In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
In dieser Ausgabe haben wir uns mit Fußballtrikots beschäftigt. Diskussionen über die "Wäsch", die die Spieler am Feld und die Zuschauer auf den Tribünen tragen, sind nahezu endlos. Schaut sie gut aus? Wie soll man sich das noch leisten? Was sind das denn für Farben?
Die LAOLA1-Redakteure Christoph Bosnjak und Fabian Beer diskutieren fünf Thesen über Trikots:
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
1.) Es braucht einheitliche, von der Liga vorgegebene Preise mit einer Deckelung von max. 70 Euro für ein Trikot.
Christoph Bosnjak:
Erster Gedanke: Das wäre super für die Fans! Zweiter Gedanke: Die Umsetzung wäre alles andere als einfach. Eine Deckelung von Trikotpreisen ist international keine gängige Praxis, die Österreichische Bundesliga könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Aber ist das in diesem Fall überhaupt erstrebenswert? Der Weg zu einem 70-Euro-Trikot wäre steinig und schwer. Man müsste viele verschiedene Stakeholder ins Boot holen.
Laut unterschiedlichen Berechnungen und Berichten verdient ein Klub nicht 100 Euro an einem 100 Euro teuren Trikot. Bei internationalen Top-Klubs geht der Löwenanteil an den Handel. Sollte der Preis gedeckelt werden, verdienen die Vereine an einem Jersey-Verkauf also noch weniger als ohnehin schon. Für die Preis-Obergrenze können sich die Klubs also wohl nicht begeistern.
Zumal der FC Red Bull Salzburg, der SK Rapid & Co. nicht hauptverantwortlich für die Preise sein dürften. Im Zuge der Recherche der Trikotpreise der heimischen Bundesligisten teilte der TSV Hartberg mit, dass 11teamsports die Preise festlege. Ausrüster wie adidas, Nike & Co., die teils langjährige Verträge mit den Bundesliga-Klubs abgeschlossen haben, werden also ein Wörtchen mitreden wollen – und ich glaube nicht, dass ihnen eine Preis-Obergrenze gefallen würde. Der Worst Case: Die Ausrüster haben keine Lust auf die 70-Euro-Reglementierung, ziehen sich aus Österreich zurück und den Teams kommen Gelder abhanden.
Die Frage ist zugegeben provokativ, aber: Sind 90 Euro wirklich so viel für ein Trikot? Eine Liga-Saison dauert zehn Monate. Das heißt, ich muss, mit Saisonbeginn startend, monatlich neun Euro ins Sparschwein werfen, um mir das Trikot der darauffolgenden Spielzeit kaufen zu können. Für Mitglieder oder Dauerkartenbesitzer gibt es oft Vergünstigungen. Und wenn mir die Wäsch' gefällt, werde ich sie nicht nach einem Jahr wegwerfen, sondern öfters tragen. Plus: Ich bin ja nicht dazu gezwungen, mir jedes Leiberl aus dem Shop zu besorgen.
Eine Idee: Möglicherweise könnte die UEFA als Regulativ eingreifen. In Zusammenarbeit mit der European Club Association (ECA) und den Football Supporters Europe (FSE) wurden jüngst die Auswärtsticket-Preise für die internationalen Klubbewerbe gedeckelt. Oder man macht es wie die WSG Tirol und verkauft das Trikot auch ohne Preisdeckel für schlanke 70 Euro.
Fabian Beer:
Ich finde die Preise, die mittlerweile für Fußballtrikots zu zahlen sind, horrend – und auch überhaupt nicht nachvollziehbar. Zumal ja schon unterschieden wird zwischen noch teureren "Authentic"-Trikots und Fan-Versionen. Aber: Fans haben nunmal kein Anrecht auf günstige Fußballtrikots. Fußballtrikots gehören zum Merch des Klubs, solange Leute diesen kaufen, wird er auch verkauft. Sorry to say.
Wie soll eine Preisdeckelung überhaupt funktionieren, bei aktuell sieben verschiedenen Ausrüstern von zwölf Bundesligisten? Diese werden wohl kaum begeistert davon sein, ihre Ware plötzlich billiger zu verkaufen. Und Hand aufs Herz: die ganz großen Trikot-Verkaufszahlen werden viele Bundesligisten wohl ohnehin nicht haben.
