Die Lage ist brisant, sportlich wie politisch: Wenn der Iran und die USA am Dienstag (20.00 Uhr/live ServusTV und im LIVE-Ticker >>>) im entscheidenden Gruppenspiel bei der Fußball-WM in Katar aufeinandertreffen, steht nicht nur das Achtelfinal-Ticket auf dem Spiel.
Im Al Thumama Stadium in Doha geht es auch um Prestige zwischen zwei Erzfeinden, die schon seit mehr als 40 Jahren diplomatische Rivalen sind. Und um politische Zeichen angesichts der angespannten Lage im Iran.
Inmitten der schwersten Proteste seit Jahrzehnten ist der Druck auf Irans Team Melli im Fokus der Weltöffentlichkeit enorm.
Anders als bei der WM 1998 in Frankreich, als die Iraner unter dem Slogan "Die Mutter aller Spiele" mit 2:1 gegen die USA triumphierten und damit den ersten WM-Sieg überhaupt feierten, die Torschützen Hamid Estili und Mehdi Mahdavikia zu Nationalhelden wurden und das Spiel noch heute von den Funktionären der Islamischen Republik als größter Erfolg der nationalen Fußball-Historie gefeiert wird.
Schon vor dem Turnier in Katar hieß es aus Teheran vor dem Duell gegen den "Großen Satan" USA: Dieses Spiel darf nicht verloren werden.
Brisante Ausgangslage
Klar ist: Nur ein Sieg in der letzten Partie der Gruppe B bringt einen sicheren Platz in der K.o.-Phase. England führt mit vier Punkten vor dem Iran (3), den USA (2) und Wales (1). Die Iraner wollen erstmals in ihrer WM-Historie die Gruppenphase überstehen, wofür unter Umständen auch ein Remis gegen die US-Boys um Christian Pulisic oder Timothy Weah reichen könnte. Die Amerikaner sind jedenfalls zum Siegen verdammt.
"Das Spiel ist wie ein K.o.-Spiel - siegen oder nach Hause fahren", sagte US-Coach Gregg Berhalter, der gleichzeitig versuchte, die sportliche Bedeutung hervorzuheben.
"Ich gehe davon aus, dass das Spiel hart umkämpft sein wird - weil beide weiterkommen wollen und nicht, weil es um Politik oder die Beziehung zwischen unseren Ländern geht", sagte er. Das Schöne am Fußball sei, dass er Menschen auf der ganzen Welt durch die gemeinsame Liebe zum Sport verbinde.
Nach zwei Unentschieden gegen Wales (1:1) und England (0:0) haben die US-Amerikaner weiter alles in der eigenen Hand, um wie 2014 ins Achtelfinale einzuziehen.
Vor zwanzig Jahren hatte es sogar für den Einzug ins Viertelfinale gereicht. "Jedes Mal, wenn man bei einer WM ins letzte Gruppenspiel geht und sein Schicksal selbst in der Hand hat, ist das eine ziemlich gute Sache", betonte Berhalter.
Politische Wirren überschatten Leistungen
Bei den Iranern, die sich nach dem Auftakt-2:6 gegen England mit einem 2:0 gegen Wales rehabilitierten, sind die Erwartungen riesig. Während sich die Führung der Islamischen Republik mit dem Achtelfinal-Aufstieg Rückenwind in der Innenpolitik verspricht, fordern die Anhänger der Proteste auf der Weltbühne ein Zeichen der Solidarität.
Während das Team Melli gegen England noch mit dem Nicht-Singen der Nationalhymne ein Zeichen setzte, gaben die Spieler dem Druck nach und stimmten gegen Wales die Hymne an - wenn auch recht leidenschaftslos.
Trainer Carlos Queiroz legte genauso wie sein Gegenüber den Fokus aufs Sportliche. "Unsere Vorbereitung begann mit einer guten Erholung, um den Geist zu erfrischen und den Müll aus unseren Köpfen zu verbannen. Wir konzentrieren uns auf unser Ziel, denn wir wollen den iranischen Fans dieses Geschenk machen", sagte der Coach, warnte aber: "Die USA haben auch eine hervorragende Mannschaft."
Mit einem Sieg hofft die politische Führung in Teheran auf ein neues Nationalgefühl. Gleichzeitig birgt eine Niederlage die Gefahr des genauen Gegenteils. Ohnehin sind viele Iranerinnen und Iraner gespalten in der Frage, ob sie sich an einem Erfolg der Mannschaft freuen können, während hunderte Menschen in der Heimat getötet und Tausende verhaftet wurden - darunter Ex-Teamspieler Vouria Ghafouri.
VIDEO - alle Infos zum Spiel Iran gegen USA: