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Vereinsfusionen: Gemeinsam leben statt einsam sterben

Zusammenschlüsse werden als Antwort auf die Herausforderungen im Amateurfußball häufiger. LAOLA1 begab sich bei drei Vereinen auf die Suche nach den Gründen.

Vereinsfusionen: Gemeinsam leben statt einsam sterben Foto: © Next Level Football Marketing

Elf Freunde müsst ihr sein.

Ein Grundprinzip im Fußball, mit dem Amateurvereine in Österreich immer häufiger zu kämpfen haben.

Aber ein Mangel an Aktiven ist nur eine der Herausforderungen, die das Weiterbestehen eines Klubs in Frage stellen können.

Immer öfter liegt in der Betonung des "gemeinsam" nicht (nur) das Problem, sondern auch die Lösung. Durch Vereinsfusionen und Spielgemeinschaften werden Geschichten weitergeschrieben, die sonst ein Ende gefunden hätten.

Allein in der Steiermark fanden im vergangenen Jahr 2022 drei Fusionen statt: Union Birkfeld, UFC Strallegg und USV Waisenegg fanden sich zum FC Oberes Feistritztal zusammen, der USC Sonnhofen und der USC Rabenwald bildeten die SG Sonnhofen/Rabenwald und der ATuS Wartberg wurde in den SC St. Barbara eingegliedert, der bereits ein Jahr zuvor aus dem FC Veitsch und dem SV Mitterdorf gebildet wurde.

LAOLA1 hat mit den Obmännern der drei neuen bzw. umgewandelten Vereine gesprochen und sich die Geschichten hinter den Fusionen erzählen lassen.


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St. Barbara: Ein Zusammenschluss mit Startproblemen

Während durch die steirische Gemeindestrukturreform zweien dieser Vereinigungen die "Rutsche" gelegt wurde – Waisenegg wurde an Birkfeld angeschlossen; Mitterdorf, Veitsch und Wartberg bilden nun die Gemeinde St. Barbara im Mürztal – war dieser Umstand nur nebensächlich, bestanden die Vereine erst noch weiter für sich.

In allen drei Fällen lassen sich mehrere Gründe ausmachen, warum ein gemeinsamer Weg beschlossen wurde. Immer im Spiel: Der Nachwuchs und das liebe Geld. Aber spätestens nach Corona herrschte mancherorts auch ein Mangel an Aktiven.

Andreas Heschl (Feistritztal), Gerhard Scherleitner (Sonnhofen), Rainer Schlang (St. Barbara)

Die Zusammenarbeit in St. Barbara startete bereits im Jahr 2019 im Jugendbereich, durch die Gründung der "St. Barbara Juniors". Es war schlicht bei allen drei Vereinen zu wenig Nachwuchs vorhanden.

Dass Spieler in Altersklassen, in denen keine Mannschaften gestellt werden konnten, zur nächsten größeren Station nach Krieglach verliehen wurden, brachte ein Problem mit sich.

"Die bekommst du nie wieder. Die haben dort einen Freundeskreis und spielen. Das hat man im Jahr 2019 erkannt und mit einer U10 begonnen, die St. Barbara Juniors aufzubauen", berichtet Obmann Rainer Schlang.

Aus finanziellen Gründen und einem Mangel an Funktionären ließ die Idee der kompletten Zusammenlegung aller drei Vereine nicht lange auf sich warten. Einer sofortigen "Dreier-Fusion" 2021 erteilte der ATuS Wartberg aufgrund des anstehenden 100-Jahr-Jubiläums noch eine Absage, seit 2022 ist zumindest deren Fußballsektion auch Teil von St. Barbara.

"Zwei Vereine hätte es sicher nicht mehr lange gegeben. Einer hätte irgendwie weitermachen können, aber nicht auf einem Niveau, das einer 6.500-Einwohner-Gemeinde entsprochen hätte", ist Schlang überzeugt.

Aktuell geht es für die Kampfmannschaft in der Gebietsliga Mürz um den Aufstieg.

Feistritztal: Höhere Ambitionen durch Zusammenarbeit

Auch im Feistritztal war die Jugendförderung ein zentraler Anker der Vereinszusammenlegung. Durch die gemeinsame Schule entstand eine Akademie, die in weiterer Folge zum Rückgrat der sportlichen Ambitionen werden soll.

"Die Überzeugung war da, dass es nur mit einer Fusion weiterhin ordentlich funktionieren wird. Aber die emotionalen Geschichten haben vieles überlagert, das bekommen wir jetzt auch nicht raus […] Das Misstrauen war schon ziemlich groß, das über die Bühne zu bringen."