Die Preisgestaltung der Fantrikots liegt nicht nur außerhalb des Einflussbereichs der Bundesliga, es ist meiner Meinung nach auch nicht Aufgabe der Liga, diese Preise zu reglementieren. Die Bundesliga soll sich stattdessen um die Aufgaben kümmern, die auch tatsächlich in ihrem Einflussbereich liegen. Dazu gehören tatsächlich auch Preisdeckelungen, etwa für die Tickets in Auswärtssektoren. Bei den Auswärtsfans könnte man auch anknüpfen – und stärker auf fanfreundliche Anspielzeiten achten. Dann müssten Austrianer nicht am Sonntag nach Altach und Altacher nicht am Sonntag zur Austria.
So viel kosten die Bundesliga-Trikots in der Saison 2024/25
2.) Die Bundesliga braucht eine Maximalgrenze für Werbung auf Fußballtrikots, um Shirts wie jene des TSV Hartberg aus dem Verkehr zu ziehen.
Fabian Beer:
Das wäre vermutlich auch im Sinne der Vereine – wenn es denn so einfach wäre. Die Hartberger werden ihre Spieler ja auch nicht aus Jux als zweibeinige Werbeprospekte auf den Rasen schicken, sondern weil es halt nicht anders geht. Man darf nicht vergessen: Manche Klubs haben ja sogar Probleme, überhaupt einen Brustsponsor zu finden.
In einer Liga wie der Deutschen Bundesliga kann so eine Obergrenze aus optischen Gründen durchaus Sinn machen, dort reißen sich Sponsoren aber auch um die begrenzten Werbeflächen. Ob der TSV Hartberg für sein Ärmelsponsoring plötzlich so viel mehr Geld von seinen Gönnern zu erwarten hat, nur weil die Werbefläche verknappt werden würde, darf zumindest bezweifelt werden.
Und sind wir uns ehrlich: Trikots wie jene der Oststeirer haben über die Jahre ja schon einen ganz eigenen Kultfaktor entwickelt, was irgendwie ja auch einen Werbewert darstellt. Generell gilt für mich: lieber zwei regionale Sponsoren auf dem Stutzen als Qatar Airways auf dem Ärmel. Manche Dinge muss man mit einer guten Portion Selbstironie nehmen.
Christoph Bosnjak:
Da kann ich meinem Kollegen nur zustimmen.
In Österreich ist die Trikotwerbung, anders als bspw. in Deutschland, nicht streng reglementiert. In den Marketingrichtlinien der ÖFBL wird unter Paragraph 3 "Werberestriktionen und -verbote" lediglich darauf hingewiesen, dass gesetzliche Werbeverbote (wie z. B. für Tabak) ausnahmslos zu beachten sind. Zudem darf beispielsweise keine Werbung für alkoholische Getränke oder Spirituosen gemacht werden.
Ich wüsste nicht, warum man diesen Paragraphen verschärfen sollte. Der "#1 Spermbooster"-Schriftzug gehört zum TSV Hartberg wie die Leberkässemmel zur SV Ried. Vor allem für die kleineren Vereine sind regionale Sponsoren und Partner zur Aufrechterhaltung des Spielbetriebs essenziell. Hinter den bunten Formen und Zeichen auf der Wäsch' stecken teils langjährige Partnerschaften zwischen Firmen oder Privatpersonen und den Klubs, wodurch unerlässliche Wertschöpfungen entstehen.
Die Litfaßsäulen-Trikots sorgen bei der Präsentation womöglich alljährlich für Lacher oder Kopfschütteln, sie tun aber niemandem weh. Und wenn der TSV Hartberg auf einmal wie Manchester City spielt, rückt die Wäsch' ohnehin in den Hinter- und der Fußball auf dem Platz in den Vordergrund.
3.) Bei aller Liebe zu euren Design-Künsten, aber nicht jeder Dorfverein braucht ein Venezia-Trikot.
