Am 22. November absolviert die australische Nationalmannschaft ihr erstes Gruppenspiel bei der WM in Katar. Der Gegner zum Auftakt ist niemand geringerer als der amtierende Weltmeister aus Frankreich (ab 20 Uhr im LIVE-Ticker).
Ein Mann, der in den letzten Jahren regelmäßig im Kader der "Socceroos" stand, wird allerdings nicht gegen Mbappe & Co auflaufen: James Holland.
Der Mittelfeldspieler der Wiener Austria wurde von Teamchef Graham Arnold nicht für das Turnier berücksichtigt.
Im LAOLA1-Interview spricht der 33-Jährige über Australiens Chancen bei der WM, stellt den Kader vor, erklärt etwaige Nachwuchs-Probleme der Australier und äußert sich zu seiner Nicht-Berücksichtigung für die WM. Außerdem verrät er, wen er für den besten australischen Spieler aller Zeit hält.
LAOLA1: Was erwartest du von Australien bei der WM? Wie siehst du die Chancen in einer Gruppe mit Frankreich, Dänemark und Tunesien?
James Holland: Es ist auf jeden Fall keine einfache Gruppe. Es ist ja sogar fast die selbe Gruppe wie letztes Mal (Frankreich und Dänemark waren auch 2018 in Australiens Gruppe, Anm.). Wir sind auf jeden Fall die Außenseiter. Das ist auch jedem bewusst. Es ist aber auch eine Rolle, die zur australischen Mannschaft und zu deren Mentalität passt. Die Jungs wissen das und sie sind auf jeden Fall gut für eine Überraschung. Die Mentalität ist da und die Mannschaft hat den nötigen Teamgeist dafür.
LAOLA1: Wie bewertest du den Kader der Australier?
Holland: Wenn ich es mit meiner Anfangszeit im australischen Team vergleiche, haben wir jetzt deutlich weniger Spieler in Europa, vor allem in den Top-Ligen. Ich bin 2008 in die Nationalmannschaft gekommen, fast jeder hat damals in der Serie A oder der Premier League gespielt.
LAOLA1: Eine "goldene Generation" damals…
Holland: …ja das war sie auf jeden Fall. Jetzt ist es sicher anders. Heute macht uns nicht die individuelle Qualität der Mannschaft aus, sondern die Kompaktheit, der Teamgeist. Meiner Meinung nach kann das den Unterschied machen.
LAOLA1: Wer sind die Stars in der Mannschaft, wen siehst du als besten australischen Spieler?
Holland: Aaron Mooy halte ich für einen super Fußballer, er ist jetzt bei Celtic. Er war lange in der Premier League (Huddersfield, Brighton & Hove Albion, Anm.). Außerdem gibt es noch Ajdin Hrustic, er spielt jetzt in Italien bei Hellas Verona. Ajdin hat einen sehr guten linken Fuß, auch er kann Spiele entscheiden. Und mit Garang Kuol haben wir noch einen sehr talentierten jungen Spieler. Er ist ein sehr großes Talent und hat erst kürzlich bei Newcastle United unterschrieben.
LAOLA1: Kann er der neue Harry Kewell werden? Der Name hätte ja zumindest schon einmal eine gewisse Ähnlichkeit.
Holland: Das ist ganz schwierig zu sagen. Ich glaube, man muss immer aufpassen, dass man einem jungen Spieler nicht zu viel Druck auferlegt. Er hat auf jeden Fall diesen "X-Factor". Was er auch mitbringt, ist dieser Arbeitswille, außerdem ist er sehr bescheiden. Das Potenzial ist auf jeden Fall da. Ob er wie Harry Kewell wird, ist schwer abzusehen, aber ich hoffe und glaube, dass er eine super Karriere haben kann.
LAOLA1: Du hast es ja vorher schon angesprochen, Stichwort "Überraschung". Kann der Einzug ins Achtelfinale gelingen?
Holland: Es muss sehr viel mitspielen, dass das passiert. Auf jeden Fall wird es eine schwierige Aufgabe. Ich glaube, alles ist möglich. Die australische Mannschaft zeichnet sich einfach durch diesen Teamgeist aus. Es wird auch jeden Fall nicht einfach gegen Dänemark und Frankreich, aber "never say never". Es ist eine WM und da sind schon verrücktere Sachen passiert. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen und hoffe, dass etwas möglich ist. Weil das wäre nicht nur gut für die WM, sondern auch für ganz Australien.
LAOLA1: Besagter Aufstieg gelang im Jahr 2006, was auch am sehr hochwertigen Kader mit Stars wie Kewell, Cahill, Viduka und Schwarzer lag. Du erinnerst dich sicher noch an das bittere Aus im Achtelfinale gegen Italien. Die Italiener sind damals durch einen umstrittenen Elfmeter in der 95. Minute weitergekommen. Wie hast du das zu jener Zeit miterlebt?
