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Setzen Serbiens Adler zum Höhenflug an?

Können die Serben zur großen WM-Überraschung werden? Vor allem die geballte Offensivkraft der Elf von Dragan Stojkovic beeindruckt.

Setzen Serbiens Adler zum Höhenflug an? Foto: © getty

In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.

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Aleksandar Mitrovic (FC Fulham), Dusan Vlahovic, Filip Kostic (beide Juventus Turin), Sergej Milinkovic-Savic (Lazio Rom), Dusan Tadic (Ajax Amsterdam) und Luka Jovic (AC Fiorentina). Es gibt Teamchefs, die haben bei der anstehenden Weltmeisterschaft in Katar größere Offensiv-Sorgen als Serbiens Dragan Stojkovic. Der Teamchef der "Orlovi" (zu Deutsch "die Adler") kann auf ein Überangebot an Offensivstars zurückgreifen.

Eine (Halb-) Reihe dahinter stehen mit Sasa Lukic (FC Turin) Marko Grujic (FC Porto) und Filip Djuricic (Sampdoria Genua) zudem weitere “Primgeiger” zur Verfügung. Die Qualifikation für das Turnier im Wüsten-Emirat wurde für die Stojkovic-Elf zum großen Erfolg - mit 20 Punkten aus den acht zu absolvierenden Spielen schaffte man den direkten Sprung ins WM-Starterfeld.

Unter dem Radar

Was also kann man von der Elf mit der prominent besetzen Offensive erwarten?

Die Serben flogen trotz ihres unbestrittenen Potenzials in den letzten Jahren unter dem Radar. Das soll sich nun ändern, geht es nach Teamchef Stojkovic. Man wolle, so der Coach gegenüber "Tuttosport", "die Überraschungsmannschaft der Weltmeisterschaft" werden. Dieser Begriff trifft es wohl am besten, wenn man die Stojkovic-Elf mit einem Wort beschreiben möchte.

Stojkovic brachte den Umschwung.
Foto: © getty

Überraschung insofern, als dass man sich nicht für die im Vorjahr ausgetragene EM 2020 qualifizieren konnte. Die "Orlovi" scheiterten in der Qualifikation in Gruppe A am damals amtierenden Europameister Portugal und der Ukraine. Teamchef Ljubisa Tumbakovic musste daraufhin den Hut nehmen.

In der WM-Qualifikation wurde den Serben erneut Portugal und so die große Chance auf eine Revanche zugelost. Und tatsächlich sollten sie ihre Sache beim zweiten Versuch deutlich besser machen.

Dies hängt auch mit der Verpflichtung von Stojkovic als Trainer zusammen. Die lebende Fußballlegende war einst Kapitän der jugoslawischen Nationalelf und wurde als Spieler Meister mit Roter Stern Belgrad und Olympique Marseille.

Mitrovic macht sich um Volkshelden

Der Neo-Coach schraubte nur geringfügig am Kader, verpasste dem Team jedoch ein neues spielerisches und taktisches Gewand. Stojkovic wandte sich ab vom auf Spielkontrolle ausgelegten Kick, hin zu einem explosiven und überfallsartigen Spielstil, der den Stärken der Spieler viel mehr entgegenkommt.

Im neuen Anzug gelang es gegen die Kontrahenten aus Portugal, Irland, Luxemburg und Aserbaidschan ungeschlagen zu bleiben. So krönte man sich zum Gewinner in Gruppe A.

Ausschlaggebend für den Gruppensieg war der zugleich emotionalste Moment aus Sicht der serbischen Fans. Im entscheidenden Spiel gegen Portugal köpfte Fulham-Bomber Mitrovic in der Nachspielzeit das 2:1 und sein Team ins Glück.

Der 28-Jährige steht mit seinem Treffer sinnbildlich für die Weiterentwicklung, welche das Team unter Stojkovic genommen hat. Dem 57-Jährigen gelang es, aus der Mannschaft wieder eine Einheit zu formen, die neben ihren fußballerischen Qualitäten auch durch ihre Mentalität und Leidenschaft besticht. Die heißblütigen serbischen Fans tun ihr Übriges.

"Mega-Sturm" soll zum Tornado werden

Seit Stojkovic das Trainerzepter schwingt, ging erst ein Bewerbsspiel verloren (0:1 in der Nations-League gegen Norwegen). Das große Prunkstück der Serben ist dabei die bereits angesprochene Offensive.