St.-Barbara-Obmann Rainer Schlang

Der FC Oberes Feistritztal hat im Vergleich zu seinen Vorgängern die Ziele nach oben geschraubt, auch wenn sich die Gegenwart in der steirischen Unterliga Ost mit dem Abstiegskampf noch schwierig gestaltet.

Im Vergleich zur Konkurrenz soll der Verein nämlich fast gänzlich ohne Legionäre auskommen. "Und ohne Legionäre ist es schwer. Aber wir wollen den Weg auf alle Fälle weitergehen, das war ein Riesengrund für die Fusion", so Obmann Andreas Heschl. In drei Jahren soll aber der Aufstieg anvisiert werden.

Ein weiterer Grund: Die Infrastruktur. Im zwölf Kilometer von Birkfeld entfernten Strallegg gibt es einen Kunstrasenplatz. Und damit einen nicht zu unterschätzenden Heimvorteil. Hauptsächlich wird aber weiterhin im Robert-Almer-Stadion gespielt - der eben erst ausgeschiedene ÖFB-Torhütertrainer begann seine aktive Laufbahn in der Birkfelder Jugend.

So brachte die Fusion auch praktische Vorteile. Aber trotz all dieser Überlegungen gab es auch im Feistritztal einen Überlebenskampf der beteiligten Klubs.

Sonnhofen/Rabenwald: Jugend und Frauenteam adoptiert

Ein Überlebenskampf, den der USC Rabenwald schon fast verloren hatte. Aus Mangel an Aktiven kam keine Kampfmannschaft mehr zustande, der Nachwuchs und die Frauenmannschaft wackelten. Auch hier war es um die Finanzen nicht gut bestellt.

Der USC Sonnhofen kam auf den Nachbarn zu. "Wir haben in früheren Zeiten auch schon eng zusammengearbeitet und wollten, dass die Frauenmannschaft und die Jugend zu uns kommt. Es sind bei uns doch immer weniger Kinder. Wir haben auch gesehen, dass es ohne Spielgemeinschaft eng wird – auch für die Frauen", so Obmann Gerhard Scherleitner über die Idee.

Rabenwalds Frauen: Neues Zuhause beim Nachbarn

Rabenwalds Spieler hätten mit dem Fußball aufgehört, wären weggezogen oder hätten sich sportlich nach oben orientiert. Irgendwann war die Basis zu dünn.

Ganz anders die Lage bei den Frauen, die regen Zuspruch an Spielerinnen erfahren. "Bei uns gibt es sportlich nicht so viele Möglichkeiten. Deswegen kommen viele Mädchen zum Fußball, auch in den Nachwuchsmannschaften sind viele dabei", freut sich Scherleitner.

Und mit dem Erhalt der Frauenmannschaft bleibt ihnen auch eine Perspektive. Trotz der Spielgemeinschaft blieb das Team hauptsächlich eine Rabenwalder Angelegenheit, genau wie die jüngsten Nachwuchsmannschaften bis zur U10. Gelegentlich gibt es aber Doppel-Veranstaltungen mit den Männern in Sonnhofen.

Die Zusammenarbeit, die kaum einer wollte

Im Sport reichen Nöte und praktische Überlegungen mitunter aber nicht, einen gemeinsamen Weg zu finden. Besonders im Fall von St. Barbara waren die Emotionen, die sonst auch mal beflügeln, ein Hemmschuh.

"Die Überzeugung war da, dass es nur mit einer Fusion weiterhin ordentlich funktionieren wird. Aber die emotionalen Geschichten haben vieles überlagert, das bekommen wir jetzt auch nicht raus", so Schlang, der 2021 als "neutraler" Obmann bestellt wurde und zuvor keinem der beteiligten Vereine angehörte.

"Ich bin 2015 'zuagrast'. Das Misstrauen war schon ziemlich groß, das über die Bühne zu bringen", so der Vereinsboss. Das Misstrauen konnte bis dato nicht beigelegt werden.

So ist der SC St. Barbara weiterhin eine vorwiegend Veitscher Angelegenheit. "Es gibt außer mir keinen Funktionär aus Mitterdorf und mit Ausnahme des Kassiers niemanden aus Wartberg. Die Wartberger wollen mit dem Verein nichts zu tun haben, es gibt auch keine Mitglieder von dort", bedauert Schlang.

Ein Mitgrund ist womöglich die sportliche Rivalität zwischen St. Barbara und Wartberg, zuletzt Konkurrenten in der Unterliga.

