Eines steht fest: In ganz Österreich wird am kommenden Mittwoch-Nachmittag kein Mensch so gebannt vor dem Fernseher sitzen wie ein gewisser Andreas Ivanschitz.
Spanien gegen Costa Rica (am Mittwoch ab 17:00 Uhr im LIVE-Ticker>>>) – nicht viele Fußball-Begegnungen können bei der heute 39-jährigen ÖFB-Legende vermutlich mehr Nostalgie und Emotion hervorrufen als besagtes Duell in der Gruppe E der Fußball-WM in Katar.
Denn das Spiel zwischen der "Furia Roja" und der Sensationsmannschaft der WM 2014 ist für Ivanschitz alles andere als ein einfaches WM-Gruppenspiel – es ist das Aufeinandertreffen zwischen dem Land, welches ihn bis heute prägt und für immer einen Platz in seinem Herzen einnehmen wird, und dem Team eines alten Freundes, auf dessen Schultern die Hoffnungen von rund fünf Millionen Costa Ricanern lasten.
Spanien - das Maß aller Dinge
Andreas Ivanschitz gilt bis heute als einer der schillernsden ÖFB-Fußballer des vergangenen Jahrzehntes. Der 69-fache Nationalspieler Österreichs blickt auf eine unglaubliche Profi-Laufbahn zurück. Von Athen bis Seattle, von Pilsen bis Valencia - Ivanschitz schnürte die Schuhe für Vereine quer über den Globus verteilt.
Wenn der heute als Nachwuchskoordinator bei der Vienna tätige Burgenländer allerdings über die Zeit von Sommer 2013 bis Sommer 2015 spricht, strahlen seine Augen.
Nach vier Jahren beim FSV Mainz 05 in der deutschen Bundesliga, wagte der Burgenländer den Sprung zu UD Levante in die spanische Primera Division.
Die beiden Saisonen bei dem in Valencia beheimateten Klub sollte Ivanschitz in weiterer Folge häufig als die prägendste Ära seiner Laufbahn bezeichnen.
Obwohl Ivanschitz mit seinem Verein des öfteren Bekanntschaft mit dem Abstiegskampf machen musste, hinterließ die spanische Spielphilosophie einen bleibenden Eindruck beim Österreicher.
"Es war nicht zu vergleichen mit Spielen in Deutschland. In Spanien, wenn es um ein Entscheidungsspiel geht, auch um die hinteren Ränge, wird Fußball gespielt. Das ist eines der größten Merkmale. Es werden immer spielerische Lösungen gefunden, egal ob gegen Barcelona oder eine Mannschaft, die ganz unten drinsteht. Es werden nur ganz selten die Bälle nach vorne geschlagen, es werden immer Dreiecke gesucht."
"Da ist ein Traum in Erfüllung gegangen"
Die Sprache, die Kultur, die Lebensweise – Ivanschitz konnte durch seinen Transfer an die Südostküste Spaniens seine kühnsten Träume wahr werden lassen, wie er gegenüber LAOLA1 verrät: "Es war immer ein Traum, in Spanien zu spielen. Da ging ein Traum in Erfüllung, den spanischen Fußball kennenzulernen, die Kultur kennenzulernen, die Sprache zu erlernen und die Highlight-Spiele gegen Barca, Real oder Atletico Madrid natürlich. Die zwei Jahre waren sicher eine der prägendsten Zeiten meiner Karriere. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Ich konnte mich als Sportler weiterentwickeln, aber auch als Mensch enorm viel mitnehmen."
Auch und vor allem auf fußballerischer Ebene. Ob die goldene Generation der Spanier oder ewige Legenden des Spiels wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Neymar - mit all ihnen kreuzte Ivanschitz in der Primera Division von 2013 bis 2015 im blau-roten Levante-Dress regelmäßig die Klingen.
Doch obwohl Ivanschitz den ganz großen Namen meist als Gegner gegenüberstand, so fand er sich in der Saison 2013/14 als Teamkollege eines Mannes wieder, der heute dreifacher Champions League-Sieger ist und nun am Mittwoch mit seiner Heimat Costa Rica auf das Land trifft, in dem sich die Wege der beiden Fußballer bei UD Levante kreuzten. Die Rede ist von Keylor Navas.
Aufstieg hautnah miterlebt
Angesprochen auf die Tormann-Legende Costa Ricas kommt Ivanschitz nur schwer aus dem Schwärmen heraus, und schildert gleichzeitig den Aufstieg des Torhüters. "Er war damals Zweier-Torhüter. Als ich zu Levante dazugekommen bin, hat man ihm gesagt: 'Ab jetzt bist du die Nummer eins'. Er hat dann ein Jahr überragend gespielt, extrem an sich gearbeitet, hat uns viele, viele Punkte gerettet, und wir haben auch dank ihm eine der besten Saisonen gespielt."
