Am Tag nach der Sensation werden sich nicht wenige Fußballfans in Japan die Augen reiben und hoffen, aus einem Traum nicht zu erwachen.
Japan hat mit einem 2:1-Sieg über Spanien die sogenannte Todesgruppe E überstanden, und nicht nur das: Die "Samurai Blue" wurden gar Gruppensieger und schlugen mit Deutschland sowie Spanien die Weltmeister von 2014 und 2010. Der Lohn für den Weltmeister-Schreck ist nun ein Achtelfinal-Duell mit Vizeweltmeister Kroatien.
Das Spiel gegen Spanien war eine Blaupause der Sensation gegen die Deutschen zu Beginn der WM. Zur Pause 0:1 hinten und klar unterlegen, kamen die Japaner deutlich aggressiver als in der ersten Halbzeit aus der Kabine. Sechs Minuten nach der Pause hatten sie durch Tore von Ritsu Doan (48.) und Ao Tanaka (51.) das Spiel gedreht.
Fans feiern "Wunder von Doha"
Und damit Begeisterungsstürme bei den Fans zu Hause ausgelöst, die zu nachtschlafender Zeit ihre Mannschaft anfeuerten. Schließlich war der Anpfiff um 4.00 Uhr Japan Standard Time. "Doha entzückt erneut", titelte eine Zeitung auf ihrer Online-Präsenz und erinnerte an das "Wunder in Doha", wie Japans Sieg über die Deutschen genannt wurde.
Die Fans riefen "Nippon" (Japan in japanischer Sprache, Anm.) und strömten auf die berühmte Shibuya-Kreuzung in Tokio. Die Polizei hatte Mühe, die Menge unter Kontrolle zu halten. Die Sportzeitung "Nikkan Sports" produzierte direkt eine Sonderausgabe, um über den unerwarteten Erfolg zu berichten.
Diese konnte im ganzen Land an Druckern in sogenannten Convenience-Stores, die 24 Stunden geöffnet sind und an beinahe jeder Straßenkreuzung zu finden sind, bezogen werden.
Sogar der Regierungschef feiert
Der Triumph erfasste sogar die Politik: Japans Premierminister Fumio Kishida sagte vor Journalisten, der Sieg war "historisch" und gratulierte Teamchef Hajime Moriyasu und Verbandspräsident Kozo Tashima am Telefon. "Wir freuen uns auf das Achtelfinale. Kämpf weiter, Japan!", schrieb Kishida auf Twitter.
Japans Triumph ist noch außergewöhnlicher, wurde er doch im Fall des Spanien-Spiels mit lediglich 17,7 Prozent Ballbesitz geschafft - der wenigste bei einer WM, seit diese Statistik aufgezeichnet wird. Spanien spielte mehr als 1.000 Pässe.
Doch die Japaner störte das keineswegs. Ebensowenig, dass über das Siegestor wohl noch lange diskutiert werden wird. Tanaka hatte den Ball aus kurzer Distanz ins Tor befördert.
Der Ball schien beim Zuspiel von Kaoru Mitoma von hinter der Torlinie zu kommen. Nach zweiminütigem Studium der Bilder gab der Video-Assistent (VAR) den Treffer allerdings, der Deutschland letztlich aus dem Turnier beförderte.
Die Bild-Zeitung schrieb von einem Millimeter-Drama: "Wie Wembley". Damit spielte sie auf das WM-Finale 1966 zwischen England und Deutschland an, bei dem Geoff Hurst zum Lattenpendler traf und der Ball möglicherweise nicht vollständig die Torlinie überquert hatte. Der Schiedsrichter gab den Treffer damals.
"Günstige" Niederlage für Spanien
Mit den Japanern stiegen, sehr zum Ärger der Deutschen, die von den Samurai Blue geschlagenen Spanier auf. Das 7:0-Schützenfest gegen Costa Rica zum Auftakt reichte letztlich klar, auch wenn "La Roja" für einige Minuten draußen war, weil Costa Rica zwischenzeitlich führte.
Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique war trotz der Qualifikation sauer: "Ich habe nichts zu feiern, ich bin überhaupt nicht zufrieden. Wenn Japan noch zwei Tore mehr gebraucht hätte, hätten sie uns die reingemacht", sagte der 52-Jährige nach der Niederlage. "Wir sind fürs Achtelfinale qualifiziert, das war das Ziel. Aber nicht auf diese Art."
Der Spanien-Coach sprach von "zehn Minuten Panik" angesichts von zwei Gegentoren direkt nach der Pause. "Fußball ist manchmal ein unerklärlicher Sport", sagte er. Das Ergebnis reichte am Ende beiden Teams zum Weiterkommen - was dazu führte, dass in der Schlussphase kein Team ein Risiko einging. "Wir haben alles gegeben", beteuerte Spaniens Coach.
Die Niederlage kann sich allerdings als günstig erweisen. Die Spanier treffen als Gruppenzweiter nun im Achtelfinale am Dienstag auf Marokko. Japan muss einen Tag früher auf den Platz und hat mit Kroatien das auf dem Papier deutlich schwierigere Spiel vor sich.
VIDEO - So errang Japan Platz eins in Gruppe E: