Was nicht passt, wird passend gemacht. So lautet eine Redewendung, die derzeit sehr gut auf die Entwicklung beim SK Rapid umzumünzen ist.
Es passt nämlich aktuell hinten und vorne nicht. Nach der neuerlichen Blamage in Wolfsberg wartet Rapid im Frühjahr noch immer auf den ersten Sieg, zudem gab es in der Ära Damir Canadi in elf Pflichtspielen nur zwei volle Erfolge zu bejubeln.
War der Beginn der Zusammenarbeit im auslaufenden Herbst noch nicht zu bewerten, drängen sich nach einer kompletten Vorbereitung unter der neuen Führung doch Fragen auf.
Denn die Mannschaft ist verunsichert, sehnt sich nach Erfolgserlebnissen und weiß schon gar nicht mehr, mit welchen Floskeln und Durchhalteparolen sie die aktuelle Situation beschreiben soll. Es ist eine verzwickte Situation, in welcher es gut tun würde, auf Vertrautes zurückzugreifen. Auf kleine Details, die in der Vergangenheit funktioniert haben und wodurch sich die Spieler wohlgefühlt haben.
Doch zuerst wagte Rapid im Sommer den großen Cut, indem Zoran Barisic vom einen auf den anderen Tag abgesägt wurde – wohl noch immer einer der größten Fehler, wenn man sich seine Aufbauarbeit vor Augen führt, die er in den letzten Jahren geleistet hat - und dann hatten die Grün-Weißen mit Nachfolger Mike Büskens nicht die nötige Geduld. Dazu stanzte man Sportdirektor Andreas Müller – zu viele einschneidende Erlebnisse, um seriös auf das ausgegebene Saisonziel loszugehen, den Meistertitel. Doch die Mission 33 ist mittlerweile ohnehin so weit entfernt, wie Leicester City von der Titelverteidigung in der Premier League.
Mit Canadi sollte alles anders werden. Was sollte man denn auch falsch machen, wenn man den Trainer vom damaligen Sensations-Tabellenführer holt, der anscheinend weiß, wie es geht? Einiges, wie man mittlerweile weiß und wie sich auch die Entscheidungsträger wie Michael Krammer und Geschäftsführer Wirtschaft Christoph Peschek vorwerfen lassen müssen. Noch dazu, weil es einen sportlichen Leiter ja zu diesem Zeitpunkt gar nicht gab und weniger sportaffine Persönlichkeiten diese Wahl übernahmen.
Dass Canadi ein guter Trainer ist, sei hier außer Frage gestellt, schließlich hat er in Altach lange genug funktioniert. Doch genau da liegt der Hund begraben: Rapid ist nun mal nicht Altach! Bei den Vorarlbergern hatte der Wiener die uneingeschränkte Hoheit. Wenig Medienpräsenz, wenig Widerstand innerhalb des Vereins – so konnte die Mannschaft Schritt für Schritt so aufgebaut werden, wie es dem Chefbetreuer beliebte. Wenn es nicht geklappt hätte, hätten sich alle darauf berufen, dass es sich nur um Altach handelt und man nicht mehr verlangen könne.
Bei Rapid sind es hingegen keine Nuancen, welche die Erwartungshaltung der beiden Liga-Konkurrenten unterscheidet - es liegen Welten dazwischen. Das gab Canadi bei seiner Installierung Anfang November sogar indirekt zu. Doch anstatt sich den Gegebenheiten beim medienwirksamsten Verein des Landes mit den meisten Fans unter dem Anspruch, immer vorne mitspielen zu müssen, anzupassen, ließ sich der 46-Jährige nicht von seinem Kurs abbringen.
Was nicht passt, wollte er passend machen – ganz nach seinen Vorstellungen, ohne Rücksicht auf Verluste. Seine Art und Hartnäckigkeit war auf seinem bisherigen Karriere-Weg sicherlich hilfreich, bei Rapid stößt er damit allerdings nicht nur auf offene Ohren.
