Wir haben ihn wieder, unseren geliebten Fußball!
Die deutsche Bundesliga hat den Schritt zurück gewagt und uns ein weiteres Stück unseres Alltags geschenkt.
Dass an der gegenwärtigen Situation nach wie vor nichts normal ist, ist aber nicht zu übersehen. Das ist nun einmal das Bild des Fußballs, das die nächsten Monate prägen wird. Auf manche Aspekte, die dem Spiel zu seiner Faszination verhelfen, muss weiter verzichtet werden.
Es ist, wie es ist – da hilft kein Protestieren. Neue Wege in einer unveränderlichen Situation zu suchen, ist nicht lächerlich, sondern zeugt von der menschlichen Anpassungsfähigkeit, die wir allesamt an den Tag legen müssen.
(Text wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
Skandalisieren fällt schwer und sollte auch nicht sein
Aber den Körperkontakt - wo es möglich ist - aus einer Kontaktsportart herauszuhalten, bedarf eines Spagats und kann trotzdem traurige Komik mit sich bringen.
Während die Spieler natürlich keinen Zweikampf scheuen und in der Mauer dicht an dicht stehen, sollen beim Torjubel gemäß der Empfehlungen des Hygiene-Konzepts eigentlich die bekannten Abstandsregeln eingehalten werden. Das wurde etwa von Hertha BSC nicht restlos verinnerlicht (HIER nachlesen>>>).
Aber wer kann es verübeln? Eben noch auf Tuchfühlung mit dem Gegner, im Moment der Freude sollen die Teamkollegen aber möglichst weit weg bleiben? Das geht sich eigentlich nicht aus.
Auch der Kommentator auf "Sky" wusste nicht so recht mit dieser Szene umzugehen. Das "Vergehen" fiel auf, wurde semi-kritisch angesprochen, eher gequält belächelt und nicht skandalisiert. Warum auch? Daraus ein schweres Verbrechen zu schnitzen, wäre absurd.
Eher ein Symbol als eine wirksame Maßnahme
Wie mit solchen Momenten, die eigentlich gegen die Hygiene-Empfehlungen gehen, umgegangen werden sollte, ist schwierig abzustecken. Sie ohne Ansprache zu lassen, würde die eigenen Regeln ad absurdum führen.
Die Diskussion wird ohnehin angeheizt. Darum ist die Suche nach dem Fingerspitzengefühl schwer. Aber die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen richtig einzuordnen, kann vielleicht dabei helfen, es zu finden.
Zu befürchten ist: Sollte im Umfeld der Spieler eine Infektion auftreten und trotz der engmaschigen Tests nicht rechtzeitig erkannt werden, ist eine Verbreitung unter Kollegen und Gegnern trotz der Maßnahmen schwer komplett auszuschließen.
Dieses Risiko werden die Sekunden des Jubels allein nicht explodieren lassen. Es ist die symbolische Kraft des "Abbussel-Verbots", die schwerer wiegt.
Denn wo die Diskussion um vermeintliche "Privilegien" des Fußballs die letzten Wochen beherrschte, wären Bilder sich umarmender Spieler schwer zu akzeptieren, während die Allgemeinheit weiter dazu angehalten ist, körperliche Nähe aus dem Alltag zu streichen.
"Die Fußballer umarmen sich doch auch!"
Es bliebe zwar ein unfairer Vergleich, weil das Risiko im Fußball eben auf mehreren Wegen gleichzeitig eingeschränkt wird. Breite und regelmäßige Tests zeigen jeden Corona-Fall schnell auf, die Allgemeinheit profitiert noch nicht von dieser Maßnahme.
Aber Bilder haben eben eine Strahlkraft, die von ihrem Kontext losgelöst genauso wirkt. Die Einstellung von Fußball-Kritikern zum aufgenommenen Spielbetrieb einerseits, und von "Herr und Frau Normal" zu den Corona-Einschränkungen des Alltags andererseits, wäre trotzdem beeinflusst.
Da würde auch der Verweis auf die permanenten Tests nicht helfen, die im Übrigen kein Privileg darstellen, wenn die Kosten von den Ligen getragen und keine notwendigen Kapazitäten von der Allgemeinheit abgezogen werden.
Es ist noch nicht vorbei
"Wir wurden sechsmal negativ getestet, zuletzt gestern. Emotionen gehören auch ein Stück weit dazu. Sonst brauchen wir das Spiel nicht zu spielen."
Für uns alle ist immer noch Durchhalten angesagt. Denn dass die Corona-Pandemie vorerst einmal halbwegs unter Kontrolle erscheint, ist der allgemeinen Disziplin hinsichtlich der Maßnahmen zu verdanken.
Diese Disziplin wird von uns allen weiterhin notwendig sein, auch wenn uns die Rückkehr vieler Freiheiten und eben des Fußballs vielleicht eine verschwindende Gefahr suggerieren.
Der Fußball würde seine oft beschworene Vorbildwirkung mit innigen Jubel-Bildern schlicht konterkarieren. Und sein derzeit wackliges Standing in der Gesellschaft abseits seiner Anhänger ebenfalls weiter angreifen.
Emotionen wirken eben auf viele Arten und in viele Richtungen.
Der Fußball versucht, sein Gesicht zu wahren
Die Kraft des Fußballs entfaltet sich auf dieser irrationalen Ebene. Das macht ihn ja so besonders. Und lässt uns noch so vieles vermissen, obwohl der Ball selbst wieder über das Grün rollt.
Darum ist ein Aufruf zum Abstands-Jubel vielleicht bizarr, aber letzten Endes nachvollziehbar. Als Symbol einer Solidarität mit allen, die sich nicht unbeschwert in den Armen liegen sollten.
Und als Symbol einer schwierigen Zeit, die uns trotz des richtigen Weges allen im Bewusstsein bleiben sollte.
Bei aller Inkonsequenz unter den Maßnahmen auf dem Platz bleibt damit eine Konsequenz in der Vorbildwirkung des Fußballes erhalten.