Christoph Bosnjak:
"In Venedig kannst du dir Masken, Miniaturgondeln und alle möglichen Souvenirs kaufen, aber nichts ist so richtig cool. Also müssen wir es hinbiegen, dass der Verein so cool ist, dass jeder etwas mitnehmen möchte", sagte der Grafikdesigner Mirko Borsche, der für das Redesign des Venezia FC verantwortlich war, in der diesjährigen Februar-Ausgabe des "ballesterer". Die zentrale Frage: "Wie kann ich es schaffen, Geld zu verdienen, wenn der Fußball nicht mein Premiumprodukt ist?"
Daraus folgernd, sage ich: Es braucht mehr Venezia-Trikots! Österreichs Dorfklubs können vielleicht nicht den allerbesten Fußball bieten. Im Merchandising steckt aber Potenzial. Mit einem schön gemachten Trikot, das mit originellen Details versehen ist, können Klubs nicht nur bei ihren Anhängern punkten, sondern auch Sympathien von (Noch-)Nicht-Fans gewinnen. Wichtig: Authentizität. Bei einem Trikot gehört sich, wenn man es wirklich gscheit angehen will, dann schon etwas gedacht.
Das Trikot des ASK Voitsberg ist schlicht, aber schön. Die Fanwear – nicht alles, aber ausgewählte Stücke – kann sich ebenfalls sehen lassen. Das Präsentationsvideo der Wäsch' war vielleicht etwas zu dramatisch, hat im Großen und Ganzen aber auch gepasst. Bei mir haben die Steirer, obwohl ich noch nie in Voitsberg war, mit ihrem Trikot und dem damit verbundenen Außenauftritt auf jeden Fall Pluspunkte gesammelt.
Fabian Beer:
Ich muss dem Kollegen vehement widersprechen: (Fast) niemand braucht 2024 noch Venezia-Trikots!
Mittlerweile hat ja sogar Venezia selbst diesen Weg verlassen. Gold, Prunk, Akzentfarben waren mal, die Partnerschaft mit Kappa wurde beendet. Die Trikots hatten ihre Zeit, der Hype war gerechtfertigt, sie waren wunderschön – aber auch, weil sie ihre Stadt verkörperten. Mit Genoa hat sich ein würdiger Nachfolger gefunden, der ebenfalls auf das gleiche, gut gemachte Marketing setzt.
Aber nicht jedes Dorf aus dem Waldviertel steht für Eleganz und modische Stilsicherheit – und auch nicht jeder Amateurklub aus dem Waldviertel muss diese Werte weitertragen. Dazu kommt: Was auf durchtrainierten Fußballerkörpern mit feschen Gesichtern gut ausschaut, steht nicht unbedingt auch dem Wadlbeißer aus der Reserve.
Weniger ist oft mehr. Da darf es dann vielleicht doch einfach der Griff zum Ausrüsterkatalog sein. Vereinsfarben dazu, Sponsorenlogos drauf – gerade im Amateurbereich ist das meistens ohnehin ein sehr sicherer Weg zu lässigen Trikots. Die Venezia-Trikots waren auch deshalb so besonders, weil sie anders waren, plötzlich als Lifestyle-Produkte und mit Models beworben wurden. Das versuchen mittlerweile aber alle – und sind dadurch erst recht wieder genau gleich.
Wer hat das schönste Trikot der Deutschen Bundesliga?
4.) More of the same. Die großen Ausrüster geben sich mit ihren Trikots von der Stange viel zu wenig Mühe.
Fabian Beer:
Nicht alle. Manche aber schon. Wer bei manchen Big Playern im Ausrüsterbusiness nicht zu den ganz großen Namen gehört, bekommt bei ihnen anscheinend auch nicht die ganz große Aufmerksamkeit.
Man nehme eines der Mustertrikots für die aktuelle Saison, koloriere die Stoffflächen je nach Klub in anderen Kombinationen und fertig ist das "schöne" Ding. Ganz beliebter Schmäh: Trainings- oder Aufwärmleiberln anderer Teams umfärben, mit Logo versehen, Sponsoren raufklatschen und um das Dreifache verkaufen.
Dass es auch anders geht, zeigt sich in dieser Spielzeit. Was Ausstatter wie adidas oder hummel heuer zaubern, ist teils wunderschön und erinnert – nicht zufällig – an große Trikots der Vergangenheit. Früher war eben doch manches besser.
