauptrolle liegt beim Spieler, und ich glaube, ich war einfach nicht gut genug für höhere Aufgaben."
Das ehemalige Supertalent weiß, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Die verpasste Chance nutzt er nun, um eine weitere wahrzunehmen, auch wenn es schwerfällt, Parallelen zu ziehen:
"Es sind doch zwei extrem unterschiedliche Jobs, die man fast nicht vergleichen kann. Wenn man aufhört und ins Trainerleben einsteigt, bekommt man sehr schnell einen Schock, wie das tatsächlich zur Sache geht und wie viel man zeitlich investieren muss", erzählt El Maestro, "aber natürlich kann ich Erfahrungen aus meiner Spielerkarriere mitnehmen."
Läuft alles nach Plan, werden ihm diese Erfahrungen schon bald an der Seitenlinie eines Profiklubs zugute kommen.