Der "Mega-Sturm" um Mitrovic, Jovic und Vlahovic kommt zusammengenommen auf 67 Tore im Teamdress. Ersterer allein erzielte 50 davon. Auf die gegnerischen Abwehrreihen kommt also ein Tornado zu.

In den jüngsten vier Länderspielen gelangen Mitrovic sechs Volltreffer. Auch in der Premier League trifft der 28-Jährige nach Belieben und hält bei neun Toren aus zwölf Spielen. Der Fulham-Export befindet sich zur besten Zeit in der Form seines Lebens. Die WM in Katar könnte für ihn zur großen Bühne werden.

Bisher steht er trotz seiner überragenden Leistungen in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings im Schatten von Dusan Vlahovic, der in den vergangenen beiden Jahren förmlich explodierte.

Serbiens Bomber: Vlahovic (li.) und Mitrovic (re.)

Der 2018 von Partizan Belgrad zur AC Fiorentina gewechselte Angreifer bombte sich mit seinen Leistungen ebenso in die Herzen der Fans und so auch in die internationale Auslage. Im Sommer des Vorjahres griff Juventus zu und holte den baumlangen Stürmer für über 80 Millionen Euro nach Turin. Zuvor waren ihm in den Jahren 2020 und 2021 in 58 Spielen nicht weniger als 38 Treffer und acht Vorlagen für den Mittelständler aus Florenz gelungen.

Obwohl Juventus heuer bisher eine eher durchwachsene Saison erlebt, hält Vlahovic bei sieben Toren aus 15 Spielen. Kurz vor der WM wurde er von Adduktorenproblemen ausgebremst, die Gruppenspiele werden zeigen, wie sich dies auf seine Form ausgewirkt hat. Zeigt sich der 22-Jährige bei der WM aber ähnlich treffsicher wie in der Vergangenheit, könnte ein Abschied von der "Alten Dame" früher kommen, als es seinem Klub lieb ist.

Kein Platz im "Weißen Ballett"

Lange schien es allerdings so, als würde ein ganz anderer der neue, große Star der serbischen Adler werden: Luka Jovic. In der Saison 2018/19 gelang dem einstigen Jungstar bei Eintracht Frankfurt der große Durchbruch. Jovic traf scheinbar nach Belieben und führte die "Abteilung Attacke" der Frankfurter um ihn, Ante Rebic und Mijat Gaćinović an. In 93 Partien sammelte er 50 Scorerpunkte, was Real Madrid auf den Plan reif.

Der spanische Rekordmeister überwies anno dazumal 63 Millionen Euro für die Dienste des Torjägers in die Main-Metropole und machte ihn so zum Rekordverkauf der Hessen. Dort geriet die Karriere des einstigen Überfliegers ins Stocken. Jovic fand sich beim "Weißen Ballett" nicht zurecht, kam in seiner Debüt-Saison nur auf 420 Minuten Spielzeit, in der ihm lediglich zwei Treffer gelangen.

Wechsel nach Italien tat ihm gut: Luka Jovic
Foto: © getty

Die spanischen Verantwortlichen suchten nach einer Lösung, diese bestand in einer Leihe zurück nach Frankfurt. Doch dort sollte sich die alte Mär, wonach nur ein Gulasch aufgewärmt gut schmeckt, bewahrheiten. Jovic pendelte zwischen Bank und Startelf, konnte an seine früheren Leistungen nicht anschließen. Nur vier Treffer sollten ihm gelingen, Frankfurt ließ sein einstiges Liebkind nach Ablauf der Leihe wieder ziehen.

Dennoch wollte ihm Reals neuer Coach Carlo Ancelotti eine Chance geben. Jovic konnte aber auch im zweiten Anlauf nicht überzeugen, ein Tor und drei Assists waren die magere Ausbeute in der Saison 2021/22. Erneut sollte eine Leihe Abhilfe schaffen, der mittlerweile 24-Jährige wechselte Anfang dieser Saison zur Fiorentina.

Auch dort brauchte er ein wenig Anlaufzeit, hält mittlerweile aber bei soliden sieben Treffern, seine Formkurve zeigt nach oben. Nichtsdestotrotz wird er sich zunächst voraussichtlich hinter Vlahovic und Mitrovic anstellen müssen. Dennoch gibt es als Trainer wohl Schlimmeres, als einen Jovic in der Hinterhand zu haben.

