Sargon Duran ist Taktik-Experte bei LAOLA1.
Der Mann weiß, wovon er spricht und schreibt. Der 36-Jährige ist UEFA-A-Lizenz-Trainer und hat schon jede Menge Erfahrung gesammelt. Er war unter Christian Ilzer Co-Trainer des FK Austria Wien, war Assistent von Irene Fuhrmann beim österreichischen Frauen-Nationalteam und arbeitete unter anderem auch schon als Co-Trainer bei der Admira und beim deutschen Zweitligist SV Sandhausen.
Euch, liebe LAOLA1-User, wird Sargon Duran in den kommenden Wochen mit Inhalten zum Thema Taktik versorgen. Zuletzt hat er sich die Stärken des frischgebackenen Cupsiegers SK Sturm Graz genauer angesehen >>>
Diesmal geht es um den FK Austria Wien und die taktischen Veränderungen seit dem Trainerwechsel im Winter.
Die Wiener Austria hat im Winter einen aufsehenerregenden Trainerwechsel vollzogen. Nach der umstrittenen Trennung von Manfred Schmid präsentierten die Veilchen im Jänner Michael Wimmer als neuen Coach.
Sowohl der Vorgänger, als auch sein Nachfolger sind Trainer, die eine ganz klare Vorstellung davon haben, wie ihre Mannschaften Fußball spielen sollen.
Doch was unterscheidet die beiden voneinander. Für welchen Fußball stehen sie? Denn eines ist klar: Die Austria Wien spielt mittlerweile einen anderen Fußball als unter Schmid.
Die größten Unterschiede werde ich euch in den nächsten Absätzen näherbringen.
1. Grundordnung bzw. Spielsystem
Die Austria unter Schmid hat meistens in einem klaren 4-3-3 bzw. 4-2-3-1 gespielt. Die Abwehrkette bestand zumeist aus einer Viererkette. Davor drei Mittelfeldspieler, entweder ein 6er und zwei 8er oder zwei 6er und ein 10er. Die Außenspuren waren oftmals vom Außenverteidiger und vom äußeren Mittelfeldspieler (Flügelspieler) doppelt besetzt.
Mittlerweile hat sich das geändert, denn es wird mit einer Dreierkette gespielt. Jeweils ein Spieler besetzt die Außenzonen und zwei 6er sind vor der Abwehr positioniert. Die restlichen drei Offensivspieler sind sehr flexibel und gegnerabhängig. Entweder wird mit zwei 10ern und einem Stürmer gespielt (2-1) oder wie im letzten Spiel gegen Sturm Graz mit Fitz auf der 10 und zwei Stürmern Tabakovic und Gruber (1-2). Das heißt entweder im 3-4-2-1 oder 3-4-1-2.
2. Spiel gegen den Ball
Hier sind die größten Unterschiede zu erkennen. Unter Schmid wurde im Mittelfeldpressing verteidigt, das heißt die erste Pressinglinie (Stürmer) orientierte sich in etwa am gegnerischen Mittelkreis. Natürlich gab es auch da ganz klare Pressingauslöser. Entweder bei einem schlechten Ball, einem Pass, der lange unterwegs war, oder es wurde gezielt ein Pressingopfer ausgesucht (das bedeutet, dass das Spiel bewusst zu einem gegnerischen Spieler gelenkt wird).
Unter Wimmer verteidigt die Austria höher und intensiver. Das Pressing wird in die gegnerische Hälfte verlegt. Die Verteidigungslinie ist höher positioniert, oftmals sogar auf der Mittellinie. Das große Risiko, das man mit so einem Pressing eingeht, ist der große Raum, der dadurch hinter der Abwehrkette entsteht. Leider schaffen es zurzeit Mühl, Handl & Co. nicht, konstant 90 Minuten lang fehlerfrei zu verteidigen. Immer wieder passieren unnötige Eigenfehler, die für Punktverluste sorgen.
Bestes Beispiel ist das vergangene Spiel gegen Sturm. Ein ungefährlicher langer Ball von Sturm führt aufgrund einer Misskommunikation zwischen Matteo Meisl und Marvin Martins (der Luxemburger wird von Coach Wimmer nicht mehr als Außenverteidiger, sondern als einer der drei Innenverteidiger aufgestellt) zum zweiten Gegentor in diesem Spiel.
Im Spiel gegen den Ball erzeugen die Stürmer Tabakovic & Co. immer wieder schon sehr hoch in der gegnerischen Hälfte viel Druck. Dieses mutige Anlaufen wird oft mit hohen Balleroberungen belohnt, wonach der Weg zum gegnerischen Tor sehr kurz ist. Viele Torchancen und Tore wurden auf diese Art und Weise kreiert.