So konnte der Mangel an Funktionären auch durch die Fusion nicht behoben werden. Die Mitterdorfer Funktionäre sprangen ab, als eine Abstimmung über den Spielort zu Ungunsten Mitterdorfs ausfiel.

Und das Problem ende nicht beim Vorstand, sondern ziehe sich bis zu den Trainern, auch die Mitgliederzahl sei von den zusammengerechneten 100 auf etwa 30 zusammengeschrumpft.

Wenn die Emotionen dem Sport in die Quere kommen

Und diese mangelnde Identifikation hat auch ihren Einfluss auf den Sport.

"Im ersten Jahr sind wir abgestiegen. Diese Emotionen erzeugen Turbulenzen, das ist nicht zu unterschätzen. Und das Gefühl hat sich auch in der Mannschaft gefunden", so Schlang.

"Es wäre vielleicht drei, vier Jahre weitergegangen. Aber irgendwann wären die Vereine zusammengebrochen. Man muss nur auf den Rückgang der Schülerzahlen in den Schulen schauen."

Feistritztal-Obmann Andreas Heschl

Die zweite Mannschaft, die vorwiegend aus Spielern Mitterdorfs bestand, sei überhaupt weggebrochen. "Die haben sich nicht mehr identifizieren können, auch nicht mit dem Status als zweite Mannschaft, obwohl der gleiche Trainer da war. Größtenteils haben die komplett zu spielen aufgehört, ein paar sind zu anderen Vereinen abgewandert."   

Und im Nachwuchsbereich passiere es, dass Eltern aus St. Barbara ihre Kinder zu anderen Vereinen schicken, weil der Zuspruch zum neuen Verein fehle. Daraus könnte langfristig auch ein Mangel an Trainern entstehen, die ihre "Laufbahn" oft im Windschatten ihrer Kinder aufnehmen.

Es geht auch nachbarschaftlich

Probleme, die man andernorts nicht kennt. Alles sonnig in Sonnhofen – fast jedenfalls.

Zwar hätten sich ehemalige Funktionäre der Rabenwalder auch ein wenig quergelegt, aber im Angesicht der Umstände schnell kleinbeigegeben. "Die haben nur geredet, um den aktuellen jungen Vorstand zu verunsichern", ist Scherleitner sicher.

Für die "Jungen" selbst gäbe es überhaupt kein Problem, zumal es sich bei Sonnhofen/Rabenwald "nur" um eine Spielgemeinschaft und keine Fusion handelt. Die Zeiten hätten sich im Vergleich zu den 1980er-Jahren, als jede Ortschaft im Großraum Pöllau ihren eigenen Verein hatte, einfach geändert.

Konkurrenzdenken hätte es auch nie gegeben, im Gegenteil: "'Unsere' sind sowieso komplett dafür. Es gibt doch auch Beziehungen und Verwandtschaft nach Rabenwald. Es spielt sich auch viel beim dortigen Buschenschank ab, wo wir oft mit den Rabenwaldlern zusammenkommen. Von daher war da immer ein gutes Verhältnis."

Mal hier, mal dort

Auch echte Fusionen können reibungslos ablaufen, wie im Feistritztal. "Konkurrenzdenken war nie ein Thema bei uns. Die Spieler haben sich schon gekannt, Strallegg und Birkfeld waren in einer Liga. Die Herrschaften sollten sich verstehen, was bei uns aber durchwegs der Fall ist", so Heschl.

Mangelnder Identifikation wurde durch ein "Rad" vorgebaut, das eigentlich in Birkfeld spielende erste Team tritt pro Halbsaison zweimal in Strallegg an.

"Damit auch diese Gemeinde vom Fußball lebt und jede die Chance hat, ihre Fans ins Stadion zu bekommen. Das wird sehr gut angenommen, eher sogar besser als vorher."

"Wenn man Pläne schmiedet, die keiner mittragen will, wird jeder Verein tot sein."

St.-Barbara-Obmann Rainer Schlang

Ein grundlegendes Problem gäbe es nur struktureller Natur, da die Fusion vom steirischen Verband unterstützt wurde: "Die waren froh, dass das geschieht. Die sehen ja auch, dass die Vereine immer weniger werden."

Schwierig sei die Lage aber in der zweiten Mannschaft, in der nur vier Spieler älter als 23 Jahre sein dürfen. "Da ist es schwer, einem Spieler mit 22 Jahren zu erklären, dass wir ihn bald nicht mehr brauchen, da er den Sprung in die Kampfmannschaft nicht schaffen wird. Da wäre es sehr von Vorteil, wenn zumindest sechs Spieler älter sein dürften", wünscht sich Heschl.

Andernfalls könnten weitere Aktive abhanden kommen.

Eine Nummer größer steigt auch die Anziehungskraft

Abgesehen von diesen Problemen herrscht an allen drei Fronten aber Zufriedenheit mit dem Status quo. Die erhofften Effekte der Fusionen bzw. Spielgemeinschaften seien bis dato eingetreten.

"Wir sind jetzt viel besser aufgestellt. Und wir ziehen jetzt auch die Leute aus Rabenwald an. Bis jetzt sind wir also vollauf zufrieden", kommen nur zufriedene Töne aus Sonnhofen.

Auch im Feistritztal ist die Zufriedenheit über die Fusion spürbar, aber der sportliche Erfolg – der jetzt noch fehlt – wird für das Projekt essentiell sein.

"Es wäre vielleicht drei, vier Jahre weitergegangen. Aber irgendwann wären die Vereine zusammengebrochen. Man muss nur auf den Rückgang der Schülerzahlen in den Schulen schauen", so Heschl.

"Wir sind halt jetzt in der Unterliga, und wenn du da gute Spieler hast, kommen die abhanden. Je höherklassiger du spielst, umso leichter sind die Spieler zu halten."

Umgekehrt sei der FC Oberes Feistritztal als Projekt auch wieder attraktiv genug, ehemalige Spieler zurückzuholen, die den Durchbruch andernorts nicht ganz geschafft haben.

Auch die Finanzen sind nicht nur stabiler geworden, sondern ein größeres Thema im Betrieb. "Das ist mit der Jugend und drei Kampfmannschaften schon eine Herausforderung. Die Ausgaben sind höher. Es geht auch nicht mehr, dass die Spieler gar nichts mehr bekommen. Und uns ist das Rundherum mit Einkleidung, Masseur und technischem Equipment auch ein Riesenanliegen. So kann man die Spieler am ehesten noch an den Verein binden", sagt Heschl.

Die Erfolge sollen die Leute ins Boot holen

Und in St. Barbara würde es zumindest durch sportliche Erfolge schon gelingen, die Zuschauer auch aus den weniger begeisterten Orten anzuziehen.

"Vom Spielermaterial her hätte keiner der drei etwas erreichen können, weil das Geld nicht da war. Jetzt haben wir das Personal. Und Spieler aus St. Barbara, die woanders spielen, kommen vielleicht zurück. Das sind positive Ausblicke und das verstehen die Leute schon, zumindest in meinem Umfeld."

Dem SC St. Barbara gehe es jetzt auf jeden Fall besser als jedem der drei beteiligten Vereine zuvor. "Aber wenn man Pläne schmiedet, die keiner mittragen will, wird jeder Verein tot sein."

Fazit: Anders wird es (oft) nicht mehr gehen

So stehen die drei Vereine stellvertretend für ein Phänomen, dass sich in den kommenden Jahren gezwungenermaßen weiter ausbreiten könnte. Denn die Herausforderungen werden ähnliche Formen annehmen: Zu wenig Nachwuchs, zu wenige Aktive, zu wenige Funktionäre, zu wenig Geld.

Die Zeit des "Kirchturmdenkens", in dem jeder Ort seinen eigenen Fußballverein braucht, kommt zu einem Ende. In den meisten Fällen notgedrungen.

"Auf kurz oder lang geht es ohne Spielgemeinschaften nicht. Die Kinder beim Fußball werden immer weniger, weil die Geburtenrate sinkt und es viele andere Möglichkeiten gibt. Da müssen die Vereine in den unteren Klassen ein anderes Denken entwickeln und im Nachwuchsbereich mehr zusammenarbeiten. Denn ohne Nachwuchs wirst du a la longue keine gute Kampfmannschaft mehr haben. Das geht sich nicht aus", ist Schlang überzeugt.

Seinen eigenen Fusionsklub werde es noch lange geben – vorausgesetzt, es finden sich genug Menschen, die eine Funktion übernehmen wollen. "Aber sportlich funktioniert es. Vonseiten des Vorstands gibt es keine Tendenzen, pessimistisch in die Zukunft zu blicken."

Auch im Feistritztal und in Sonnhofen wird mit einer Zunahme der Fusionen und Spielgemeinschaften gerechnet: "Es haben viele Vereine Probleme. Das wird ein Thema werden", so Heschl.

"Unsere Spielgemeinschaft wird sicher noch etliche Jahre bestehen", ist auch Scherleitner sicher.

Zeit, sich an diese Zusammenschlüsse zu gewöhnen. Wo es notwendig sein sollte, auch wider Willen. Aber manchen Herausforderungen kann man eben nur gemeinsam begegnen.

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