Holland: Ich war damals im Wohnzimmer, ich kann mich noch ganz genau erinnern. Bei uns war es fünf oder sechs Uhr morgens. Das war wirklich das erste Mal, dass ich mich erinnern kann, dass ganz Australien mit einer Mannschaft mitgefiebert hat. Der Elfmeter war natürlich bitter. Die Nationalmannschaft, diese goldene Generation hätte es, glaube ich, in diesem Spiel verdient gehabt, zu gewinnen oder zumindest in die Verlängerung zu kommen. Auf jeden Fall war das damals eine sehr wichtige Phase für den australischen Fußball.
LAOLA1: In den folgenden Jahren beendeten diese Stars nach und nach ihre Karrieren und konnten in der Nationalmannschaft nicht adäquat ersetzt werden. Wo siehst du den Grund dafür? Hat Australien ein Nachwuchsproblem?
Holland: Nun ja, ich glaube, das kann sein. Es ist schwierig, weil es viel Konkurrenz durch andere Sportarten gibt. Ich persönlich sehe es so: In der Vergangenheit hatte die australische A-League noch nicht diese Qualität. Die Liga war nicht so gut und stabil wie heute. Deshalb musste man früh nach Europa gehen, auch weil im Fußball noch nicht so viel Geld war. Es war ein bisschen ein "Survival of the fittest". Genau das ist eben bei dieser goldenen Generation passiert. Sie haben sich nach und in Europa durchgekämpft und es geschafft. Jetzt haben wir eine Liga in Australien, in der sich die Jungs wohlfühlen. Außerdem gibt es im asiatischen Fußball mehr Geld, weshalb viele auch dort bleiben. Ich denke, das spielt schon eine Rolle bei der Generation danach, es war einfach eine andere Konstellation.
LAOLA1: Aber du würdest jetzt nicht sagen, dass das eigene Nest so bequem geworden ist, dass man von dort nicht weggehen mag.
Holland: Ja vielleicht nicht bequem, aber in der Vergangenheit war es einfach viel schwieriger. Wie gesagt, es war ein "Survival of the fittest". Die Jungs damals haben das geschafft und heute haben australischen Fußballer einfach zu Hause viel mehr Möglichkeiten. Der Weg nach Europa ist auf jeden Fall schwierig und wenn es nicht funktioniert, hast du noch immer Australien oder Asien. Und das spielt eben, denke ich, schon alles eine Rolle. Auf jeden Fall kann man die Jugendarbeit in Australien nicht mit jener in Europa vergleichen. Du hast nicht die Akademien in dieser Form, es ist ein ganz anderer und kein einfacher Weg für die jungen Spieler.
"Ich würde nie sagen: 'Ich spiele nie wieder in der Nationalmannschaft.'"
LAOLA1: Du selbst hast ja auch bereits 16 Länderspiele für dein Land bestritten, das vorerst letzte im Juni des Vorjahres, seither aber keines mehr. Was war der Grund? Du wärst sicher auch gerne mit zur WM gefahren.
Holland: Ja, auf jeden Fall! Ich weiß nicht genau. In den letzten fünf Jahren habe ich meiner Meinung nach sicher den besten Fußball in meiner Karriere gespielt, aber ich war nicht immer dabei. Es ist natürlich schade, denn die Nationalmannschaft ist natürlich sehr wichtig für mich. Aber das ist ganz einfach eine Entscheidung, die der Trainer getroffen hat und die muss man annehmen. Das gehört im Fußball einfach dazu. Vielleicht liegt es an meinem Alter, weil ich nun doch schon etwas älter bin. Es kommen jetzt wieder junge Spieler nach, vielleicht will man ihnen eine Chance geben. Das verstehe ich dann auch zu 100 Prozent.
LAOLA1: Klingt jetzt aber nicht so, als würdest du mit dem Gedanken spielen, deine Teamkarriere bald zu beenden. Du machst also weiter?
Holland: Ja sicher. Für mein Land da zu sein, für dieses Team zu spielen, ist für mich das Schönste. Ich werde nicht sagen, dass ich aufhöre. Für die Nationalmannschaft bin ich immer bereit, wenn sie mich braucht. Und wenn nicht, dann ist es auch okay. Ich bin hier. Als Spieler und als Fan. Ich würde nie sagen: "Ich spiele nie wieder in der Nationalmannschaft."
LAOLA1: Abschließende Frage: Wer ist für dich der beste australische Spieler aller Zeiten außer James Holland?
Holland: (Lacht). Ich bin leider nicht auf dieser Liste zu finden. Das ist eine gute Frage. Ich meine, Harry Kewell hatte sehr viel Verletzungspech in seiner Karriere, aber er hat unglaublich viel erreicht. Er war ein überragender Spieler, zudem ist er ein super Mensch. Ich habe Harry schon ganz weit oben auf meiner Liste. Wen ich aber auch überragend fand, war Marco Bresciano, mit dem ich auch das Glück hatte, spielen und trainieren zu dürfen. Er hat nicht die Karriere von Harry Kewell gehabt, aber auch er war ein ausgezeichneter Fußballer. Unter dem Strich ist das, was Harry Kewell drauf hatte, aber schwer zu toppen.