In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.
Von Nottingham Forest über den FC Vaduz und Torino bis Dinamo Zagreb haben wir schon einige Klubs portraitiert. Hier kannst du alle Nachlesen >>>
Zur WM 2022 nehmen wir auch Nationalmannschaften unter die Lupe. Den Anfang machen die 10er Argentiniens: Hier lesen>>>
Danach blickten wir auf den FC Malaga, dem nicht einmal George Clooney helfen konnte. Die Story findest du hier >>>
Australien blickt mittlerweile auf eine durchaus sehenswerte WM-Historie zurück. Bereits zum sechsten Mal werden die "Socceroos" heuer an einer Endrunde teilnehmen. Wie stehen die Chancen der vom früheren Guus-Hiddink-Assistenten Graham Arnold betreuten Mannschaft? Welche namhaften Spieler findet man im Kader?
LAOLA1 wagt einen Blick in die WM-Historie der Australier, stellt das aktuelle Team vor und blickt voraus auf die anstehenden Herausforderungen in Katar.
Ein steiniger Weg
In der Qualifikation für die Katar-WM mussten die "Socceroos" durchs interkontinentale Playoff, wo man sich in einem dramatischen Spiel gegen den fünftplatzierten der Südamerika-Qualifikation Peru, mit 5:4 nach Elfmeterschießen durchsetzen konnte.
Die Qualifikation in Asien läuft in vier Runden ab. Zunächst treffen die in der Weltrangliste am schlechtesten platzierten Teams in einem ersten Playoff aufeinander. Kurzum: Wer dort verliert, ist umgehend raus. Danach werden die übriggebliebenen Teams gemeinsam mit den 34 weiteren Mitgliedern des asiatischen Kontinentalverbandes AFC in insgesamt acht Gruppen eingeteilt. Australien spielte in Gruppe B mit Kuwait, Jordanien, Nepal und Taiwan und setzte sich erwartungsgemäß souverän durch.
Danach folgt eine weitere Gruppenphase mit zwei Gruppen zu jeweils sechs Teams. Die "Socceroos" belegten hinter dem überraschend starken Saudi-Arabien und Japan Rang drei und mussten ins Asien-interne Playoff gegen den anderen Drittplatzierten, die Vereinigten Arabischen Emirate. Dank eines späten Treffers von Ajdin Hrustic behielt die Elf von Graham Arnold mit 2:1 die Oberhand.
Doch auch dies bedeutete noch nicht die Qualifikation für die WM. Anschließend musste man noch ins bereits erwähnte interkontinentale Playoff mit Peru, erst dann durfte man sich dank des knappen Sieges als WM-Teilnehmer bezeichnen. Ein harter Kampf auf einem steinigen Weg, auf dem die Australier ihr großes Kämpferherz unter Beweis stellten.
Ein "heilender" Verbandswechsel
Es ist die insgesamt sechste WM-Teilnahme der "Socceroos". Das erste Mal qualifizierte man sich im Jahr 1974, seit 2006 jedes Mal. Dies hängt auch mit dem Verbandswechsel im Jahr 2005 zusammen. Bis dahin war Australien Teil des Ozeanischen Fußballverbandes. Doch Teams aus diesem haben in der Qualifikation von Haus aus einen schweren Stand. Ozeanien hat keinen fixen Startplatz für die WM hat, der Sieger der dortigen Quali muss in ein Playoff gegen einen südamerikanischen Vertreter.
Apropos 2006: Damals verfügten die Australier über den vielleicht besten Kader aller Zeiten. Mit Star-Coach Guus Hiddink als Teamchef reisten die Inselkicker mit einem von hochwertigen Akteuren gespickten Kader nach Deutschland. Namen wie Mark Schwarzer, (2016 sensationell Premier-League-Sieger mit Leicester und Christian Fuchs), Harry Kewell (Champions-League-Sieger 2005 mit Liverpool), Mark Viduka (UEFA-Cup-Finalist 2006 mit Middlesbrough und Emanuel Pogatetz) und Tim Cahill (Stammgast im Europacup mit Everton).