Die Fähigkeiten des 107-fachen Nationalspielers Costa Ricas seien außerdem nicht auf das Torwartspiel beschränkt: "Er ist auch ein überragender Fußballer. Auch mit dem Fuß ist er sehr stark."
Berufen für Höheres
Das blieb nicht lange unbemerkt. Navas wurde nach einer unglaublichen Spielzeit zum Torhüter des Jahres in Spanien ausgezeichnet. Eine grandiose WM 2014 mit Costa Rica ließ Real Madrid hellhörig werden – im August war es dann schon so weit.
Navas wechselte von Ivanschitz-Klub Levante an die "Avenida de Concha Espina" zu den "Königlichen". Und der Rest ist Geschichte. Navas konnte in Madrid jede auch nur erdenkliche Trophäe gewinnen und sich seit dem zu den großen Torhütern des Spiels zählen. Nach fünf Jahren wechselte er im September 2019 in die Ligue 1 zu Paris Saint-Germain.
Der spektakuläre Werdegang des Costa Ricaners überrascht Ivanschitz in keiner Weise: "Ein absoluter Teamplayer, bodenständig und extrem ehrgeizig, was die Arbeit auf dem Platz betrifft. Deswegen hat er auch die Karriere eingeschlagen, die er eingeschlagen hat, da ist einfach ein richtig großer Torhüter entstanden.“
Besonders der Mensch hinter dem Fußballstar beeindruckt Ivanschitz auch heute noch nachdrücklich: "Er ist einfach ein extrem bodenständiger Typ. Ich konnte ihn näher kennenlernen. Wir sind sehr oft gemeinsam zum Training gefahren, er war auch einer, der mir in der Anfangszeit sehr viel geholfen hat, er konnte ein bisschen Englisch, das hat mir geholfen - und das zeichnet ihn auch aus."
Helden von gestern
Nun möchte der Torwart bei der WM-Endrunde in Katar noch einmal angreifen. Die "Ticos", wie die Costa-Ricaner auch liebevoll genannt werden, wollen im Golfstaat mit geballter Routine an vergangene Sternstunden anzuknüpfen. Mit Joel Campbell (30), Bryan Ruiz (37) und vor allem Keylor Navas (35) vertraut Coach Luis Fernando Suarez auf die Helden der Sensations-WM in Brasilien 2014.
Unvergesslich ist das Erreichen des Viertelfinales – nachdem man sich in einer Gruppe mit Italien, England und Uruguay sensationell als Gruppen-Sieger den Aufstieg in die K.o-Phase sicherte, machte Costa Rica im Elfmeterschießen gegen Griechenland das Unmögliche möglich.
Dabei avancierte einmal mehr Ivanschitz-Freund Keylor Navas zum Helden, als er den entscheidenden Elfmeter von Theofanis Gekas mit einem Wahnsinns-Reflex parierte. Erst im Viertelfinale musste man sich den Niederlanden, erneut im Elfmeterschießen, geschlagen geben. Da war Navas aber bereits zum Nationalhelden aufgestiegen.
"Ticos" wollen es noch einmal wissen
2018 in Russland schied man dagegen sang- und klanglos in der Gruppenphase aus, dieses Jahr soll nun noch einmal Geschichte geschrieben werden.
Andi Ivanschitz traut den Mittelamerikanern vor allem dank ihres Teamgeists und ihrer Mentalität eine Überraschung zu: "Was die Mannschaft schon auszeichnet, und auch Keylors Charakter ist dieses positive Lebensgefühl, die Dankbarkeit Fußballer zu sein und diese Kraft, diese Power zu sagen 'Wir wollen gemeinsam Erfolg haben'. Deshalb können solche Nationen immer gefährlich und unterm Strich erfolgreich sein."
Mit Deutschland und Japan warten neben Spanien in der Gruppe E zwei weitere "harte Brocken" auf die "Ticos".
Unterstützung von altem Bekannten
Ivanschitz würde sich dennoch über einen erneuten Erfolgslauf Keylor Navas' und seines Heimatlandes freuen. Das kommunizierte er diesem auch im Vorfeld des Turnieres über die sozialen Netzwerke.
"Ich hab ihm über Instagram alles Gute für die WM gewünscht, er hat auch zurückgeschrieben, das hat mich sehr gefreut. Ich drücke ihm natürlich die Daumen, wünsche ihm alles Gute und hoffe er spielt ein tolles Turnier mit seiner Mannschaft."
Wie auch immer das Aufeinandertreffen zwischen Spanien und Costa Rica ausgeht – Andi Ivanschitz wird den Fernseher vermutlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge abschalten. Und ziemlich sicher in Erinnerungen an Zweikämpfe mit Andres Iniesta und Autofahrten mit Keylor Navas schwelgen.
Hier präsentiert Ivanschitz seine "Wödtruppn":