Auf dem Platz äußert sich das insofern, dass mitten unter der Saison die Umstellung auf die Dreierkette erfolgte. Canadi-Style – wie schon in Altach. Dort sehe man, dass es funktioniert, meinte er. Dass Rapid deshalb aber wie Altach spielen soll, ist zu hinterfragen. Denn Rapid hatte eine funktionierende Ausrichtung. Doch plötzlich: Weg vom Ballbesitz-Fußball, der Rapid über viele Jahre ausgemacht hat, weg vom Offensiv-Feuerwerk. Aus einer grundsoliden Defensive heraus zu spielen, ist nichts Verwerfliches. Diese als Plan B in der Hinterhand zu haben und flexibler auf Situationen reagieren zu können ebenso wenig.
Man braucht allerdings die richtigen Spieler dafür, um so ein System auch in die Tat umzusetzen. Die hat Rapid nicht, beziehungsweise brauchen diese Zeit, um in ihre neuen Rollen hineinzuwachsen. Denn viele Akteure wurden in ein Korsett hineingezwängt, das ihnen nicht passt. Offensivspieler als Abräumer, umfunktionierte Innenverteidiger und fehlende Dynamik sowie schnelle Umschaltspieler sind nur einige Punkte. Im Umfeld hört man, dass einige mit der Herangehensweise und dem Auftritt des Trainers nicht äußert glücklich sind. Bei anderen ist ihre Unzufriedenheit durch Leistungsschwankungen und Körpersprache offensichtlich.
Canadi rechtfertigt jedoch, dass er gar nicht umsetzt, was er unbedingt spielen lassen will, sondern viel mehr, was am besten zur Mannschaft passt. Laut ihm habe sich das in den letzten Spielen bestätigt. Defensiv kann man dies sogar belegen, offensiv jedoch weniger. Da fehlen weiter die Abstimmung, einstudierte Spielzüge, das direkte Kombinationsspiel. Und vor allem: Die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor.
Und die Situation könnte sich noch verschlimmern, da mit dem Heimspiel gegen Tabellenführer RB Salzburg eine riesige und dem Auswärtsspiel bei Sturm Graz eine unangenehme Hürde wartet. Hürden, die in dieser Verfassung nur schwer zu nehmen sein werden. Zeit, zu experimentieren oder etwas auszuprobieren, ohne dass Gefahr droht, ist derzeit nicht vorhanden. Denn der Abstand zum Tabellenende beträgt neun Punkte, innerhalb eines Spieltags könnte man auf Rang sieben abrutschen. Die Fans sind längst auf den Barrikaden und werden, wenn es so weiter geht, auch bald den Namen Canadi in den Mund nehmen – und dessen Abschied fordern.
Die Baustelle eines neuerlichen Trainerwechsels wird sich Rapid allerdings nicht antun. Nicht solange man mit Mike Büskens (bis Sommer), Andreas Müller, Carsten Jancker und Raimund Hedl noch Ex-Trainer auf der Gehaltsliste hat. Nicht solange es noch einen Ausweg gibt. Denn während in dieser Saison in der Liga alle Ziele unerreicht bleiben werden und nur mehr der ÖFB-Cup als Rettungsanker in Richtung Europacup herhalten könnte, geht es um den Aufbau einer Mannschaft, die ab Sommer ein anderes Gesicht zeigt.
Damit einhergehen müsste im Falle eines Canadi-Verbleibs, von dem auszugehen ist, eine radikale Kaderreduzierung sowie gezielte Neuerwerbungen, um dessen Vorstellungen zu realisieren. Da bleibt jedoch die Frage, in welchem Ausmaß das möglich ist. Oder aber der Trainer geht Kompromisse ein und passt sich den Gegebenheiten an - denn Rapid ist nun mal nicht Altach. In seiner noch kurzen Amtszeit hat sich Canadi durch die „mit dem Kopf durch die Wand“-Mentalität nicht viele Freunde gemacht. Doch der 46-Jährige ist ein Experte auf seinem Gebiet und wird durch selbstkritisches Hinterfragen die richtigen Schlüsse ziehen.
Denn man muss ihm auch zugutehalten, dass er mehrere Klubs in schwierigen Zeiten übernahm und mit etwas Geduld, in bessere Zeiten manövrierte. Das wird die Hoffnung des SK Rapid nähren. Oder aber es folgt die Erkenntnis, dass nicht alles passend gemacht werden kann, was nicht passt.