In der Gruppenphase eliminierte man vor 16 Jahren den späteren Vizeweltmeister Kroatien sowie Japan. Im Achtelfinale brachte man Italien (österreichische Fußballfans teilen dieses Leid) an den Rand einer Niederlage. Der spätere Weltmeister wankte, aber er fiel nicht. Dank eines umstrittenen Foulelfmeters in Minute 95, verwandelt von Francesco Totti, zitterte sich die "Squadra Azzura" ins Viertelfinale. Italien sollte im ganzen Turnier einer Niederlage nie mehr so nahe kommen wie in diesem Spiel.
Eine ganze Nation hinter der "Goldenen Generation"
Darauf entsinnt sich im LAOLA1-Interview auch ein Mann noch ganz genau, der damals als hoffnungsvoller Nachwuchskicker im heimischen Wohnzimmer vor dem TV mitfieberte: James Holland, seines Zeichens Mittelfeldspieler bei Austria Wien. "Ich kann mich noch ganz genau erinnern", denkt der 33-Jährige gerne zurück. Der australische Fußball erlebte damals gerade einen Boom.
"Das war wirklich das erste Mal, dass ich mich erinnern kann, dass ganz Australien mit einer Mannschaft mitgefiebert hat", erinnert sich Holland. Die Niederlage schmerzte: "Diese goldene Generation hätte es, glaube ich, in diesem Spiel verdient gehabt, zu gewinnen oder zumindest in die Verlängerung zu kommen", befindet der langjährige Österreich-Legionär.
Der 16-fache australische Teamspieler muss auch diese WM vor seinem Farbfernsehgerät zubringen, da er von Arnold nicht für das Turnier berücksichtigt wurde. Verbittert ist er deswegen aber keinesfalls. Vielmehr spürt man im Gespräch sein Feuer und seine Leidenschaft, mit der er hinter seinem Team steht. "Ich bin hier. Als Spieler und als Fan", lässt er wissen. Es sei natürlich schade, nicht dabei zu sein. "Aber das ist ganz einfach eine Entscheidung, die der Trainer getroffen hat und die muss man annehmen. Das gehört im Fußball einfach dazu", hält Holland fest.
Seine Teamkarriere wird er definitiv fortsetzen, wie er gegenüber LAOLA1 bestätigt. "Für mein Land da zu sein, für dieses Team zu spielen, ist für mich das schönste", sagt der Mittelfeldspieler. "Ich würde nie sagen: 'Ich spiele nie wieder in der Nationalmannschaft.' Für die Nationalmannschaft bin ich immer bereit", erklärt er.
"Einer der besten, gegen die ich je gespielt habe"
Speziell Harry Kewell stach bei den Australiern damals heraus. Der Flügelspieler glänzte mit seiner genialen Schusstechnik, die ihm auf der Insel Vergleiche mit David Beckham einbrachte. Auch im Eins gegen Eins hatte der seine Stärken. Dass er "nur" Champions-League-Sieger mit Liverpool wurde und ihm eine Karriere wie dem englischen Superstar verwehrt bliebt, lag auch der Verletzungsanfälligkeit Kewells, der zweifellos das Potenzial zur Weltklasse besaß.
"Er war einer der besten Spieler, gegen die ich gespielt habe, und natürlich der beste australische Fußballer aller Zeiten", brachte es NBC-Experte Robbie Mustoe einst auf den Punkt. Die Fans, Spieler und Medien Australiens sahen dies ebenso: Im Jahr 2012 wurde der heute 44-Jährige zum besten australischen Fußballer aller Zeiten gewählt. Auch Holland meint, dass "das, was Harry Kewell drauf hatte, schwer zu toppen" sei.
Gelingt dem aktuellen Team bei der WM in Katar eine ähnliche Sensation wie ihren Vorgängern? Wobei ähnlich hier wohl die falsche Wortwahl ist, denn: Unter dem Strich sind die beiden Kader rein qualitativ nicht vergleichbar. Sollte es Australien über die Gruppenphase hinaus schaffen, wäre die Sensation ungleich größer.
