Der Fußball teilt sich in zwei Hälften. Arm und reich, Fan und Kunde, regional und global.
Die ersten Wochen der neuen Fußball-Saison 2016/17 sind vom noch einmal beschleunigten Auseinanderdriften von arm und reich geprägt. In der Champions League schießen die großen Vereine die weniger betuchten Vertreter mit Kantersiegen aus den Stadien. Eine Entwicklung, die sich in einigen nationalen Ligen (Spanien) schon länger gezeigt hat und sich nun auch etwa in der deutschen Bundesliga nachhaltig manifestiert. Dass Ligakrösus Bayern München nicht Meister wird, darauf würden wohl nur veritable Zocker einen Euro wetten.
Als Folge dieser Entwicklung werden unter anderem Formatänderungen der Bewerbe beschlossen oder diskutiert. In beide Richtungen. Auf der einen Seite wird die Zweiklassengesellschaft einzementiert (Champions League-Reform mit vier Fixstartern für die großen Ligen) und auf der anderen Seite melden sich in Deutschland Stimmen zu Wort, die ein Play-Off der besten vier Teams fordern, um den Meister zu ermitteln. Damit der FC Bayern nicht schon zum Jahreswechsel als Titelträger feststeht, heißt es da von den Befürwortern.
"Kritiker monieren, der Fußball würde nur noch dem Geld, dem Markt und den TV-Stationen folgen. Ja, stimmt. Tut er. Nur was ist das Besondere dabei? Der Fußball ist eben, wie eh fast immer, ein Spiegel der Gesellschaft."
Kritiker monieren, der Fußball würde nur noch dem Geld, dem Markt und den TV-Stationen folgen. Ja, stimmt. Tut er. Nur was ist das Besondere dabei? Der Fußball ist eben, wie eh fast immer, ein Spiegel der Gesellschaft. Das Angebot wird nachgefragt und deshalb ist es da und wird weiter ausgebaut. Die Differenzierung muss anderswo ansetzen. Beim Unterschied zwischen "Fans" und "Kunden". Für den klassischen, romantisch angehauchten Fan sind es unumkehrbar schwere Zeiten, insbesondere in den großen Ligen Europas. Jeder Verein mit ausreichend Strahlkraft setzt mit seiner Vermarktungsstrategie auf den "Kunden", der mehr zahlen kann und will als der Fan auf der Stehplatztribüne. Diese werden maximal noch als Aufputz wertgeschätzt, die das tolle Stadionerlebnis für den Kunden generieren.
In einigen Fällen kommt man auch mit ausschließlich Kunden aus, siehe die Red-Bull-Franchises oder Vereine wie Hoffenheim. Reiche Klubs sind und bleiben auch ohne Fans reich. Der Einfluss des Konsumenten "Fan" ist begrenzt, sein finanzieller Beitrag nicht groß genug. Der Konsument "Kunde" und vor allem der Konsument "Großkunde", das Sponsoring und die TV-Stationen steuern die großen Teile des Kuchens bei. Das hat weitreichende Folgen für die soziale Struktur der Stadionbesucher. Bildete früher das Proletariat, die so genannte Arbeiterklasse, den Kern der Zuseher, wird Fußball heutzutage mehr und mehr ein Mittel- bis Oberschichtenprogramm, inklusive Big Business in den Logen der Sponsoren.
Der Weg zurück scheint ausgeschlossen. Das System und die Dynamik in einer Welt des globalisierten Kapitalismus werden sich nicht ändern. Dass zum Beispiel die Premier League TV-Gelder ohne Ende lukrieren und ausschütten kann, liegt nicht am großen heimischen Markt allein, es liegt an der globalen Präsenz der Liga. Da geht dann auch die Romantik verloren. Der Sportwetter in Vietnam oder China hat keine Ahnung, wer ein Traditions- und wer ein Retortenklub ist. Dorthin gelangt das Narrativ, welches das Fernsehen erzählt. Zurück gelangt das Geld der global vermarkteten Liga.
In kleinen Ligen geht diese Entwicklung ein wenig verzerrt vonstatten. Manchen Trends kann sich auch eine Liga wie die heimische Bundesliga nicht entziehen. Aber die Schere geht für die Fans nicht gar so weit auf, weil Zuschauereinnahmen in kleinen Märkten weit relevanter sind. Österreichische Vereine sind zu einem ungleich größeren Teil auf dieses Geld angewiesen als deutsche oder englische Vereine. Das erhöht natürlich auch das Standing dieser Zielgruppe und bei publikumswirksamen Klubs wie Rapid oder Sturm ist deren Einfluss dann durchaus auch gegeben.
"Der Fußball ist noch näher an den Menschen. Trotz teilweise schrecklicher Infrastruktur hierzulande ist dieser Teil des heimischen Kicks aus meiner Sicht ein begrüßenswerter. Mir ist ein Besuch in Liebenau oder meinetwegen auch im Pappel-Stadion um einiges lieber als ein Besuch in München beim FC Bayern."
Der Fußball ist noch näher an den Menschen, um kurz in den Politikersprech zu verfallen. Trotz der teilweise schrecklichen Infrastruktur hierzulande ist dieser Teil des heimischen Kicks aus meiner Sicht ein begrüßenswerter. Das mag ein romantisierter Zugang sein, nichtsdestotrotz ist mir ein Besuch in Liebenau oder meinetwegen auch im Pappel-Stadion um einiges lieber als ein Besuch in München beim FC Bayern oder in Manchester bei City. Wie es auch sein könnte, zeigt alle zwei Wochen ein Blick in die seelenlose Bullen-Arena und leider auch ein bisschen das neue Stadion des SK Rapid. Eh schön und so, aber die Atmosphäre des alten Hanappi lässt sich nicht wieder herstellen. Alles ein bisschen steriler, ein bisschen braver, ein bisschen mehr Mainstream.
Aber natürlich aus wirtschaftlicher Perspektive ein unglaublicher Schub für den Klub. Hier prallen die beiden Welten auch in der Bundesliga aufeinander. Generell bleibt für den Fußball-Liebhaber aber nur noch die Wahlmöglichkeit. Zwischen der Nische, der kleinen Liga oder den unteren Leistungsklassen und dem globalen Fußball der "Großen". Miteinander verschmelzen werden diese beiden Welten nur noch in Ausnahmefällen. Damit muss man sich wohl abfinden.
Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Nun beschäftigt er sich als Betreiber der Podcast-Plattform "blackfm.at" mit den Geschehnissen bei den Schwarz-Weißen. Bei LAOLA1 verfasst er in regelmäßigen Abständen Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick. Kontakt: blackfm1909@gmail.com.