Bärenstarke Vorlagengeber

Eine Etappe dahinter stehen die Serben nicht weniger gut da: Im Mittelfeld ist Sergej Milinkovic-Savic gesetzt. Der Sohn von GAK-Legende Nikola Milinkovic ist seit Jahren unersetzlicher Leistungsträger bei Lazio Rom, auch er könnte mit einer starken WM schon bald für einen anderen Arbeitgeber dem Ball nachjagen.

Auf dem linken Flügel führt an Vlahovic’ Klub-Kollegen bei Juventus, Filip Kostic, kein Weg vorbei. Der antrittsstarke Linksfuß ist für seine messerscharfen und präzisen Flanken bekannt. Im Frühjahr geigte er noch mit Eintracht Frankfurt in der Europa League groß auf, errang mit der von Oliver Glasner trainierten Mannschaft sensationell den Titel und wurde zum Spieler des Bewerbs gewählt.

Darüber hinaus verfügt Teamchef Stojkovic mit Dusan Tadic über einen weiteren Ausnahmekönner. Der 33-Jährige führt die "Orlovi" als Kapitän ebenso an wie Champions-League-Stammgast Ajax Amsterdam. Er agiert meist als Spielmacher, kann aber auch auf dem rechten Flügel spielen. Was ihn auszeichnet, ist seine herausragende Spielintelligenz und Kreativität, welche ihn für seine Position als offensiver Freigeist prädestiniert. Beeindruckend: In den beiden letzten Spielzeiten gelangen Tadic unglaubliche 85 Scorerpunkte für Ajax.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Serben mit zu den offensiv gefährlichsten Teams der WM gehören. Unter Teamchef Stojkovic erzielte das Team im Schnitt 2,15 Tore pro Spiel. Dem gegenüber steht ein Gegentorschnitt von 0,95, was auf den ersten Blick ganz gut aussieht. Die Defensive wirkte unter Stojkovic aber speziell gegen Teams aus den oberen Regalen nicht immer sattelfest und vermittelte das Gefühl, immer für ein Gegentor gut zu sein.

Außerdem ist den Serben zu wünschen, dass sie von Verletzungen verschont bleiben. Denn der Kader ist in der Spitze zwar stark, in der Breite jedoch fehlt internationale Klasse. Die erste Elf ist stark besetzt, dahinter fällt das Leistungsniveau zusehends ab.

Keine leichte Übung

Noch nie kam Serbien seit seiner Unabhängigkeit bei einem großen Turnier über die Gruppenphase hinaus. In Katar ist man für eine Achtelfinal-Premiere so gut aufgestellt wie noch nie.

Jedoch waren die Serben bei der Auslosung nur sehr bedingt vom Glück gesegnet. Die Gruppe G mit Brasilien, der Schweiz und Kamerun wird von vielen Experten und Fans als die hochkarätigste angesehen. Dennoch sollten die "Orlovi" in der Lage sein, sich mit den Eidgenossen und den "Löwen" um Platz zwei hinter der "Selecao" zu matchen.

Nachdem man sich in der Qualifikation bereits an Portugal revanchieren konnte, hat man bei der Endrunde nun gegen die Schweiz und Brasilien weitere Chancen auf Wiedergutmachung.

Gegen die Eidgenossen kam bei der WM 2018 das Aus in der Gruppenphase, als man im entscheidenden Spiel aufgrund eines Gegentreffers in letzter Minute die Segel streichen musste. Auch Brasilien war damals in Serbiens Gruppe E, die Südamerikaner behielten mit 2:0 die Oberhand.

Kommen die serbischen Adler bei der WM gut in die Lüfte und ist ihnen zudem das Glück auch ein wenig hold, könnte ein ungeahnter Höhenflug bevorstehen. Nicht zuletzt, da die Serben dank ihrer temperamentvoll-impulsiven Fans, ihrer Leidenschaft und mentalen Stärke ab dem Achtelfinale wohl eine Art "Turbo-Boost" aktivieren könnten.

Das Tor zur Welt - alle Episoden:

#1 Nottingham Forest

#2 AC Monza

#3 FC Vaduz

#4 FC Torino

#5 Hapoel Be'er Sheva

#6 FC Andorra

#7 Dinamo Zagreb

#8 Argentinien

#9 FC Malaga

#10 Katar

#11 Australien

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