Christoph Bosnjak:
Im Endeffekt müssen, wie mein Kollege bereits erwähnt hat, auch die "kleineren Klubs" mit neuer Wäsch' versorgt werden – die exklusiven Deals sind den Top-Klubs vorbehalten.
Zeitlich und logistisch ist es wahrscheinlich auch gar nicht möglich, alles und jeden mit exklusiven oder experimentellen Designs auszustatten. Klubs, bei denen bestimmte Muster wie Quer- oder senkrechte Streifen traditionellerweise Pflicht sind, haben keine Wahl und müssen mit den angebotenen Templates vorliebnehmen. Die können in einer Saison besser, in der anderen wieder schlechter ausschauen.
Ich finde, es ist ohnehin eine Frage der Harmonie. Gewisse "Designs von der Stange" können durchaus fesch sein, wenn sie mit der passenden Farbkombination, schönen Wappen oder Badges und einem Sponsor, der sich gut in das Gesamtbild einfügt, versehen sind.
Pro Saison gibt es zudem ja immer mindestens ein Heim- und ein Auswärtstrikot, zwischen denen sich die Fans entscheiden können. Und im Notfall wird ein Retro-Jersey aus dem Kasten geholt.
5.) Haltet euch doch bitte zurück! Drei neue Trikots pro Saison reichen allemal.
Fabian Beer:
Oktoberfest, Karneval, Vereinsgeburtstag, Stadion-Jubiläum, Schaltjahr. Nicht jedes Ereignis verdient sich ein Sondertrikot. Sondertrikots kann man ja gerne machen, wenn es wirklich was ganz Tolles zu feiern gibt. Runder Geburtstag vom Verein? Logisch. Der einzige Meistertitel der Vereinsgeschichte jährt sich am Wochenende zum 30. Mal oder vor 40 Jahren gewann man mal den Europacup der Pokalsieger und möchte das am Spieltag zelebrieren? Ja, wieso denn nicht.
Es gibt auch Vereine, die weisen mit ein paar angedeuteten Flammen auf dem Sondertrikot auf den wahnsinnig kreativen Fangesang "Leipzig on Fire" hin, mangels Tradition bleiben die Optionen für Sondertrikots gering. Andere Klubs laufen gleich im weiß-orangen Diagonalstreifen auf dem "Baustellen"-Sondertrikot auf – weil das Stadion umgebaut wird. Und wer die ohnehin schon vergangene Bergbautradition der Region hochleben lassen will, kann das doch auch mit einem regulären Trikot tun. Fesch schaut es nämlich aus, zu den Vereinsfarben passen tut es ebenfalls.
Und das ist ohnehin das Wichtigste: Dass Heim- und Auswärtstrikots, in denen die Klubs repräsentiert werden, auch in ihren Farben gehalten sind. Manche sollen sich ja schon damit schwertun.
Christoph Bosnjak:
Grundsätzlich steht es jedem frei, sich pro Saison so viele Trikots zu kaufen, wie man möchte. Manche haben auch ihre Berechtigung. Es würde wohl für Unverständnis bei den Fans des FC Bayern München sorgen, sollte das Wiesn-Trikot urplötzlich nicht mehr produziert werden. Es passt ja auch zum deutschen Rekordmeister, der jedes Jahr das Oktoberfest besucht. Sonderbare oder exklusive Trikots hängen sich Fans sicher auch gerne eingerahmt an die Wand.
Für den Spielbetrieb reichen aber wohl ein Heim- und ein Auswärtsjersey. Für das Herausbringen eines Ausweichtrikots gibt es Argumente – wobei das auch nach hinten losgehen kann. Den Ultras Düsseldorf gefiel die violett- und rosafarbene dritte Dress, die der Klub im vergangenen Juli präsentiert hatte, gar nicht. Die Grundfarben waren nicht das Problem, sondern das Wappen, das nicht in Rot-Weiß, sondern in Violett und Pink erstrahlte.
Das Wichtigste auch bei diesem Thema: Authentizität. Ein Sondertrikot zu einem sonderbaren Anlass? Gerne! Da stimme ich meinem Kollegen voll und ganz zu. Aber ein Jersey, das so gar nicht zum Verein und den Farben passt sowie keinem besonderen Ereignis gewidmet ist? Da bin ich skeptisch.