Bixente Lizarazu weiß, wie es sich anfühlt, Weltmeister zu sein. 1998 holte der frühere Linksverteidiger des FC Bayern München mit Frankreich den Sieg bei der Heim-WM 1998.
Auch in Katar ist der mittlerweile 53-Jährige mit dabei und hat in diesen Tagen einiges zu tun. Für den wichtigsten TV-Sender Frankreichs TF1 hat Lizarazu ungefähr 25 Spiele kommentiert. Auch am Sonntag wird er das große Finale zwischen Frankreich und Argentinien (ab 16:00 Uhr im LIVE-Ticker) mit seinen Expertisen begleiten.
Dazu hat der Franzose in der französischen Sport-Zeitung "l´équipe" eine tägliche Kolumne, wo er vor allem die Leistungen der équipe tricolore analysiert. Zusätzlich moderiert er eine Radio-Sendung bei "France Info".
Aus Doha sprach "Liza" mit "Sportbuzzer" über diese Weltmeisterschaft, wie er dieses Finale zwischen Frankreich und Argentinien sieht und wer der beste Spieler dieses Turniers ist.
Frage: Monsieur Lizarazu, wie erklären Sie sich, dass die équipe tricolore zum zweiten Mal in Folge das WM-Finale erreicht hat?
Lizarazu: Obwohl es ausnahmsweise vor dieser Weltmeisterschaft kaum Vorbereitung gab, sind die Franzosen sehr schnell mit einem guten Eindruck ins Turnier gestartet. Es war wichtig, gleich im ersten Spiel gegen Australien (4:1) mit einem hohen Sieg zu starten und dabei ein starkes Zeichen zu senden, nachdem die Tage vor dem WM-Anpfiff schwer zu bewältigen waren mit mehreren Nationalspielern, die sich verletzt hatten. Insofern fand ich, dass keine Vorbereitung eine Art Vorteil in sich hatte.
Frage: Was meinen Sie genau?
Lizarazu: Ich persönlich habe insgesamt an zwei Welt- und zwei Europameisterschaften in meiner Spieler-Karriere teilgenommen. Damals waren wir zwei bis drei Wochen im Trainingslager, bevor das Turnier startete. Während dieser langen Vorbereitung war es jedes Mal der Fall, dass sich dabei mehrere Nationalspieler verletzt hatten und dadurch ihre Teilnahme absagen musste. Manchmal waren sogar Spieler dabei, die gerade in ihren jeweiligen Klubs eine Weltklasse-Leistung nach der anderen gezeigt hatten und dann in den Tagen vor dem ersten WM-Spiel immer mehr grübelten, weil sie nicht wussten, ob sie von Anfang an spielen würden.
Frage: Was wird bei diesem Endspiel spielerisch eminent wichtig sein?
Lizarazu: Der Schlüssel wird im Mittelfeld liegen: Wenn Antoine Griezmann und Adrien Rabiot ihr Potenzial wie bisher in diesem Turnier abrufen können, dann bin ich optimistisch, dass Frankreich seinen Titel verteidigen wird. Aber ich freue mich auch auf heiße Duelle - unter anderem das Fern-Duell zwischen Kylian Mbappé und Lionel Messi.
Frage: Wird der Schlüssel also auch bei Mbappé liegen?
Lizarazu: Das wäre der größte Fehler aus französischer Sicht, den man machen könnte. Frankreich braucht zwar Mbappé, aber auch Mbappé braucht seine Mitspieler immer mehr. Es ist auch wichtig, dass sein Pendant auf dem rechten Flügel Ousmane Dembélé genauso den Unterschied auf seinem Flügel ausmacht. Er kann ein paar Schippen drauflegen.
Frage: Die Leader dieser Mannschaft werden besonders wichtig sein.
Lizarazu: Klar, dabei denke ich an Raphael Varane und Kapitän Hugo Lloris, die bereits bei der WM 2014 in Brasilien dabei waren. Bisher traf Frankreich auf Gegner, die kaum Druck über die Flügel erzeugt haben bis auf das Viertelfinale gegen England (2:1). Da müssen wir dagegenhalten und eine noch imposantere Körpersprache an den Tag legen, das heißt noch kompakter agieren und die wichtigen Zweikämpfe gewinnen.
Frage: Steht Argentinien verdient im Finale?
Argentinien spielt nicht nur für Messi, sondern sie treten als starke kollektive Einheit auf. Ich habe das Gefühl, dass dieses Team eine Art Mission für ihr Land hat und für ihren besten Spieler: Den Pott nach Hause zu bringen.
Lizarazu: Zwar hat Argentinien sein Auftaktspiel gegen Saudi-Arabien (1:2) verloren, aber danach haben Lionel Messi und seine Mitspieler einen starken Eindruck hinterlassen. Sie sind immer stabiler aufgetreten. Argentinien spielt nicht nur für Messi, sondern sie treten als starke kollektive Einheit auf. Ich habe das Gefühl, dass dieses Team eine Art Mission für ihr Land hat und für ihren besten Spieler: Den Pott nach Hause zu bringen. Allein wenn sie einen Treffer erzielen, springt die ganze Bank mit. Das sagt ja einiges über den Zusammenhalt, was bei einem solchen Wettbewerb am Ende durchaus ausschlaggebend werden könnte.
Frage: Wen sehen Sie als Favoriten ?
Lizarazu: Ich sehe dieses Endspiel eher als 50:50 an.
Frage: Welchen Blick werfen Sie auf das Offensiv-Potenzial der Franzosen?
Lizarazu: Der Angriff ist absolut top. Neben den Gesetzten Giroud, Mbappé und Griezmann hat Deschamps Weltklasse-Waffen wie Kingsley Coman, Marcus Thuram und Randal Kolo Muani in der Hinterhand.
Frage: Bei dieser WM ging Olivier Giroud mit seinen 52. und 53. Länderspieltreffern in die Geschichte ein. Er zog damit an Thierry Henry vorbei, um Frankreichs bester Torschütze der Geschichte zu werden. Sind Sie überrascht, dass Giroud dermaßen effektiv ist?
Lizarazu: Olivier ist das beste Beispiel was ein Sportler auf dem höchsten Niveau erfüllen muss. Er hat während seiner gesamten Laufbahn unheimlich viel Charakter, Persönlichkeit und Widerstandsfähigkeit gezeigt. Jedes Mal, wenn man ihm den Ausgang gezeigt hat, kam er immer wieder durchs Fenster zurück. Man kann ihn durch seine Leistungen und seine Mentalität einfach nur lieben. Er gehört zu den festen Größen. Auch weil er sich mit Mbappé und Griezmann seit mittlerweile vielen Jahren blind versteht.
Frage: Ist Kylian Mbappé der beste Spieler bei dieser WM?
Lizarazu: Für mich ist Kylian der Spieler der Zukunft. Was mich bei ihm am meisten imponiert, ist seine Fähigkeit auf das Wesentliche fokussiert zu bleiben, obwohl er permanent im Mittelpunkt steht. Mit 23 Jahren ist er bereits sehr reif und ein kompletter Spieler.
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