Spannenden Parallelen
Beim Turnier in Katar wurde Australien in die Gruppe D mit Frankreich, Dänemark und Tunesien gelost. Gleich zum Auftakt (Dienstag, ab 20 Uhr im LIVE-Ticker >>>) bekommt man es mit dem amtierenden Weltmeister zu tun. Danach wird das Programm etwas leichter: Am 26.11. trifft die Arnold-Elf auf den vermeintlich machbarsten Gegner Tunesien, zum Abschluss der Gruppenphase duelliert sich die australische Auswahl mit Dänemark (30.11., ab 16 Uhr im LIVE-Ticker >>>).
Spannend wird zu sehen sein, wie sich die "Socceroos" im Vergleich zur WM 2018 schlagen. Auch damals fanden sie sich in einer Gruppe mit Dänemark und Frankreich wieder. Gegen den späteren Weltmeister unterlag man knapp mit 1:2. Den Dänen rang man ein 1:1-Remis ab. Der dritte Gruppengegner damals war Peru, das man in der Qualifikation für die diesjährige Endrunde ausschaltete.
"Wir sind auf jeden Fall die Außenseiter", unterstreicht Holland Australiens Ausgangslage. "Das ist auch jedem bewusst. Es ist aber auch eine Rolle, die zur australischen Mannschaft und zu deren Mentalität passt", streicht der 33-Jährige das Positive daran hervor. Er traut den "Socceroos" eine "Überraschung" zu, wie er sagt. "Die Mannschaft hat den nötigen Teamgeist dafür", betont er Australiens wohl größten Trumpf.
Kaliber wie einst Kewell, Cahill oder Viduka sucht man im WM-Kader nämlich vergebens. Die Elf von Graham Arnold kann auf keinen einzigen Spieler aus diesem Regal zurückgreifen. "Heute macht uns nicht die individuelle Qualität der Mannschaft aus, sondern die Kompaktheit", beschreibt Holland die Stärken der Mannschaft.
Ein Jungstar in der Auslage
Die potenziell wohl besten Akteure sind Kapitän und Torwart Matt Ryan (FC Kopenhagen) und Aaron Mooy (Celtic Glasgow), die zumindest bei international renommierten Klubs engagiert und dort auch Leistungsträger sind. "Aaron Mooy halte ich für einen super Fußballer", sagt Holland über den 32-jährigen Mittelfeldregisseur. Darüber hinaus verfügt man mit Ajdin Hrustic von Hellas Verona über einen Akteur "der Spiele entscheiden kann", wie Holland sagt.
Und dann wäre da noch Garang Kuol. Der 18-Jährige gilt derzeit als das größte Talent im australischen Fußball und wechselt im Jänner zu Newcastle United. Nicht nur phonetisch drängt sich hier ein Vergleich mit Harry Kewell auf. Das Potenzial zur Nachfolge des Jahrhundert-Spielers besitzt der Jungstar jedenfalls.
"Ich glaube, man muss aber auch immer aufpassen, dass man einem jungen Spieler nicht zu viel Druck auferlegt", stellt Holland klar. "Er hat auf jeden Fall diesen X-Factor", beschreibt der Australier seinen Landsmann. "Was er auch mitbringt, ist dieser Arbeitswille, außerdem ist er sehr bescheiden", sieht er weitere positive Voraussetzungen beim 18-Jährigen.
Für einen Einzug ins Achtelfinale muss ob der Gruppengegner Frankreich, Dänemark und Tunesien aber sehr viel mitspielen. "Es ist eine WM und da sind schon verrücktere Sachen passiert", zeigt sich Holland optimistisch. "Never say never", gibt er das Motto vor.
Bei einem Aufstieg träfe man auf ein Team aus der Gruppe C. In dieser befinden sich WM-Mitfavorit Argentinien, Mexiko, Polen und Saudi-Arabien. Doch damit wird man sich in diesem Fall wohl noch früh genug beschäftigen. Denn zunächst muss den "Socceroos" erst einmal der Sprung dorthin gelingen. Und boxen sich die Känguru-Kicker tatsächlich ihren Weg ins Achtelfinale, sind sie womöglich schwer einzufangen.