3. Umschaltphasen
Was das Umschalten in der Defensive angeht, wird mittlerweile ein sehr intensives Gegenpressing gespielt. Unter Schmid wurde nur gelegentlich – und wenn, dann oftmals nur durch vereinzelte Spieler – versucht, den Ball nach Ballverlust sofort wieder zurückzuerobern. Was folgte, war ein schnelles Fallenlassen hinter den Ball. Das bedeutet, dass die Spieler sich so schnell wie möglich wieder zwischen Ball und eigenem Tor positionieren. Danach wurde wieder im kompakten Mittelfeldblock verteidigt. Unter Wimmer hat man das Gefühl, dass mehr Wert auf das Gegenpressing gelegt wird und es dadurch auch kollektiver abläuft.
Nachdem der Ball erobert wurde (Umschaltphase Offensiv), gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wird sofort ein Konter gestartet, um die Unordnung des Gegners auszunützen, oder der Ball wird in den eigenen Reihen gehalten. In der Vergangenheit war Letzteres öfters der Fall. Seit der Übernahme des Deutschen wird vermehrt das Konterspiel forciert, was auch der Positionierung der Spieler auf dem Spielfeld geschuldet ist. Dazu mehr im nächsten Punkt.
4. Spiel mit dem Ball
Egal in welchem Spielsystem (siehe Punkt 1) die Austria derzeit spielt, es sind sehr viele Spieler in der zentralen Spur vorhanden. Zu den zwei 6ern Fischer und Braunöder kommen noch entweder zwei 10er und ein Stürmer oder ein 10er und zwei Stürmer dazu. Aufgrund dieser Überladung des Zentrums ist es noch einfacher, das Prinzip "Tief-Klatsch-Tief" zu spielen. Aus diesem Grund ist das Spiel mit dem Ball vertikaler ausgerichtet als früher.
Unter Manfred Schmid war das nämlich anders. Aufgrund der breiten Flügelspieler und der Doppelbesetzung auf den Außen wurde automatisch öfters in die Breite gespielt. Der Gegner wurde sehr oft auf eine Seite gebracht, um dann mit einer Spielverlagerung auf die andere Seite zu kommen. Das bedeutet, dass vielmehr über die Außen angegriffen wurde als durch die Mitte.
5. Haris Tabakovic
Die größte personelle Veränderung ist natürlich Haris Tabakovic, denn unter dem Deutschen blüht er so richtig auf, hat seinen Torriecher wiederentdeckt. Der Trainer schenkt ihm großes Vertrauen und wie zahlt es der Stürmer zurück? Genau, mit Toren! Zwölf seiner insgesamt 14 Bundesliga-Tore im Austria-Trikot hat der wuchtige Offensivspieler unter Wimmer erzielt und ist zurzeit nicht aus der Startelf wegzudenken. In acht der elf Spielen, die Tabakovic im Frühjahr absolviert hat, hat er den Platz als Torschütze verlassen. Viermal sogar mit einem Doppelpack. Zum Vergleich: Im ganzen Herbst ist er insgesamt nur 348 Minuten auf dem Platz gestanden und hat nur ein Spiel über 90 Minuten absolviert.
Was zeichnet ihn als Spieler aus? Er ist ein großgewachsener und kopfballstarker Stürmer, der als Zielspieler hervorragend in diese Spielart reinpasst. Eine seiner Stärken ist das Sichern der Bälle, wenn er mit dem Rücken zum gegnerischen Tor steht. Weiters tut sich jeder gegnerische Verteidiger schwer, wenn er in der Luft angespielt wird und er mit seiner Körpergröße den Ball verlängert. Doch die größte Stärke, die Tabakovic auszeichnet, ist sein Strafraumverhalten und seine Abschlusstechnik.
Nicht nur, aber auch aufgrund der vielen hohen Balleroberungen hat er keine allzu weiten Wege in die gegnerische Box, wo er sich am wohlsten fühlt. Seine Freilaufbewegungen sind optimal und wenn er eine Möglichkeit zum Abschluss hat, dann zögert er nicht lange. Seine Bilanz in Österreich, seit er im September 2020 vom damaligen Zweitligisten Austria Lustenau aus Ungarn geholt wurde, ist beeindruckend: 61 Tore in 74 nationalen Pflichtspielen. Eines ist sicher, einer der großen Gewinner des Trainerwechsels und der damit resultierenden Umstellung ist definitiv Tabakovic.
Viele Unterschiede, klare Prinzipien
Wie beschrieben, gibt es viele Unterschiede zwischen den beiden Trainern, doch eines verbindet beide: Sowohl Wimmer als auch Schmid haben eine genaue Vorstellung vom Fußball und arbeiten deshalb auch mit ihren klaren Prinzipien. Beide Trainer sind hundertprozentig von ihrer Spielweise überzeugt.
Von den Verantwortlichen wird jedoch eine bestimmte Spielart bevorzugt, und das ist wiederum ein großer Unterschied…